Es sei an der Zeit, feminine Nacktheit zu normalisieren, meint die Karlsruher Linke Fraktion in einem Antrag für den Gemeinderat. Maskuline Nacktheit sei längst ein akzeptierter Bestandteil der Gesellschaft.
Was kritisiert die Linke?
In Sachen weiblicher Körper und seiner Freizügigkeit soll nun nachgezogen werden - zumindest in öffentlichen Schwimmbädern. "Der Anblick der weiblichen Brust sollte im 21. Jahrhundert keinen Aufschrei mehr auslösen – sei es beim Stillen, auf der Liegewiese oder beim Schwimmen", so die Fraktion in ihrer Antragsbegründung.

Im Kern der Kritik steckt die Andersbehandlung von weiblichen und männlichen Personen: "Diese Unterscheidung fängt oft schon in der Kindheit an. Während Jungen im Schwimmbad nur eine Badehose tragen, tragen gleichaltrige Mädchen sinnloserweise zusätzlich ein Bikinitop, obwohl beide Körper in dem Alter nichts voneinander unterscheidet", meint die Linke.

Hinter der Varianz stecke die Bewertung von sekundären Geschlechtsmerkmalen, erklärt die Gemeinderatsfraktion. In diesem Fall beträfe es die Bewertung und Interpretation von weiblichen Brüsten. "Der Grund dafür ist die Sexualisierung femininer Körper", so die Linke.
Als Konsequenz der "Sexualisierung" könne die nackte weibliche Brust in der Öffentlichkeit zu Platzverweisen oder Geldbußen führen, wie die Fraktion in ihrem Antrag kritisiert. Die Linke sieht darin eine Ungleichbehandlung zwischen den Geschlechtern.
Was ist in den Bädern verboten?
Laut Haus- und Badeordnung herrscht in den Karlsruher Bädern generell Badeklamottenpflicht. "Primäre und sekundäre Geschlechtsorgane sind bei einem Schwimmbadbesuch zu bedecken", so Karlsruher Bäderchef Oliver Sternagel in einem Telefonat mit ka-news.de.

Ausgenommen von dieser Regel sind entsprechende Saunabereiche wie beispielsweise in der Therme Vierordtbad in der Ettlinger Straße.
Wo darf ich nackt baden?
In Sachen Freizügigkeit und Badespaß zeige sich vonseiten der Bevölkerung kaum Besserungsbedarf, wie Sternagel erklärt. "In und um Karlsruhe gibt es bereits Möglichkeiten für textilfreies Baden. Wie bei uns im Vierordtbad zum Beispiel." Der Lichtbund Karlsruhe bietet außerdem traditionelle FKK (Freikörperkultur) in der Nähe von Hagsfeld an.
Was fordert die Linke?
Das Angebot soll in gewisser Weise vollumfänglich ausgeweitet werden, fordert die Linke. Die konkrete Forderung der Gemeinderatsfraktion lautet: "Beim Aufenthalt und Baden in den Karlsruher Bädern wird während der regulären Öffnungszeiten allen Personen Oberkörperfreiheit erlaubt – unabhängig vom jeweiligen Geschlecht."
Was sagt das Gesetz?
Das Strafgesetzbuch (StGB) hält in seinem 13. Abschnitt "Sexualstrafrecht" unter dem Paragrafen 183a "Erregung öffentlichen Ärgernisses" fest: "Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in Paragraf 183 mit Strafe bedroht ist."

Die reine Entblößung des Oberkörpers ist nicht von dem Gesetz betroffen. Somit hat die Karlsruher Linke recht, wenn sie wie im Antrag anmerkt: "In Deutschland gibt es kein Gesetz, das Nacktheit in der Öffentlichkeit ausdrücklich verbietet. Zumindest, solange sie keinen sexuellen Bezug hat."
Was ist mit Exhibitionismus?
Exhibitionismus ein eine Art von Nacktheit, die tatsächlich strafgesetzlich verboten ist. Bei einem Vergehen warten sogar Freiheitsstrafen. Interessant dabei ist: Der Straftatbestand greift ausschließlich bei Männern. So besagt der folgende Absatz von Paragraf 183 "Exhibitionistische Handlungen": "Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft."

Der Bundesgerichtshof bestärkt die Geschlechtertrennung und beschreibt eine "exhibitionistische Handlung" in einem Urteil vom 5. September 1995 wie folgt: "Eine exhibitionistische Handlung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter einem anderen ohne dessen Einverständnis sein entblößtes Glied vorweist, um sich dadurch oder zusätzlich durch Beobachten der Reaktion der anderen Person oder durch Masturbieren sexuell zu erregen, seine Erregung zu steigern oder zu befriedigen."
Warum dürfen Bäder entscheiden?
Exhibitionismus ist also nicht nur in Karlsruher Bädern nicht erlaubt. Nackt sein ist generell nicht verboten, kann von Bäderbetreibern jedoch dennoch unterbunden werden, denn: Auf den Grundstücken gilt grundsätzlich das Hausrecht.

Die Verantwortlichen im Fall Karlsruhe, also die Bäderbetriebe, können entsprechend beschließen, wem der Zutritt gewährt wird, und wem nicht. So kann auch das Befolgen einer Kleiderordnung für den Badbesuch Pflicht sein.
Wann wird über den Antrag entschieden?
Ob und inwiefern dem Antrag der Linke stattgegeben wird, wird sich wohl erst in der nächsten Gemeinderatssitzung am 16. Mai zeigen. Anschließend soll das Thema im Bäderausschuss besprochen werden. Der Termin ist der 21. Juli. Zuvor lasse sich keine verlässliche Aussage über eine Bestätigung oder Ablehnung des Antrags treffen, sagt der Bäderchef.