Es handelt sich um Passagen in den "Bemerkungen des Bundesrechnungshofes" (BRH) von 2011 - eine Art Jahresbericht. Die darin enthaltenen Informationen könnten der bisherigen Diskussion um eine zweite Rheinbrücke eine ganz neue Wendung geben.
Bund sieht Nordtangente als Fehlinvestition
So heißt es in dem Jahresbericht, der ka-news vorliegt: "Das Bundesverkehrsministerium hat auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes auf den Neubau der Bundesstraße 10 als stadtnahe Umgehungsstraße von Karlsruhe verzichtet. Dadurch vermeidet der Bund eine Fehlinvestition von 115 Millionen Euro." Kurz gesagt: Der Bund möchte derzeit eine Nordtangente - also einer durchgängigen Bundesstraße von der B9 bis zur A5 - nicht bauen.
Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, sagte bei der Vorstellung des Berichts am 15. November in Berlin: "Die Autobahnen und die Bundesstraßen bauen und unterhalten die Länder, während der Bund sie finanziert - derzeit mit jährlich 6,3 Milliarden Euro. Ein solches Finanzierungssystem lädt zur Großzügigkeit ein, weil die Länder bestellen und der Bund bezahlt."
Keine Hängebauchlösung, keine Nordtangente
Dies und zum Teil auch fehlende Sorgfalt bei den Planungen und bei den Abrechnungen führe immer wieder dazu, dass die Länder den Bund mit unnötig hohen Kosten belasten wollten, heißt es weiter. Immerhin sei es aber gelungen durch frühzeitige Prüfungen, Unnötiges zu verhindern. "So hat das Verkehrsministerium auf unsere Empfehlung auf den Neubau der Bundesstraße 10 nahe Karlsruhe verzichtet und damit eine Fehlinvestition von 115 Millionen Euro vermieden", teilte Engels mit.
Hintergrund: Der Bundesrechnungshof hatte wohl bereits 2005 darauf hingewiesen, dass der Bund seine beiden Abschnitte der "Nordtangente" mit Kosten in Millionenhöhe baue, diese aber wegen des möglicherweise fehlenden mittleren städtischen Abschnittes für den weiträumigen Verkehr nutzlos bliebe. Der Bundesrechnungshof empfahl daher dem Bundesverkehrsministerium, den Bau seiner Abschnitte so lange einzustellen, bis die Stadt Karlsruhe sich verpflichtet, ihren Abschnitt zu bauen. Im Jahr 2009 beschloss die Stadt Karlsruhe, den Mittelabschnitt - die sogenannte Hängebauchlösung - nicht zu bauen. Damit sei nach Ansicht des BRH ein durchgehender Streckenzug der Bl0 in der geplanten Variante als stadtnahe Nordtangente nicht mehr möglich - die Finanzierung unnötig.
Neue Informationen für Splett
Im baden-württembergischen Verkehrsministerium zeigte man sich von der Aussage des Bundesrechnungshofes überrascht. Sie habe selbst erst am Montagmorgen von diesem Bericht erfahren, so Staatssekretärin Gisela Splett von den Grünen auf ka-news-Nachfrage. In einer ersten Reaktion bezeichnete Splett es als "gute Nachricht", dass der Bund die Finanzierung der Nordtangente als unnötig ansehe.
"Das ist für mich nur ein weiteres Argument, dass die Nordtangente bei der Fortschreibung aus dem Bundesverkehrswegeplan herausgenommen werden muss", so Splett gegenüber ka-news. "Es entspricht meiner langjährigen Position, dass die Nordtangente besser nicht gebaut werden sollte." Die Nordtangente ist als Baumaßnahme des Bundes im Bundesverkehrswegeplan von 2003 für den Vordringlichen Bedarf aufgenommen. Der neue Sachverhalt werde beim Faktencheck am Dienstag aber nur am Rande thematisiert und stehe nicht im Fokus der Veranstaltung, so Splett weiter.
Nordtangente soll nicht im Fokus stehen
Kritiker wiesen bisher immer darauf hin, dass der Bau einer zusätzlichen Rheinbrücke zu einer erhöhten Verkehrsbelastung in Karlsruhe führen und damit den Druck für denBau der sogenannten Nordtangente erhöhen würde. Damit seien negative Auswirkungen für Anwohner sowie Natur und Umwelt verbunden. Wirtschaftsverbände und Befürworter einer zweiten Rheinbrücke bestehen unter anderem auf eine Anbindung bis zur B36. Denn einer zweiten Rheinbrücke ohne das Folgeprojekt "Anbindung B36 - Nordtangente Karlsruhe" ergebe für sie keinen Sinn.
Eine Variante, die übrigens auch die Teilnehmer unserer ka-news-Umfrage bevorzugen: 62,39 Prozent befürworten den Bau einer zweiten Rheinbrücke mit Anschluss an die B36 und mit Nordtangente. 14,80 Prozent finden, dass die derzeitige Planung mit Anschluss an die Südtangente genau so umgesetzt werden sollte. Gegen den Bau einer zweiten Rheinbrücke sprechen sich indes 19,79 Prozent aus. "Die bestehende Brücke sollte lediglich saniert werden." 3,02 Prozent der Umfrageteilnehmer ist die zweite Rheinbrücke egal.
Bundesverkehrsministerium teilt Auffassung des Bundesrechnungshofes
Das Bundesverkehrsministerium (BMVBS) teilte auf ka-news-Anfrage mit: "Nach einem Gemeinderatsbeschluss vom 27. Janur 2009 hat sich die Stadt Karlsruhe gegen den in ihrer Baulast stehenden Mittelabschnitt und somit auch gegen das durchgehende Gesamtprojekt ausgesprochen." Die Nordtangente Karlsruhe entfalte ihre gesamte Fernverkehrsbedeutung jedoch erst, wenn sie durchgehend von der A5 bis zum Rhein realisiert werde. Der Bund habe daher der Stadt und dem Land mitgeteilt, dass eine Finanzierung weiterer Abschnitte der Nordtangente erst möglich sei, wenn gesichert ist, dass die Gesamtkonzeption der Straße vom Grundsatz her umgesetzt werden könne.
Das BMVBS teile daher die Auffassung des BRH, wonach "eine Finanzierung von weiteren Teilabschnitten der Nordtangente Karlsruhe durch den Bund erst möglich ist, wenn sicher gestellt ist, dass der durchgehende Streckenzug von der A5 bis zur B10 - Rheinquerung realisiert wird." Von diesem Finanzierungsvorbehalt sei der Abschnitt von der zweiten Rheinbrücke bis zur B36 ausgenommen worden, da für diesen von der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg eine eigene Fernverkehrsrelevanz nachgewiesen wurde. "Zusammenfassend steht das BMVBS entsprechend den gesetzlichen Festlegungen im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen nach wie vor sowohl zu einer zweiten Rheinbrücke als auch zur Nordtangente Karlsruhe", heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums.
ka-news ist am Dienstag wieder vor Ort und wird im Laufe des Tages vom Faktencheck berichten.
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