Ab heute herrscht auf Deutschlands Schienen Ausnahmezustand. Dank GDL-Rekordstreik müssen Pendler mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen - auch rund um Karlsruhe. Nach Bekanntwerden des Streiks brach die GDL-Homepage unter den zahlreichen Anfragen zusammen. Der Ärger der Reisenden ist groß, das Verständnis gering. Und viele fragen sich genervt: Ist das alles denn überhaupt noch rechtens?
GDL könnte über Wochen streiken
Einer, der die Antwort auf die Frage kennt, ist Stefan Bohnacker. Er ist Anwalt für Arbeitsrecht bei der "BSHR Steuerberatung Rechtsberatung Stadler Hettel Roth Partnergemeinschaft" in Ettlingen. Seine Einschätzung: "Ja, grundsätzlich sind auch mehrtägige Streiks zulässig", erklärt er im Gespräch mit ka-news, "das Streikrecht ist ein stark ausgeprägtes Recht."
Ein "Streikgesetz" wiederum existiere nicht, daher sei weder der Ablauf noch die Häufigkeit oder die Dauer eines Ausstands gesetzlich geregelt. "Theoretisch könnte die GDL auch über Wochen streiken. Das geht in der Regel so lange, bis eine der beiden Seiten einknickt", meint Bohnacker, "allerdings existieren vom Bundesverfassungs- und -arbeitsgericht festgelegte Grundregeln, an die sich beide Parteien zu halten haben." So könne prinzipiell nur eine organisierte Gewerkschaft ihre Mitglieder überhaupt zum Streik aufrufen.
"Einzelner Mitarbeiter kann nicht zum Streik aufrufen"
Die Folge: "Ein einzelner Mitarbeiter allein kann nicht einfach so einen Streik ausrufen", schildert Bohnacker, "daher können Mitarbeiter in einem Berufszweig ohne Gewerkschaft nicht streiken." Nach Ausruf des Streiks stehe es dann auch Arbeitnehmern, die nicht der Gewerkschaft angehören, frei, ihre Arbeit niederzulegen - verpflichtend sei ein Ausstand aber nie.
Damit ein Streik als "rechtmäßig" gilt, müssen laut Bohnacker zudem weitere Punkte beachtet werden: "Ein Streik sollte immer das letzte Mittel sein", so der Anwalt für Arbeitsrecht, "ohne vorherige Verhandlungen der beiden Parteien geht es nicht." Der Einsatz eines Schlichters sei zwar empfehlenswert, aber nicht vorgeschrieben. "Ein Schlichter stellt für beide Seiten immerhin ein Risiko dar, denn sein Spruch ist dann bindend", meint Bohnacker.
Eine weitere Grundregel für einen Streik wäre die sogenannte "Friedenspflicht". Das bedeutet: "Die Gewerkschaft muss den Ablauf des Tarifvertrages abwarten, bevor sie zum Streik aufrufen dürfen", beschreibt der Experte. Gleichzeitig müssten die Ziele "tariflich regelbar sein". "Zu tariflich regelbaren Zielen gehören zum Beispiel Lohnhöhe, Urlaub oder Arbeitsziele", so der Experte, "ein Streik, der eine gesetzliche Änderung erzwingen will, ist unzulässig." Ob alle momentanen Forderungen der GDL rechtmäßig sind, sei juristisch streitbar.
Schadenersatz, Abmahnung und Kündigung möglich
Stellt sich ein Streik als unrechtmäßig heraus, kann das für die Streikenden Konsequenzen haben - auch im Nachhinein. Grundsätzlich müsse ein streikender Mitarbeiter sich keine Sorgen um Abmahnung oder Kündigung machen, solange der Streik rechtmäßig ist. Dennoch bedeute ein Streik immer auch ein gewisses Risiko: "In dieser Zeit erhält der Streikende keinen Lohn", erzählt Bohnacker, "hat eine Gewerkschaft eine Streikkasse, wird der Lohn damit weiter bezahlt. Irgendwann könnte der Streikende aber ohne Lohn dastehen."
Doch das könnte nicht das einzige Problem werden. "Erklärt ein Gericht den Streik als rechtswidrig, sind Repressalien von Seiten der Arbeitgeber möglich", erinnert der Fachmann. Sowohl gegen Gewerkschaft als auch gegen den einzelnen Arbeiter könnten dann Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Und auch Abmahnungen oder Kündigungen seien in extremen Fällen zulässig. "Allerdings werden Streiks in den wenigsten Fällen für rechtswidrig erklärt", stellt Bohnacker klar, "dass der GDL-Streik für unrechtmäßig erklärt wird, ist zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich."
Weitere Infos zum Streik auch unter www.bahn.de und www.kvv.de
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