"Was hier abläuft spottet jeder Beschreibung. Das habe ich in zwölf Jahren Gemeinderat noch nicht erlebt", erklärte CDU-Stadtrat Thorsten Ehlgötz sichtlich aufgeregt. "Was hier abgezogen wird ist Feigheit vor dem Wähler und hat mit Demokratie wenig zu tun." Vorangegangen war eine eigentlich harmlose Anfrage der Grünen und eine weitere der SPD zum Thema Sicherheit im Wildparkstadion und Um- beziehungsweise Neubau der Spielstätte (Link jeweils auf PDF) des Karlsruher SC.
Anfrage an die Stadt führt zu Streit im Gemeinderat
In der Antwort der Stadtverwaltung an die Grünen bescheinigte diese dem Wildparkstadion eine ausreichende Sicherheitslage, die sowohl für die 3. Liga als auch für die 2. Bundesliga ausreichend sei. Zwar gestalte sich die Lage rund um den Wildpark als schwierig, aber durch das Sicherheitskonzept lasse sich die Situation mit anderen Stadien vergleichen. In Sachen Um- oder Neubau des Wildparkstadions fand die Stadtverwaltung klare Worte: "Es liegt zunächst ausschließlich am KSC-Präsidium, in der Stadionfrage wieder auf die Stadt zuzukommen."
Seit der Amtsübernahme Ingo Wellenreuthers als KSC-Präsident habe die Stadt nichts mehr von Vereinsseite gehört. Weiter hieß es aus dem Rathaus, dass der Wildpark als Standort weiterhin bevorzugt werde. Dem widersprach Präsident Wellenreuther bereits Stunden vor dem Streit im Gemeinderat im Gespräch mit ka-news: "Der Verein ist weiterhin der Auffassung, dass der Standort im Wildpark nicht geeignet ist." Zudem wies er Aussagen der Stadt zum Investor "newport" zurück. Damit sollte die Sache eigentlich erledigt sein - dachte sich wohl auch der KSC-Präsident und CDU-Stadtrat, bevor die Anfrage am Dienstagabend im Gemeinderat behandelt wurde.
SPD, Grüne und KAL stehen zum Wildpark
Denn das eigentliche Prozedere sieht keine Diskussion und Aussprache zu einer Anfrage vor, und so verließ Wellenreuther die Sitzung um einen Interviewtermin in Karlsruhe wahrzunehmen. Im Gespräch mit ka-news hoffte er zuvor, dass es nach der OB-Wahl zu einer "sachlichen und unaufgeregten Diskussion" kommen werde. Doch mit einem "Taschenspielertrick", wie ihn CDU-Stadtrat Detlef Hofmann später nennen sollte, überrumpelten die Anfragesteller und die Karlsruher Liste (KAL) die FDP und die CDU. Kurzerhand beantragte Lüppo Cramer die Diskussion zur Grünen- und SPD-Anfrage zu öffnen - die Visiere wurden geöffnet und einige Stadträte scheuten sich keineswegs zu schießen.
Sichtlich vorbereitet auf diesen KAL-Schachzug äußerten sich die Stadträte der SPD, der Grünen und der KAL. "Wir sind sehr verärgert über die Forderungen des KSC und sind froh, dass die Stadtverwaltung durch die Antwort das Thema nun richtig gestellt hat", sagte Eberhard Fischer (KAL). Er und auch der Gemeinderat hätten vor Jahren eine fehlerhafte Entscheidung getroffen und Planungen außerhalb des Wildparks vorangetrieben. "Der Wildpark ist richtig, zumal sogar für die 2. Liga keine Auflagen drohen." Ein vollständiger Um- oder Neubau sei bei den Leistungen und den "unprofessionellen Strukturen des Vereins" für die Bevölkerung schwer vermittelbar.
KAL-Schachzug bringt Stadträte in Rage
Sichtlich überrascht ob der Diskussionsrunde erwiderte Hofmann von der CDU, dass der KSC nicht fordere, sondern lediglich beratend zur Seite stehe. "Der KSC kann ein neues Stadion gar nicht alleine schultern." Zudem kritisierte er die Vorgehensweise der KAL, die eine Diskussion möglich machte. Schärfer formulierte das CDU-Kollege Ehlgötz. Er wertete das Verhalten als Peinlichkeit und als Feigheit vor dem Wähler, die übrigen Fraktionen so unvorbereitet in eine Debatte zu drängen - zumal Ingo Wellenreuther selbst nicht vor Ort sein konnte. Thomas Hock von der FDP sah die Öffentlichkeit ausgesperrt, da niemand mit einer solchen Diskussion rechnen konnte und monierte, dass die Anfragen von SPD und Grünen zum Wahlkampf benutzt würden. OB-Kandidat Friedemann Kalmbach sprach von einer "Schande für das Haus", die diese Debatte mit sich bringe.
"Stellen Sie lieber einen Antrag, dann können sich alle Fraktionen vorbereiten", richtete Hock das Wort an die Stadträte. Denn das KSC-Stadion sei nicht drittligatauglich und müsse überarbeitet werden, auch wenn derzeit kein Investor in Sicht sei und der Verein finanziell nicht helfen könne. SPD und Grüne hingegen halten weiterhin am altehrwürdigen Wildpark fest. Die Sicherheitslage sei weiterhin so, dass Profifußball in Karlsruhe gesichert sei. "Den Wildpark lassen wie er ist, das geht nicht - wir legen keine Hindernisse in den Weg", so Heinrich Maul (SPD). Derzeit sei aber kein neues Stadion nötig - "vielleicht erst wieder in ein paar Jahren. Jetzt müssen wir damit auskommen, weil die CDU aus dem Erfolgszug ausgestiegen ist", so Maul. Die CDU sei für das Fiasko verantwortlich. Diese machte hingegen klar, dass sie die Notbremse für den Wildpark gezogen habe, da sie anderer Meinung sei, was demokratisch gesehen ihr gutes Recht sei.
Gemeinderat: Debatte verkommt zum OB-Wahlkampf
Grünen-Fraktionschefin Bettina Lisbach plädierte für eine Sanierung mit den nötigen Mitteln, um Profifußball sicherzustellen. Eher zu einer Wahlkampfrede entwickelte sich der Wortbeitrag des Linken-Stadtrats Niko Fostiropoulos: "Seit einem Jahr benutzt Wellenreuther das Thema Wildpark um bei den KSC-Fans Punkte zu sammeln, macht aber nichts." Wie könne er dann eine Stadt führen, wenn er nicht einmal in der Lage sei, einen Verein zu führen. Sichtlich verärgert reagierte Ehlgötz auf Fostiropoulos' Aussagen. CDU-Fraktionsvorsitzende Gabriele Luczak-Schwarz fand die "Wahlkampftaktik, in einer solchen Form den Kandidaten Frank Mentrup zu pushen, schlimm." Solch eine persönliche Debatte habe sie im Gemeinderat bisher nicht erlebt.
Ergebnisse oder Beschlüsse rund um den Wildpark gibt es nun übrigens keine. Den Anfragen an die Stadtverwaltung liegen keine Forderungen zu Grunde und dienen nur der Kenntnisnahme der Fraktionen.
Aktualisierung 17.15 Uhr
Die Karlsruher CDU übt nach der gestrigen Gemeinderatssitzung heftige Kritik am Vorgehen der KAL, der SPD und der Grünen und spricht von einem "Missbrauch des Gemeinderats". Die CDU-Fraktion wurde entgegen der üblichen Gepflogenheiten zwischen den Fraktionen nicht vorab informiert, dass die KAL die Diskussion zur Anfrage öffnen würde, teilt die Fraktion in einer Pressemeldung mit.
"Dieser Geschäftsordnungsantrag war ein abgekartertes Spiel. Zu keiner Zeit bestand bei der SPD, den Grünen und der KAL das Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung. Sie diente zu nichts anderem als dem persönlichen Angriff auf Ingo Wellenreuther", so Gabriele Luczak-Schwarz. Den Gemeinderat als Plattform für Wahlkampfreden zu missbrauchen, "ist würdelos und spottet jedwedem Demokratieverständnis."
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