(mda)

"Die Kombilösung ist schuld", daran lässt Nils Bauer, Gründer des ehemaligen "Noodelz"-Imbiss in der Karlsruher Lammstraße, keinen Zweifel. Seit Oktober 2010 hatte sein Geschäft eigenen Angaben zufolge wegen der unmittelbar angrenzenden Baustelle mit Umsatzeinbußen von bis zu 70 Prozent zu kämpfen - heute ist das Noodelz geschlossen.

Keine Laufkundschaft und weniger Gäste, dafür Lärm, Dreck und Schmutz: In derLammstraße, wo die Verzögerung rund zwölf Monate beträgt, weil die Fassade des historischen Karstadt-Gebäudes abgesichert werden musste, wird derzeit die Dichtsohle der künftigen unterirdischen Haltestelle fertiggestellt. Die Kasig hatte im Vorfeld der Baumaßnahmen angekündigt, Unternehmern, die durch die Bauarbeiten beeinträchtigt werden, mit Entschädigungszahlungen unter die Arme zu greifen.

Unternehmer klagen: "Die Menschen meiden uns"

Doch von den angekündigten Ausgleichszahlungen habe Bauer nur einmal etwas gesehen - und zwar im April 2011. Zu wenig, zu lange her - das Noodelz hat nicht überlebt. Er habe den Antrag auf die Entschädigungszahlungen rechtzeitig gestellt, betont Bauer gegenüber ka-news. Alle notwendigen Unterlagen seien bei der Kasig eingegangen, ein Wirtschaftsprüfer habe die Notwendigkeit der Zahlungen bestätigt. Doch es sei nichts passiert. "Zehn Monate haben wir auf das Geld gewartet. Eine zu lange Zeit. Das schafft man einfach nicht", erklärt der enttäuschte Unternehmer. Daher habe er im Februar die Reißleine gezogen und das Noodelz dicht gemacht.

Ein paar Meter weiter in der Lammstraße klagt im Eiscafe Da Vinci Geschäftsführer Antonio Delle Donne: "Die Menschen meiden uns, weil sie nicht in einer Baustelle sitzen wollen." Die Straße sei menschenleer, das Café durch Bauzäune von der Außenwelt abgeschirmt. "80 bis 90 Prozent unseres Geschäftes findet auf der Terrasse statt. Doch da will sich momentan niemand hinsetzen." Der Umsatzeinbruch sei enorm. "Ohne unsere Stammkunden und den guten Sommer 2011, würden wir das nicht durchstehen." Von der Kasig habe er bisher "keinen Cent" gesehen. "Das waren alles tolle Versprechen im Vorfeld. Jetzt wo man wirklich Hilfe braucht, ist niemand von ihnen zu sehen", beschwert sich Delle Donne.

Kritik an Zahlungsmoral der Kasig

Der Karlsruher Rechtsanwalt Christoph Vollbrecht hat sich den Sorgen und Nöte mehrere Unternehmer angenommen. Aktuell vertritt er etwa acht Geschäftsleute, die ihre Existenz durch die Kombilösung bedroht sehen. Der Anwalt kritisiert im ka-news-Gespräch insbesondere das pauschalisierte Verfahren zur Ermittlung der Ausgleichszahlungen der Kasig, dass dem Einzelfall oft nicht gerecht werde. Zudem bemängelt er "nicht nachvollziehbare lange Wartezeiten" und die "Zahlungsmoral der Kasig". "Entschädigungen werden entweder nicht oder in nicht angemessener Höhe gezahlt", so Vollbrecht. So habe neben dem Noodelz auch ein Eiscafé in der Postgalerie aufgrund der Bauarbeiten schließen müssen.

Der Anwalt berichtet von einem Fall, bei dem alle erforderlichen Unterlagen im Februar 2011 bei der Kasig eingegangen seien. Trotz wiederholter Nachfragen im September und Oktober habe er bis heute keine Antwort. "Eine viel zu lange Zeit. Das halten Geschäfte nicht durch." Sicher gebe es auch zahlreiche Fälle, wo das Entschädigungsmanagement reibungslos funktioniere, so Vollbrecht.

Dass für Einzelhandel und Gastronomie die gleichen Maßstäbe gelten, hält Vollbrecht für einen Fehler. Während beispielsweise Kleidung und Taschen trotz Einschränkungen durch die Baustellen gekauft würden, hätten gastronomische Betriebe im Baustellenbereich mit heftigen Umsatzeinbußen zu kämpfen. "Kaum einer sitzt gerne im Schmutz, Lärm und Dreck und trinkt dort seinen Kaffee oder isst sein Eis", so der Anwalt.

36 Unternehmen wurden bisher entschädigt

Die Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft (Kasig) ist indes von ihrem Entschädigungsmanagement überzeugt. Das Verfahren funktioniere, Kritik an dem pauschalisierten Verfahren weist die Gesellschaft zurück. "Unbeschadet des pauschalisierten Ansatzes erfolgt die Entschädigung stets einzelfallbezogen. Maßgeblich beim Entschädigungsmanagement für Gewerbetreibende ist die jeweilige, individuelle Entwicklung des betroffenen Unternehmens im Entschädigungszeitraum", erklärt die Kasig auf ka-news-Anfrage. Durch die Einzelfallprüfung werde sichergestellt, dass sich die Entschädigungsleistung an der individuellen Situation des Unternehmens ausrichte.

"Der Kasig ist kein Fall bekannt, in dem ein Geschäft wegen der Baumaßnahmen der Kombilösung schließen musste. Bei den uns bekannten Schließungsfällen lag die maßgebliche Ursache für die Betriebsaufgabe jeweils bereits in der wirtschaftlichen Situation vor Beginn der Baumaßnahme begründet", so die Kasig weiter. Bisher habe die Gesellschaft insgesamt 36 unterschiedlichen Unternehmen Entschädigungsangebote unterbreitet. Zu der Höhe der bisher ausgezahlten Ausgleichszahlungen könne die Kasig öffentlich aber nichts sagen.

Kasig zufrieden mit Entschädigungsmanagement

Auch die Kritik an den für manche Unternehmer bedrohlich langen Wartezeiten, weist die Kasig zurück. "Zur Existenzsicherung der Unternehmen tritt die Kasig  in Vorleistung, indem bereits während der laufenden Maßnahmen Vorschüsse gewährt werden", heißt es. Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer erstelle über die Vorschusshöhe im Einzelfall jeweils nach Prüfung entsprechender Unterlagen ein Gutachten. Die Auszahlung könne erst nach Vorliegen des Gutachtens erfolgen. "Sofern alle erforderlichen Unterlagen beim Gutachter eingereicht und eventuelle Rückfragen beantwortet wurden, findet eine Auszahlung innerhalb eines Zeitraumes von etwa sieben Wochen statt", teilt die Kasig mit. Entschädigt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, 80 Prozent der Rohgewinndifferenz.

Bereits imSommer 2010 hatten sich Unternehmer am Kronenplatz über die Folgen der Baustellen für ihr Geschäft beschwert. Auch das Entschädigungsmanagement der Kasig wurde kritisch gesehen. Es sei ein Bürokratiemonster und bis die Zahlungen eingingen, würde zu viel Zeit vergehen, hieß es damals.

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