Wer kennt sie nicht - die legendären Bilder aus Woodstock: Über 400.000 Menschen feierten zur Musik von Größen wie Jimi Hendrix, Creedence Clearwater Revival, The Who, Janis Joplin und vielen mehr. Unter ihnen: Elliott Landy. Seine Bilder sind heute ein Symbol für die utopische Idee und Spiritualität der Woodstock-Generation geworden; bannten die Stimmung des Festivals auf Zelluloid und vermitteln dem Betrachter bis heute eine Idee der Woodstock-Vision.

Elliott Landy zeigt seine Lieblingsbilder aus Woodstock.
Elliott Landy zeigt seine Lieblingsbilder aus Woodstock. | Bild: Hammer Photographie

Fragt man den Musikfotografen - der neben Woodstock auch für seine ikonischen Fotografien von Bob Dylan, The Band, Janis Joplin, Eric Clapton, Jimi Hendrix und vielen mehr berühmt wurde - warum er nach Woodstock kam und das Festival mit seiner Kamera dokumentierte, scheint die Antwort denkbar einfach: "Because of fun", weil es eben Spaß machte.

"Everything i do, is for fun."

1969 hatte Landy aufgehört, reine Auftragsarbeiten anzunehmen - und noch mehr das zu tun, was ihm Spaß bereitete. Was ihn als Fotokünstler - bis heute - stört, war die Idee der Editoren und Verleger, dass sie um das beste Foto für ihr Cover, Artikel oder Buch wüssten.

Elliott Landy im ka-news.de-Interview
Elliott Landy im ka-news.de-Interview | Bild: Hammer Photographie

Die Auswahl von Verlegern und von Fotografen unterscheidet sich laut Landy erheblich - der Blick auf die Werke ist unterschiedlich und das Foto, das künstlerisch die Atmosphäre am besten einfängt, landet am Ende nicht auf dem Cover. Sein Rat: "Fragt eure Fotografen, was die besten Bilder sind", sagt Landy im Gespräch, "denkt nicht, nur weil ihr wisst, wie man eine Seite gestaltet, auch wisst, was das beste Foto aus einem Shooting ist."

Elliott Landy im ka-news.de-Interview
Elliott Landy im ka-news.de-Interview | Bild: Hammer Photographie

In Woodstock hatte Landy freie Hand, Motiv-Vorschriften auf Vertragsbasis wären sein Albtraum gewesen. "Ich war nur da, um mein eigenes Ding zu machen - wie man es in den 60er Jahren nannte", sagt Landy, "es war alles sehr zwanglos, ich hatte nicht das Gefühl, jede Band fotografieren zu müssen."

Elliot Landy
Elliot Landy | Bild: Paul Needham

Er fotografiert bis heute nur Motive, die für ihn ehrlich und echt sind, die schön sind - zu denen er eine innere Verbindung aufbauen kann. Diese Verbindung ist es wohl, die die Werke des Fotografen bis heute so lebendig macht - mit seinen Woodstock-Fotos dokumentierte er die Gefühle einer ganzen Generation.

Was sind Landys Lieblingsfotos?

Auf diese Weise entstanden Fotos, die heute symbolisch für das Festival stehen: Die Panorama-Aufnahme des Hügels mit Blick auf die Bühne oder zwei Menschen in mitten des Publikums vor einer zweiten, kleineren Woodstock-Bühne, die sich umarmen. Zwei Woodstock-Lieblingsaufnahmen von Landy. 

Elliott Landy zeigt seine Lieblingsbilder aus Woodstock.
Elliott Landy zeigt seine Lieblingsbilder aus Woodstock. | Bild: Hammer Photographie

Warum? "Weil es wirklich zeigt, wie sich die Menschen in Woodstock gefühlt haben", sagt Landy. "Dabei geht es nicht um Sexualität, es geht um Spiritualität, darum, in einer liebenden Umarmung mit allen anderen zu sein. In einem Status von vollkommenen Frieden, sich wohlfühlend, ohne das Gefühl von Bedrohung."

Mythos 1: Woodstock war das reine Chaos

Hört man Landy zu, bekommt man ein Gefühl dafür, wie es 1969 auf dem Feld bei Woodstock gewesen sein muss: 400.000 Menschen befanden sich auf einer Fläche, die ursprünglich für 50.000 vorgesehen war, alles war sehr eng - aber dennoch hatte jeder das Gefühl, Platz zu haben und sich in einer Einheit mit anderen zu befinden. 

Beim Woodstock-Festival wurde Geschichte geschrieben.
Beim Woodstock-Festival wurde Geschichte geschrieben. | Bild: Marty Lederhandler/AP

Woodstock war harmonisch - nicht chaotisch, sagt Landy. Chaos sei das falsche Wort, um Woodstock zu beschreiben, so Landy im Gespräch, es sei ein Wort mit negativen Assoziationen. Es vermittle das Gefühl von Aufgeregtheit, Verärgerung und Zwietracht - das alles sei Woodstock nicht gewesen.

Elliott Landy im ka-news.de-Interview
Elliott Landy im ka-news.de-Interview | Bild: Hammer Photographie

Woodstock sei sanft, ruhig und geschmeidig ("smooth") - voller gegenseitiger Rücksicht, sehr feminin, betont Landy immer wieder. "Woodstock war nicht chaotisch, Woodstock war nur unorganisiert - und obwohl es so unorganisiert war, war alles sehr sanft und ruhig. Es war das Gegenteil von Chaos."

Mythos 2: Alle Besucher waren auf Drogen

Der Drogenkonsum auf dem Festival hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen, dass 400.000 Menschen friedlich mehrere Tage unter schlechten Bedingungen - zu wenig Toiletten, zu wenig Wasser, zu wenig Essen - miteinander feierten. Denn diese gab es während des Festivals zuhauf - LSD und vor allem Marihuana wurde von den Besuchern konsumiert.

Ein Peace-Zeichen auf dem Gelände des Woodstock-Festivals.
Ein Peace-Zeichen auf dem Gelände des Woodstock-Festivals. | Bild: Christina Horsten

Aber - so der Woodstock-Fotograf - Marihuana, sei keine Droge. "Für mich ist Marihuana eine Substanz, die man für die sinnliche Erfahrung des High-Werdens nutzen kann, aber auch dafür, intensiver darüber nachzudenken, wer wir sind und was wir tun - es hat viel spirituelles Potential." 

Mythos 3: Woodstock war eine große Sex-Orgie

Spirituelles Potential - und viel Sex? "Ist es das, was man heutzutage über Woodstock bei der jungen Generation denkt?", fragt Landy. Er erhält bestätigendes Nicken - zumindest hält sich der "sex, drugs and rock 'n' roll"-Gedanke hartnäckig bis heute.

Elliott Landy im ka-news.de-Interview
Elliott Landy im ka-news.de-Interview | Bild: Hammer Photographie

"Ok, naja", sagt Landy daraufhin, "also ich habe keinen Sex gesehen, was natürlich nicht heißen muss, dass es keinen gegeben hat. Ich bin mir sicher, es gab Sex." Aber keine offensichtlichen Sex-Orgien - so viel zum Thema Mythos. 

Freie Liebe.
Freie Liebe. | Bild: UPI

In Woodstock ging es um ein Zusammenkommen von Menschen, die ähnlich dachten und fühlten - "Menschen, die Musik genießen wollten, die keinerlei Aggressionen hatten - ich glaube sie fühlten sich ... gesegnet, dort sein zu dürfen. Sie wussten, dass sie eine außergewöhnliche Erfahrung machen durften und wussten das zu schätzen. Sie hatten keinerlei Ansprüche an das Festival - nicht so wie viele Menschen heutzutage."

Mythos 4: Das ganz besondere Woodstock-Feeling?

Das Woodstock-Feeling sei hauptsächlich ein spirituelles - ein utopischer Moment in der menschlichen Geschichte, so Landy. Die Vision von Woodstock entstand aus der Hippie-Kultur der 60er Jahre - "dahinter steckt die Idee, dass wir uns gegenseitig erzählen können, wer wir sind, warum wir hier sind und was wir im vermutlich im Leben noch machen werden - und wenn wir das machen, wird es für alle besser sein. Nicht nur wir werden glücklich sein, es wird auch Auswirkungen auf andere Menschen haben und diese werden davon positiv profitieren können." 

Elliott Landy im ka-news.de-Interview
Elliott Landy im ka-news.de-Interview | Bild: Hammer Photographie

Heute würde man dazu wohl sagen - "sein Ding machen": Erst herausfinden, was man gerne macht und dann einen Weg zu finden, wie man diese Sache weiterhin sein Leben lang tun kann, so Landy über den Geist der 60er. Und im besten Fall sollte man davon leben können. Trotz aller Spiritualität: Landy will sich selbst nicht als Hippie bezeichnen.

Mit einer Reihe von Veranstaltungen und Konzerten wird auf dem Festgelände von 1969 an «Woodstock» vor genau 50 Jahren erinnert.
Ein Woodstock-Veteran 50 Jahre nach dem legendären Festival auf dem Gelände. | Bild: Seth Wenig/AP

"Ich habe zwar eine Lederhose und eine Lederjacke, aber ich hatte nie Fransen oder einen Hut - nein, ich habe mich nie als Hippie gesehen." Doch den Geist der Generation, die Idee, die aus der Hippie-Generation entsprungen ist, sich selbst zu verwirklichen und nicht strengen Normen zu folgen, wenn sie nicht zum individuellen Charakter passen - die trägt er bis heute weiter. In persönlichen Gesprächen - und in seinen Fotos. 

Mythos 5: Woodstock hat ein Vermächtnis - was bleibt 50 Jahre später?

50 Jahre nach Woodstock gibt es kaum ein Medium weltweit, das nicht darüber berichtet - in Karlsruhe widmet man dem Fotokünstler eine Ausstellung "Elliott Landy's Woodstock Vision". Seine Fotos von Musiklegenden der 60er Jahre sind bis zum 15. September überdimensional in vielen Schaufenstern  in der Innenstadt ausgestellt. Bei "Das Fest" wurde auf einer nachgebauten Woodstockbühne zum Sound verschiedener DJs gefeiert.

Mit Nachbau der Original-Woodstock-Bühne von 1969.
Mit Nachbau der Original-Woodstock-Bühne von 1969. | Bild: bernadette

Im Rahmen der Schlosslichtspiele Karlsruhe werden ebenfalls zahlreiche Landy-Werke auf die Schlossfassade projiziert. "Woodstock Vision" heißt das Werk von Antonin Krizanic und Christina Zartmann, das täglich gezeigt wird.

  • Spielzeit "Woodstock Vision" - KW34: 19. bis 25. August

    Donnerstag, 22. August, 21.00 Uhr

    Freitag 23. August, 22.40 Uhr

    Samstag 24. August, 22.40 Uhr

    Sonntag 25. August, 22.45 Uhr

  • Spielzeit "Woodstock Vision" - KW35: 26. August bis 1. September

    Montag 26. August, 22.45 Uhr

    Dienstag 27. August, 22.45 Uhr

    Mittwoch 28. August, 22.45 Uhr

    Donnerstag 29. August, 22.45 Uhr

    Freitag 30. August, 20.30 Uhr

    Samstag 31. August, 20.30 Uhr

    Sonntag 1. September, 22.25 Uhr

  • Spielzeit "Woodstock Vision" - KW36: 2. bis 8. September
    Montag 2. September, 22.25 Uhr

    Dienstag 3. September, 22.25 Uhr

    Mittwoch 4. September, 22.25 Uhr

    Donnerstag 5. September, 22.25 Uhr

    Freitag 6. September, 22.35 Uhr

    Samstag 7. September, 22.35 Uhr

    Sonntag 8. September, 22.25 Uhr

  • Spielzeit "Woodstock Vision" - KW37: 9. bis 15. September
    Montag 9. September, 22.25 Uhr

    Dienstag 10. September, 22.25 Uhr

    Mittwoch 11. September, 22.25 Uhr

    Donnerstag 12. September, 22.25 Uhr

    Freitag 13. September, 22.50 Uhr

    Samstag 14. September, 22.50 Uhr

    Sonntag 15. September, 22.50 Uhr

Was bleibt heutzutage sonst noch von Woodstock - was ist das soziale Erbe des legendären Festivals, abseits von Mythen? "Woodstock war ein utopischer Moment in der Menschheitsgeschichte", sagt Landy, "ein Vermächtnis des Festivals ist unter anderem, dass eine halbe Million Menschen - das sind mehr als viele Städte an Einwohnern haben - harmonisch zusammenleben und sich zueinander liebevoll verhalten, und das trotz widriger Umstände: Sie waren nass, sie waren schlammig und dreckig, es gab nicht genug Essen und nicht genug Wasser. Aber sie wussten, irgendwie wird sich um diese Dinge gekümmert werden."

Mythos 6: Woodstock war einmalig

Genau dieses harmonisches Beisammensein war das Erfolgsgeheimnis des Festivals - es war ein Momentum, das sich in den darauffolgenden Jahren nie wiederholen ließ. "Sie haben es versucht", erzählt Landy, "aber das 30-jährige Woodstock-Jubiläum war ein Desaster. Sie haben es auf einer Militärbasis veranstaltet - mit Heavy Metal-Bands. Es gab Gewalt und Krawalle. Es war kein bisschen wie das originale Woodstock. Ich glaube, ein Teil hatte damit zu tun, dass es auf einer alten Militärbasis veranstaltet wurde - wahrscheinlich schwappten die militärischen Schwingungen irgendwie über."

Elliott Landy im ka-news.de-Interview
Elliott Landy im ka-news.de-Interview | Bild: Hammer Photographie

Und: Die Musikauswahl trug laut Landy vermutlich auch nicht dazu bei, das harmonische Woodstock-Gefühl zu reproduzieren. Heavy Metal könne nie wie Woodstock sein. "Alles im Leben dreht sich doch um Gefühle, Vibrations", sagt Landy. Das Gefühl, das Heavy Metal vermittle - auch wenn die Menschen dabei glücklich sind und herumspringen - sei doch ein sehr aggressives.

50 Jahre Woodstock

Auch zum 50. Jubiläum wollte Veranstalter Michael Lang eine Neuauflage anbieten, hatte schon Stars wie Miley Cyrus und Jay-Z dafür gewinnen können, doch dann häuften sich die organisatorischen Probleme, und das geplante "Woodstock 50"-Festival musste nur rund zwei Wochen vor dem geplanten Datum abgesagt werden.

Blick auf das Konzertgelände von 1969.
Blick auf das Konzertgelände von 1969. | Bild: Seth Wenig/AP

"Ich sage nicht, dass das schlecht ist", so Landy, "aber es ist doch das Gegenteil von dem, was Woodstock war. Woodstock war ruhig, weich - es hat mehr weibliche Schwingungen. Heavy Metal ist 'hard-punching', laut und aggressiv - also mehr männlich in den Vibrations."

Elliott Landy im ka-news.de-Interview
Elliott Landy im ka-news.de-Interview | Bild: Hammer Photographie

Mit der Lautstärke hätte das im Übrigen nichts zu tun: Woodstock war nicht leiser, was den Sound anging. "Woodstock hatte ein sehr gutes Soundsystem", sagt Landy, "man hörte die Musik bis in die letzten Reihen, was man mir so erzählte. Bill Hanley war ein Genie: Es war wohl ein sehr guter Sound - und das zum ersten Mal auf einem so großen Feld."

Rund 400.000 Menschen feiern ein friedliches Festival. Foto: UPI
Rund 400.000 Menschen feiern ein friedliches Festival. Foto: UPI | Bild: dpa

Und doch - einen Tipp gibt es von Elliott Landy, wie jeder das Woodstock-Feeling erleben kann: "Ich habe von einem Festival in Deutschland gehört, das Woodstock im Spirit und den Vibrations sehr ähnlich sein soll." Nach kurzer Suche in seinen Mails gibt es die Antwort: "Burg Herzberg Festival." 

Elliott Landy im ka-news.de-Interview
Elliott Landy im ka-news.de-Interview | Bild: Hammer Photographie

Noch einfacher geht das Woodstock-Feeling nur zuhause: "Wenn ich neben meiner Frau aufwache - und zu ihr hinüber schauen, fühle ich, wie glücklich ich bin. Das ist das Woodstock-Erlebnis. Man kann es jederzeit haben." 

 


Das ganze Interview - im Video

Spielzeit: zirka 10 Minuten

 


ka-news-Hintergrund

Elliott Land wurde 1942 geboren. Er begann seine Fotografie-Karriere zu Zeiten des Vietnam-Kriegs: Seine ersten Motive waren die Friedensbewegungen gegen den Vietnam-Krieg und die Undergroundkultur in New York City 1967.

Zwischen 1967 und 1969 fotografierte er zahlreiche "Rock 'n' Roll"-Supertars - auf und hinter der Bühne. Seine Bilder von Bob Dylan and The Band, Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jim Morrison, Joan Baez, Van Morrison, Richie Havens und viele andere dokumentieren die Musikszene während der klassischen Rock 'n' Roll-Periode, welche ihren Höhepnkt 1969 im Woodstock-Festival fand. Dort war er der offizielle Fotograf.

Nach Woodstock wandte sich Landy anderen Inspirationen und Kunstformen zu: Er fotografierte seine Kinder und auf Reisen, erschuf impressionistische Blumen-Fotos, verwirklichte sich in bewegter und kaleidoskopischer Fotografie. Seine Fotos wurden weltweit veröffentlicht, darunter auf dem Cover des Rolling Stones-Magazins, Life, Saturday Evening Post, auf Albumcovers, Kalendern und in vielen Fotobänden.

Sein aktueller Fotoband ist "Woodstock Vision". In Karlsruhe finden sich zahlreiche Werke in der Ausstellung "Woodstock Vision", welche sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckt. In Nürnberg erwacht in der Egidienkirche Woodstock zum Leben - bis zum 30. September sind dort Landy-Bilder überdimensional in Kirchenfenster zu sehen.

 
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