Für Millionen Beschäftigte im Einzelhandel ringen die Gewerkschaft Verdi und die Arbeitgeber um mehr Geld - doch die regional geführten Verhandlungen in den 16 Bundesländern kommen seit Monaten kaum voran.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat den Unternehmen deshalb nun bundesweit empfohlen, die Entgelte schon vor einem offiziellen Tarifabschluss zu erhöhen. Es sei nicht abzusehen, dass die Tarifverhandlungen zeitnah zu einer Lösung gebracht würden, teilte der HDE in Berlin mit.
HDE: "Freiwillige anrechenbare Vorweganhebung"
Nach einem Beschluss des tarifpolitischen HDE-Ausschusses bestehe für tarifgebundene Unternehmen deshalb nun die Möglichkeit, frühestens ab dem 1. Oktober "freiwillige anrechenbare Vorweganhebung in Höhe von 5,3 Prozent auszuzahlen", hieß es. "Unternehmen können diese Vorweganhebung, die sowohl die tariflichen Löhne, Gehälter und Auszubildendenvergütungen umfasst, ab Oktober 2023 in allen Tarifgebieten des Einzelhandels umsetzen."

Die Erhöhungen könnten schließlich mit den tariflich getroffenen Vereinbarungen verrechnet werden, teilte der HDE weiter mit. Für die Unternehmen bleibe ein solcher Schritt freiwillig. «Es gibt keinerlei Verpflichtung für die Unternehmen, diese exakt und in voller Höhe umzusetzen. Sie ist nur bezüglich Ihrer Obergrenze verpflichtend.» An einer Lösung im Tarifkonflikt halte der Verband fest. Weiter verhandelt werden soll also trotzdem.
Als erstes Unternehmen kündigte die Rewe-Gruppe an, entsprechend vorzugehen und die Löhne und Gehälter der eigenen Beschäftigten in Deutschland ab Oktober monatlich um 5,3 Prozent anzuheben. Im Großhandel - dort ist Rewe ebenfalls aktiv und dort wird ebenfalls über neue Tarife verhandelt - sollen die Rewe-Beschäftigten dann 5,1 Prozent mehr Geld erhalten.
Verdi: "Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten im Handel"
Mit der Empfehlung schaltet sich der HDE als Bundesverband in einen Konflikt ein, der eigentlich Sache der jeweiligen Tarifregionen ist. Verdi äußerte sich lediglich zur empfohlenen Höhe von 5,3 Prozent: Eine solche Erhöhung im laufenden Jahr sei "ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten im Handel", teilte Verdi-Chef Frank Werneke mit. "Das sind für eine Verkäuferin 92 Cent die Stunde, und das bedeutet Reallohnverlust. Die Beschäftigten beziehen ohnehin schon sehr niedrige Löhne, und die Inflation der letzten Monate frisst die Löhne zusätzlich auf."

Die Gewerkschaft fordert im Einzelhandel unter anderem in allen Regionen mindestens 2,50 Euro mehr pro Stunde und eine Laufzeit von 12 Monaten. Je nach Bundesland kommen weitere Forderungen hinzu. In Berlin und Brandenburg etwa will die Gewerkschaft eine Angleichung der Tarif-Laufzeiten durchsetzen. Traditionell laufen die Tarifverträge in den beiden Bundesländern später aus als im Rest der Republik. Die Angebote der Arbeitgeber wiederum variieren je nach Region deutlich.
Problem: Verbraucher kaufen weniger
Erschwert werden die Verhandlungen vor allem durch die angespannte wirtschaftliche Lage der Branche. Nachdem der Einzelhandel schon während der Corona-Pandemie stark eingebüßt hat, kämpft er nun mit der anhaltenden Konsumzurückhaltung der Verbraucher im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine und den damit verbundenen Preissteigerungen. Im gesamten Einzelhandel lagen die preisbereinigten Umsätze im Juli um mehr als zwei Prozent unter den Werten des Vorjahresmonats.

Eine Entgelterhöhung von 5,3 Prozent ist aus Sicht der Arbeitgeber daher ein großer Schritt, mit dem die Unternehmen an ihre Grenzen gehen. Verdi wiederum verweist auf die Situation der Beschäftigten. "Diese brauchen aber existenzsichernde Einkommenserhöhungen, mit denen sie ihr Leben bestreiten können. Sie müssen den extrem gestiegenen Preisen etwas entgegensetzen können", heißt es aufseiten der Gewerkschaft.
Was sind die Forderungen von verdi?
Für den Einzelhandel
- Erhöhung der Löhne und Gehälter um 15 Prozent
- Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 200 Euro
- Verdoppelung der Sozialzulage
- Laufzeit: 12 Monate
Für den Großhandel
- Erhöhung der Löhne und Gehälter um 13 Prozent
- Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 175 Euro
- Laufzeit: 12 Monate
Wo findet die ver.di Demo in Karlsruhe statt?
In Karlsruhe und in der Region hat der ver.di Bezirk Mittelbaden-Nordschwarzwald zu einem dreitägigen Streik aufgerufen. Der zentrale Streiktag findet am Freitag, 22. September, um 9 Uhr, auf dem Europaplatz statt. Ein Demo-Zug führt dann über die Kaiserstraße, Marktplatz, Lammstraße, Kriegsstraße in Richtung Südstadt.
Dateiname | : | ver.di Demo-Zug Karlsruhe |
Dateigröße | : | 444451 |
Datum | : | 21.09.2023 |
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Kann ich am Freitag überhaupt Einkaufen gehen?
In der Regel führen die Warnstreiks nicht dazu, dass Supermärkte und Geschäfte schließen müssen. Allenfalls dauert es an der Kasse an den entsprechenden Tagen etwas länger. Betroffen sind die Kauflandfilialen (auch in der Region), Ikea, SportScheck, Ikea und H&M.
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