"Nach den extremen Belastungen des Novembers können wir nun endlich durchatmen", sagt der Leiter der Anästhesie und Intensivmedizin des Städtischen Klinikums in Karlsruhe, Franz Kehl. "Zumindest im Sinne der Covid-Patienten. Die Intensivstationen leeren sich. In der letzten Woche ist die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Personen stabil unter zehn geblieben", sagt er. Das bedeute aber nur wenig Entlastung.

"Je weniger Covid-Patienten wir aufnehmen, desto mehr Patienten mit anderen Leiden können wir versorgen. Das bedeutet, dass die Arbeitslast in etwa die gleiche bleibt. Natürlich sind wir aber froh, uns auch wieder zu ihnen hinwenden zu können", erklärt Kehl. Außerdem sei eine Intensivstation ohne Corona-Patienten auch vielfältiger nutzbar, da man sie nicht von anderen Patienten isolieren müsse. Doch wie kann das sein, wo die Inzidenzen doch immer höher steigen?
Neue Bedingungen durch die Omikron-Variante
Das ließe sich laut Kehl in erster Linie durch die aktuelle Mutante erklären, "Die Omikron-Variante ist sehr viel infektiöser als die zuvor dominierende Delta-Variante. Wir können davon ausgehen, dass sie bald alle anderen Varianten verdrängen wird. Bereits 80 Prozent der momentan durch das Klinikum nachgewiesenen Infektionen sind dieser Mutante zuzuordnen, wie die Abstriche bestätigen." Das seien in konkreten Zahlen 60 Fälle. In den umliegenden Krankenhäusern in Karlsruhe seien ähnliche Prozentzahlen vorherrschend.
Gleichzeitig seien die Pathogenität und damit die Schwere der Krankheitsverläufe dieser Variante spürbar geringer als bei ihren Vorgängern. "Die Zahlen anderer Länder, etwa England oder den skandinavischen Ländern sind ermutigend", sagt Kehl. "An ihnen gemessen sind die durch Omikron ausgelösten Verläufe deutlich milder, was weit weniger Intensivfälle bedeuten könnte. Eine fünfte Welle könnte also um einiges leichter zu kontrollieren sein."
Verschiebung auf die Normalstationen?
"Könnte" sei dabei die ausschlaggebende Formulierung, denn erstens sei es noch zu früh für verbindliche Prognosen und zweitens "wird in den kommenden Monaten vermutlich ein immer stärkerer Druck auf die Normalstationen entstehen", so Kehl. Ganz ungefährlich sei die Omikron-Mutante nämlich nicht. Alleine schon durch ihre Infektiosität könne das ohnehin schon knapp besetzte Personal noch weiter ausgedünnt werden, erklärt Pflegedirektorin Elvira Schneider.

"Wir haben ernsthafte Sorgen um unsere infizierten Mitarbeiter", so Schneider. "Aktuell sind rund 160 Mitarbeiter durch Quarantäne, Krankheit oder Beschäftigungsverbot arbeitsunfähig", wie sie erklärt. "Dabei muss man sich allerdings vor Augen halten, dass der größte Teil dieser Infektionen aus dem privaten Umfeld stammt. Eine Ansteckung von Patient zu Mitarbeiter und umgekehrt ist äußerst selten." Dennoch könne sich das Problem durch Omikron noch verschärfen.
"Auch wenn Corona überwunden ist, wird das Problem nicht gelöst"
"Selbst mit unserer Teststrategie, die jeden Mitarbeiter dreimal die Woche auf eine Infektion überprüft, können wir nicht alle Ansteckungen verhindern - gerade weil die wenigsten Infektionsketten im Krankenhaus stattfinden. Und wir haben ohnehin schon zu wenig Personal", erklärt Schneider. Ein Eindruck, den der Leiter der Intensivstation bestätigt.
"Personalmangel hatten wir bereits vor Corona und selbst jetzt, wo die vierte Welle endet und wir Luft zum Atmen haben, können wir immer noch nicht alle Patienten betreuen, die wir gerne würden. Das Problem des Personalmangels würde aber nicht einmal dann gelöst sein, wenn die Pandemie überwunden ist", wie Chefanästhesist Kehl schließt.
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