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Karlsruhe: Elternschaft auf Zeit: Wie wird man in Karlsruhe Pflegefamilie?

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Elternschaft auf Zeit: Wie wird man in Karlsruhe Pflegefamilie?

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    Kinder, deren Eltern kein sicheres Umfeld bieten können, erfahren in Pflegefamilien Zuwendung, Halt und Nähe.
    Kinder, deren Eltern kein sicheres Umfeld bieten können, erfahren in Pflegefamilien Zuwendung, Halt und Nähe. Foto: Frank Leonhardt

    Ob Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch: Wenn die Sicherheit eines Kindes gefährdet ist, ist es die Aufgabe des Jugendamtes, einzugreifen. "Im Landkreis Karlsruhe wurden in insgesamt 370 Kinder zu ihrem Schutz aus ihren Familien geholt und bei einer von derzeit 280 Pflegefamilien untergebracht", so Sonja Hertäg, Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes Karlsruhe. Der Bedarf an Pflegefamilien variiert in der Fächerstadt von Jahr zu Jahr. Unabhängig davon, wie viele Pflegeeltern tatsächlich gebraucht werden, sind Bewerber jederzeit gern gesehen. "Wir suchen immer nach guten Pflegefamilien", meint Hertäg.

    Alltag in der Bereitschaftspflege: Zwischen Engagement und Loslassen

    Eine Erfahrung, die auch Kerstin Müller* (Name von der Redaktion geändert) teilt. Im Landkreis Karlsruhe war sie eine der ersten Pflegemütter überhaupt. Seit 14 Jahren nimmt die 45-Jährige aus der Nähe von Bretten zusammen mit ihrem Ehemann Pflegekinder im gemeinsamen Heim auf - und das, obwohl beide bereits ein leibliches Kind haben. 25 Kinder hat das Jugendamt seither bei ihr untergebracht, zwei davon leben bereits seit mehreren Jahren in Vollzeitpflege bei ihr. Begonnen haben Kerstin und ihr Mann allerdings als sogenannte Bereitschaftspflegefamilie.

    "Hierbei handelt es sich um eine vorübergehende Lösung", erklärt Hertäg. Wenn es im Leben des Kindes zu einem einschneidenden Erlebnis komme, wie etwa die Erkrankung eines Elternteils, greife man beim Jugendamt auf Bereitschaftspflegefamilien zurück."Während das Kind bei den Pflegeeltern ist, wird über eine weitere Unterbringung entschieden", schildert Hertäg. Im besten Fall stehe nach drei Monaten fest, ob das Kind in einem Heim, bei einer Vollzeitpflegefamilie oder wieder bei den leiblichen Eltern untergebracht werden müsse - eine Zeitspanne, die allerdings nicht immer eingehalten werden kann.

    In manchen Fällen ist es auch möglich, dass ein Kind länger als drei Monate bei einer Bereitschaftspflegefamilie bleibt. Für eine Familie ist das immer eine Herausforderung - auch in finanzieller Hinsicht. "Alle Pflegeeltern werden von uns finanziell unterstützt, solange das Kind in der Familie lebt", so Hertäg. Sowohl Bereitschafts- als auch Vollzeitpflegeeltern erhalten laut Jugendamt eine sogenannte Sachaufwandsentschädigung und einen Erziehungszuschlag. Zusätzlich kann eine Pflegefamilie eine Erstausstattung für das Kind beantragen.

    Doch nicht nur finanziell, sondern auch emotional stellt ein Pflegekind die Pflegeeltern vor Herausfoderungen: Besonders schwierig ist laut Hertäg der Spagat zwischen emotionalem Engagement und der Notwendigkeit, das Kind wieder loslassen zu müssen. "Nicht einmal in der Vollzeitpflege gibt es die Garantie, dass das Kind auf Dauer in der Familie bleibt." Auch Kerstin kennt diese Situation: "Wenn ein Kind die Familie wieder verlässt, ist das immer ein emotionaler Moment", erzählt sie. Ihren schwersten Abschied erlebte sie vergangenes Jahr, als sie sich nach längerer Zeit von einem Pflegekind trennen musste.

    "Keine Bedenken gegenüber gleichgeschlechtlichen Pflegeeltern"

    Aber wer kann eigentlich Pflegemutter oder -vater werden? Grundsätzlich jeder, meint Sonja Hertäg. "Egal ob Ehepaar, Alleinerziehende oder eingetragene Lebenspartner- wir machen da keinen Unterschied." Auch im Landkreis Karlsruhe habe man Kinder bei rund 20 Alleinerziehenden und einem gleichgeschlechtlichen Paar untergebracht. "Entscheidend ist, dass die Familie für das Kind passend ist", stellt die Jugendamtmitarbeiterin klar. Um das zu prüfen, existiere ein Katalog von Kriterien, die jede Bewerber-Familie erfüllen müsse, um Pflegefamilie zu werden.

    Das Jugendamt verlangt hier ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis, ebenso wie ein Gesundheitszeugnis. Zudem müsse die finanzielle Situation der Pflegeeltern stabil und für das Kind ein eigenes Zimmer vorhanden sein. Und das Wichtigste: "In der Familie müssen alle einverstanden sein, ein Pflegekind aufzunehmen, da ein solches Kind viel Aufmerksamkeit erfordert und die bestehenden Strukturen verändert." Damit alle wissen, worauf sie sich einlassen, sind laut Hertäg vier persönliche Gespräche im Abstand von drei bis vier Wochen, ein Hausbesuch und ein Vorbereitungsseminar Pflicht.

    Problematisch könne es bei einem gleichgeschlechtlichen Paar, werden, wenn die leiblichen Eltern ein Problem mit dem Thema Homosexualität hätten. "Pflegeeltern und Herkunftsfamilie müssen während der Unterbringung des Kindes zusammenarbeiten", so Hertäg, "wenn es zwischen den Erwachsenen deswegen Probleme gibt, zwingt das das Kind in einen Loyalitätskonflikt." Glücklicherweise habe es diesen Fall bislang noch nicht gegeben. 

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