Bis in die 1950er Jahre war der Bahnhof ein sogenannter Kopfbau: Ein Bahnhof, in dem die Gleise enden und somit die Züge nur an einer Seite hinein- und hinausfahren können. Der Bahnhof war zu dieser Zeit noch nicht Teil des Karlsruher Netzes, sondern wurde von der AVG (Albtal-Verkehrs-Gesellschaft) errichtet und betrieben, um ins Albtal, Richtung Bad Herrenalb zu fahren.
20.000 bis 30.000 Menschen steigen in den 50ern hier um
Ende der 1950er Jahre wurde der Bahnhof zu einem Umsteigebahnhof umgebaut. Hier sind jeden Tag zwischen 20.000 und 30.000 Leute umgestiegen – es gab aber keine passenden Einrichtungen am Bahnhof. In der Anlage war lediglich ein Kiosk, eine Wartehalle und Toiletten vorhanden, aber kein richtiger Wetterschutz.

In den 1980er Jahren entschieden die Verkehrsbetriebe Karlsruhe, sich mit der AVG zusammen zu schließen und einen geeigneten Wetterschutz für den Bahnhof zu bauen. Dem Fahrgast sollte das Warten am Bahnhof angenehm gemacht werden. Außer dem Schutz gegen Regen sollte auch ein angemessener Windschutz angeboten werden. So wurde im Jahr 1986 ein Realisierungswettbewerb für eine Neugestaltung des Albtalbahnhofs in Baden-Württemberg ausgeschrieben. Derjenige, der den 1. Preis gewann sollte sein Design auch umsetzen – das ist bei solchen Ausschreibungen nicht immer der Fall.
Beim Wettbewerb haben 42 Architekturbüros teilgenommen – sie haben jeweils Skizzen, Grundrisse, Schnitte und Ansichten ausgearbeitet und eingereicht. Eine "billige" Lösung war nicht erwartet. Die Gleise und Bahnsteige mussten sowieso erneuert werden und man wollte diesen wichtigen Umsteigebahnhof aufwerten. Die meisten Büros hatten viel Arbeit umsonst gemacht – nur der Gewinner konnte mit dem Preis von 12.000 DM seine Kosten abdecken.

Der erste Preis ging an das Karlsruher Architekturbüro Johannes Heinz Jakubeit – der gleiche Architekt, der Anfang der 1970er Jahre die Günther-Klotz-Anlage realisiert hatte. Mit Symbolik in der Architektur geht Jakubeit normalerweise sparsam um, aber hier bei der Bahnsteig-Überdachung schien es ihm wichtig zu sein, Symbole zu konkretisieren.
Da der Albtalbahnhof historisch gesehen der Anfang und das Ende der Albtalfahrt ist, dachte er an ein Torsymbol. Die konkrete Idee bestand aus zwei Korbbögen als Torsymbole – einem für die Ausfahrt und einem für die Einfahrt. Dazu kam ein gläsernes Dach für das "Albtal-Tor" über die Straßenbahngleise. So sollte sich der Fahrgast wie unter freiem Himmel fühlen.
Zwei Torbögen als Alleinstellungsmerkmal
Das Besondere bei Jakubeits Idee war, dass es nicht nur ein Torbogen, sondern zwei waren. Zwei Bögen geben mehr Wind- und Regenschutz, außerdem konnte man dadurch sehr nah an der Oberleitung bauen. Bei lediglich einem Bogen wäre der Bau höher gewesen und der Windschutz deshalb nicht mehr optimal. Das Thema mit der Symbolik ging weiter.

Mauerscheiben, die quer zur Halle stehen, und zwischen denen die Korbbögen gespannt sind, sollten die Torwirkung unterstützen. Sandstein war das Material, das Jakubeit bei diesen Mauern bevorzugte – symbolisch für den Sandstein aus dem Albtal. Das Dach wurde in Stahl und Plexiglas gefertigt – es sollte filigran aussehen. Während des Baus wurde der Straßenverkehr nicht stillgelegt. Die einzeln vorgefertigten Bogensegmente wurden bei laufendem Bahnbetrieb sukzessive hin transportiert und montiert. Nur einmal wurde nachts der Strom bei Montagearbeiten abgestellt.
Ein weiterer wichtiger Faktor für Jakubeit war die Tatsache, dass der Albtalbahnhof in einem sogenannten Grünzug liegt – eine großräumige naturnahe Freifläche in einer Stadtregion. Damit stellt der Bahnhof eine wichtige Verbindung für Fußgänger und Radfahrer quer durch die innenstädtische Grünanlage dar. Dazu gehört auch die Beiertheimer Allee. Dieser Grünzug sollte nicht gestört werden. Die spezifischen Bedingungen vor Ort müssen auch in die Ideenfindung einfließen, erklärt Jakubeit. Bei dem Projekt mit dem Albtalbahnhof zum Beispiel ging es um eine Grenzziehung zwischen Stadt und Albtal – zwei Räume wurden durch ein Tor verbunden, deshalb die Torsymbolik.
Das sagt der Architekt heute
Der Bahnhof steht am Ende des Grünzuges der Beiertheimer Allee, so sollte es auch luftig sein. Die neue Gestaltung lässt Raum für Licht und Luft und den Ausblick ins Grüne. "Der Querschnitt ist räumlich sympathisch und maßstäblich gut entwickelt", heißt es im Preisgerichtsprotokoll. "Die Materialwahl überzeugt in der Aussage als Tor zum Albtal." Die zweischiffige Bahnsteigüberdachung ist 42 Meter lang und 22 Meter breit.
Die beiden Dachtragwerke bestehen aus einer Rohrkonstruktion und die Bedachung aus gebogenen, transparenten Plexiglasscheiben. Nach der Beauftragung ging die Umsetzung des Projekts zirka ein Jahr. Im Frühjahr 2008 wurde ein “Stahlhaus“ errichtet, als Aufenthalts- und Umkleideraum für das Wartungspersonal. Es wird durch Sanitär- und Abstellräume ergänzt. "Das war eines meiner risikoreichsten Bauprojekte", sagt Jakubeit. "Zum Glück konnte es ohne Unfall zu Ende geführt werden."
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