Große Städte haben durch ihre Ballung oft mit Drogenproblemen zu kämpfen. Auch in Karlsruhe ist das der Fall. Gerade der Werderplatz ist dabei in der Vergangenheit in Verruf geraten. "Hier ist es so, dass sich aber allgemein viele Menschen dort treffen, weil der Werderplatz eben sehr bekannt ist und seit vielen Jahren ein beliebter Treffpunkt von verschiedensten Gruppen ist. Außerdem befinden sich in der Nähe einige der Praxen der substituierenden Ärzte", erklärt Cordula Sailer, Drogenbeauftragte der Stadt Karlsruhe.
Insgesamt ist die Drogensituation in Karlsruhe jedoch nicht schlimmer als in anderen Städten, erklärt Sailer: "Karlsruhe ist da nicht außergewöhnlich betroffen." Die Situation am Werderplatz ist aber deshalb besonders, weil es hier vor allem um harte, illegale Drogen geht. Von harten, illegalen Drogen spricht man laut Sailer bei Opiaten und Kokain. "Das sind sicher die Mittel mit dem größten Suchtpotenzial und der größten Mortalitätsrate", so die Diplompsychologin.
Deshalb ist dort seit einiger Zeit die Schaffung eines Drogenkonsumraums geplant, der bereits Anfang des Jahres eröffnet werden sollte. Doch dafür bedarf es gemäß Betäubungsmittelgesetz einer Rechtsverordnung des Landes Baden-Württemberg. "Wir warten täglich darauf, dass diese Rechtsverordnung entschieden wird", berichtet die Drogenbeauftragte.
Neugierde als Ausgangspunkt
Doch warum rutschen Menschen in die Drogenszene ab? Der Ausgangspunkt liegt dabei aus Sailers Sicht oft in der menschlichen Neugier begründet: "Jugendliche wollen wissen, was das Leben zu bieten hat. Die sehen: 'Die Leuten trinken Alkohol. Okay, das will ich auch probieren. Die Leute rauchen. Okay, das will ich auch probieren.' Das ist menschlich", so Sailer. Doch der Grat zwischen ausprobieren und Abhängigkeit ist schmal: "Wenn ich etwas nehme und habe positive Effekte davon, dann ist die Gefahr groß, dass ich das wieder mache. Wenn ich dann anfange es regelmäßig zu machen, gewöhne ich mich daran und es entsteht schnell ein Automatismus", so Sailer weiter.

Eine Abhängigkeit liegt nach Sailers Aussage – anhand festgesetzter Kriterien – vor, wenn die Betroffenen unter Kontrollverlust leiden, eine Dosissteigerung vorliegt und andere Lebensbereiche wie Arbeit, Schule oder Freunde in den Hintergrund getreten sind. "Risikofaktoren eine Sucht zu entwickeln sind zum Beispiel Traumatisierungen, der Verlust wichtiger Bezugspersonen oder das Vorliegen einer Suchterkrankung oder einer anderen psychischen Erkrankung bei den Eltern", erklärt Sailer im Gespräch mit ka-news.
Der Schritt zur Drogenberatung
Für Betroffene, aber auch Angehörige, gibt es in Karlsruhe mit der Jugend- und Drogenberatung der Stadt in der Kaiserstraße eine wichtige Anlaufstelle (siehe ka-news Hintergrund)."Lieber früh einen Rat geholt, als zu lange zu warten", betont Sailer. Zu Beginn findet ein allgemeines Beratungsgespräch statt, um sich ein Bild zu machen und das weitere Vorgehen individuell zu planen.
"Wir haben zum Beispiel eine große Gruppe von Betroffenen, die ein Problem haben mit Cannabis. Da kann es einerseits um den Konsum von Cannabis gehen. Manche kommen aber auch zu uns, weil sie auffällig geworden sind und Probleme mit der Justiz haben", so Sailer weiter. Für polizeilich erstauffällige Drogenkonsumenten wiederum wird der Informations- und Beratungskurs "RESET-Cannabis" angeboten.

Gerade bei Jugendlichen geht es in den Gesprächen zunächst um eine Reflexion, wie Sailer schildert: "Wir klären dann auf über Gefahren und Risiken von Drogen und die Vorteile eines suchtmittelfreien Lebens. Wir klären in diesen Gesprächen auch, was die Motive für den Konsum der Suchtmittel sind. Also wenn jemand nur "mal ausprobiert", ist es eine andere Beratung als bei jemandem, wo wir feststellen: Da gibt es noch andere Problembereiche." Die Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle vermitteln nach den Gesprächen Therapieplätze und Selbsthilfegruppen, stehen aber auch über die stationäre Therapie hinaus beratend zur Seite.
Ausstieg ist ein langer Prozess
Wie genau der Ausstieg funktioniert, ist individuell: "Der Ausstieg ist genauso ein Prozess wie der Einstieg", so Sailer. Wer für sich entscheidet, clean zu werden, hat einen langen Weg vor sich. Gerade bei härteren Drogen ist die Entgiftung sehr kräftezehrend. "Wir raten zunächst einmal zu einer körperlichen Entgiftung unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus", erzählt Sailer. Nach der körperlichen Entgiftung kommt jedoch der schwierigste Part, die psychische Abhängigkeit.

"Psychisch abhängig bedeutet, dass bei jedem Anlass der Gedanke und das Verlangen nach der Droge in den Kopf kommt", erläutert die Diplompsychologin. Um dem vorzubeugen, wird bereits vor der Therapie gemeinsam mit den Betroffenen ein sogenannter "Rückfallkoffer" erarbeitet. Jeder soll sich selbst Strategien für Gefährdungssituationen zurechtlegen.
"Gut ist es zum Beispiel jemanden zu haben, den man anrufen kann, zum Beispiel jemanden aus der Selbsthilfegruppe, so eine Art Pate", empfiehlt Sailer. Zusätzlich zum Rückfallkoffer erfolgt nach der körperlichen Entgiftung ein mehrere Monate dauernder Aufenthalt in einer stationären Rehabilitationseinrichtung.
Kein Detektivspiel
Sailer hält den radikalen Ausstieg grundsätzlich für den besten Weg. Es gibt aber auch Ausnahmen: "Bei schwer abhängig erkrankten Menschen liegen oft noch weitere psychische Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen oder Angststörungen vor", so Sailer. Hier kommt die Substitutionsbehandlung ins Spiel. "Das Suchtmittel muss nun nicht mehr illegal besorgt werden, sondern das Substitut wird vom Arzt verordnet. Im Rahmen dieser Behandlung kann dann über ein langsames Herunterdosieren ein allmählicher Ausstieg aus der Sucht gelingen", so die Drogenbeauftragte.

Wer als Angehöriger oder Freund etwas von der Sucht bemerkt, also zum Beispiel eine Persönlichkeitsveränderung wahrnimmt, sollte das Ganze immer offen ansprechen, so die Empfehlung der Diplompsychologin. Selbst wenn die Person es leugnet, so "hat er zumindest das Signal bekommen, dass seine Umwelt eine Veränderung wahrnimmt", meint Sailer. Dabei sollte man auch hartnäckig bleiben: "Wenn man sich weiterhin Sorgen macht, sollte man dranbleiben und wieder nachfragen", betont Sailer.
Von einem Detektivspiel mit Taschen durchwühlen und nachspionieren rät Sailer strikt ab: "Es kommen immer wieder Leute zu uns, mit Pillen oder ähnlichem, die sie uns zeigen und meinen: 'Wir haben da was gefunden'. Wir sagen denen dann: Wir sind hier kein Drogenlabor. Es sieht aus, als wäre es etwas Illegales, aber wenn sie jetzt damit erwischt werden, machen sie sich gerade selber strafbar."
ka-news-Hintergrund
Die Jugend- und Drogenberatung der Stadt Karlsruhe findet sich in der Kaiserstraße 64. Alle Menschen aus Karlsruhe, die Probleme mit illegalen Drogen haben, können hier Unterstützung finden. Für Jugendliche bis zum Alter von 27 Jahren ist die Jugend- und Drogenberatung auch Ansprechpartner bei vielen anderen Problemen wie Essstörungen, Alkoholproblemen, selbstverletzendes Verhalten, Konflikten in der Familie oder im Freundeskreis. Wer über 27 ist und mit Alkoholproblemen dorthin kommt, wird an entsprechende Beratungsstellen weiterverwiesen.
Dienstags, mittwochs und donnerstags gibt es zwischen 13 und 14 Uhr eine offene Sprechstunde. Andernfalls kann telefonisch unter 0721/1335391 ein Termin vereinbart werden.
Die Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle vermitteln nach den Gesprächen Therapieplätze und Selbsthilfegruppen. Um die Menschen auch nach der Therapie ins alltägliche Leben zurückzuführen, gibt es eine Übergangseinrichtung, wo Betroffene wohnen können, Selbsthilfegruppen sowie Rückfallprophylaxegruppen.