Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis lag Rot-Rot-Grün rechnerisch zwar vor der Union. Ein solches Bündnis wird von der SPD aber bisher abgelehnt. Realistischste Option ist die Neuauflage von Schwarz-Rot - Union und SPD hatten zuletzt zwischen 2005 und 2009 miteinander regiert.
Große Koalition
Die Große Koalition scheint nach dem Wahl-Triumph der Union von Kanzlerin Angela Merkel und dem Aus für Schwarz-Gelb derzeit für viele als wahrscheinlich. Doch führende SPD-Politiker bremsen die Erwartungen an eine schnelle Festlegung auf eine große Koalition aus Union und SPD.
So sieht SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles die Verhandlungen zu einer Regierungsbildung nicht automatisch auf Schwarz-Rot zulaufen. "Erst einmal gibt es überhaupt keinen Automatismus einer Großen Koalition. Es gibt auch noch eine andere Option, die möglich ist", sagte sie im ARD-Morgenmagazin. Nahles spielte damit auf eine mögliche Regierung aus Union und Grünen an. Es sei ganz klar, dass die SPD sich jetzt ganz viel Zeit lasse und genau berate.
Auch Peer Steinbrück hatte im Wahlkampf immer wieder betont, er sei nicht der "Steigbügelhalter für Angela Merkel". Für eine Große Koalition stehe er nach der Bundestagswahl nicht zur Verfügung. Eine Alternative könnte auch Schwarz-Grün und die Opposition für die SPD sein.
Schwarz-Grün
Schwarz-Grün war vor wenigen Jahren noch undenkbar. Doch mittlerweile gilt diese Kombination durchaus als mögliche Regierungs-Option. So könnten sich die Grünen aus ihrem Wahldebakel in eine Regierungskoalition retten. Die Partei blieb mit 8,4 Prozent weit unter den eigenen Erwartungen zurück.
Bei der CDU gibt es Sympathisanten für diese Kombination. Baden-Württembergs ehemaliger Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geraten, auch über eine schwarz-grüne Koalition im Bund nachzudenken. "Man sollte Schwarz-Grün nicht ausschließen, aber ich glaube, dass derzeit mehr dafür spricht, dass die beiden großen Parteien ins Gespräch gehen", sagte Oettinger am Sonntag im Südwestrundfunk (SWR) beim Blick auf die ersten Hochrechnungen.
Der Freiburger Politikwissenschaftler Ulrich Eith hält das allerdings für ausgeschlossen. "Schwarz-Grün haben sich die Grünen selbst verbaut", sagte Eith der Nachrichtenagentur dpa. Die klare Festlegung auf Rot-Grün im Wahlkampf mache eine Koalition mit der CDU jetzt unmöglich. "Die Grünen haben im Wahlkampf erkennbar auf die falschen Themen und die falsche Strategie gesetzt."
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) geht mit seiner eigenen Partei nach dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl hart ins Gericht. "Wir hatten eine sauschlechte Kampagne, die Wahlplakate waren unterirdisch", sagte Kuhn am Montag dem Sender SWRinfo.
Die Grünen-Spitze will nach der Wahlniederlage vom Sonntag den Weg für eine personelle Neuaufstellung freimachen. Parteichefin Claudia Roth habe in Absprache mit dem Co-Vorsitzenden Cem Özdemir am Morgen in einer Vorstandssitzung vorgeschlagen, dass der Vorstand zurücktritt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen.
Rot-Rot-Grün (R2G)
R2G ist kein Sience-Fiction-Roboter - auch wenn es sich nach R2-D2 anhört. Nein, R2G steht für zweimal Rot und einmal Grün - also für eine Koalition aus SPD, Linke und Grüne. SPD-Chef Sigmar Gabriel bekräftigte aber bereist am Wahlabend, Rot-Rot-Grün sei im Bundestag keine Koalitionsoption. Auch laut Generalsekretärin Nahles sei ihre Partei zu der im Wahlkampf ausgeschlossenen rot-rot-grünen Koalition aus SPD, Linken und Grünen weiterhin nicht bereit.
Aus der Sicht des Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, müsse die SPD in Zukunft auch eine Zusammenarbeit mit der Linken in Betracht ziehen. "Ich glaube es wird der letzte Wahlkampf gewesen sein, wo wir sagen, mit denen oder jenen nicht", sagte Stegner im Deutschlandfunk. Nur mit der politischen Rechten sei eine Zusammenarbeit ausgeschlossen, alles andere werde in Zukunft möglich sein müssen. Die SPD werde aber nicht schon jetzt eine rot-rot-grüne Koalition anstreben, die sie mehrfach ausgeschlossen hatte.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hat derzeit Oberwasser. Die Linke feiert sich als "dritte Kraft" im Bundestag, obwohl sie ziemlich stark an Stimmen eingebüßt hat. Die Linke verschlechterte sich auf 8,6 Prozent (2009: 11,9). Zwar habe die Linke nicht das von ihm ausgegebene Ergebnis im zweistelligen Bereich erreicht, sagte Gysi im ZDF. "Wer hätte das 1990 gedacht, dass diese Partei die drittstärkste politische Kraft der Bundesrepublik Deutschland wird. Das haben wir geschafft." Ob es aber auch für eine Regierungsbeteiligung reicht, bleibt dahingestellt.
FDP und AfD spielen keine Rolle
Absturz der FDP: Besonders herb traf es die FDP: 4,8 Prozent - erstmals in ihrer Geschichte sind die Liberalen nicht mehr im Deutschen Bundestag vertreten - und somit auch kein möglicher Koalitionspartner für die CDU/CSU. "Das ist eine schwere Stunde für die FDP. Als Spitzenkandidat übernehme ich dafür Verantwortung", sagte Fraktionschef Rainer Brüderle. Vizekanzler Philipp Rösler sagte: "Es ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte der Freien Demokratischen Partei." Brüderle und Rösler werden beim Neuaufbau der FDP wohl keine Rolle mehr spielen. Wie am Montag bekannt wurde, wird wohl der gesamte FDP-Vorstand um Philipp Rösler wohl noch heute geschlossen zurücktreten.
Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf Christian Lindner. Der 34-jährige Ex-Generalsekretär zeigte sich am Abend als erster der FDP-Promis: "Wir haben offensichtlich die Erwartungen nicht erfüllt. Auch im Stil hat die FDP nicht überzeugt." Die Partei müsse sich jetzt grundsätzliche Gedanken machen. "Die Situation ist sehr ernst. Deutschland braucht eine liberale Partei, wie sie die FDP traditionell einmal war."
Auch für die Alternative für Deutschland (AfD) hat es nicht für den Bundestag gerreicht - die neu gegründete Partei scheitert mit 4,7 Prozent knapp an der 5-Prozent-Hürde. Dennoch feiert sie ihr Ergebnis: Der Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, demonstriert trotz des verpassten Einzugs in den Bundestag Zuversicht. "Wir glauben nach wie vor, dass es wichtig ist, dass es auch eine politische Kraft gibt, die das Thema Euro in die politische Diskussion einbringt, die sich kritisch mit der Euro-Rettung auseinandersetzt, und diese Kraft sind ganz eindeutig wir, fügte der AfD-Chef hinzu. Die FDP sei nun aus dem Parlament herausgewählt worden und habe in dieser Dimension versagt. Früher hätten die Liberalen die Ordnungspolitik auf den Lippen geführt, wollten davon im Parlament aber nichts mehr wissen, deutete Lucke die Lage.
Die Piratenpartei verbessert sich im Vergleich zum Vorjahr leicht und kommt auf 2,2 Prozent (Vorjahr: 2,0 Prozent). Spielt aber beim Koalitionspoker ebenfalls keine Rolle.
Das vorläufige amtliche Endergebnis:
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die CDU/CSU auf 41,5 Prozent (2009: 33,8) und legte damit um fast acht Punkte zu. Die SPD verbesserte sich ein wenig auf 25,7 Prozent (2009: 23,0). Die FDP stürzte innerhalb von vier Jahren von 14,6 Prozent auf desaströse 4,8 Prozent ab - und damit aus dem Bundestag.
Die Grünen verloren leicht auf 8,4 Prozent (2009: 10,7), die Linke verschlechterte sich auf 8,6 Prozent (2009: 11,9). Die AfD kam aus dem Stand auf 4,7 Prozent. Daraus ergeben sich für CDU/CSU im neuen Bundestag 311 Sitze (2009: 239), für die SPD 192 Mandate (146). Die Grünen bekommen 63 Mandate (68), die Linke 64 Sitze (76). Die bisherige Opposition liegt damit bei 319 Mandaten. Die Wahlbeteiligung legte leicht von 70,8 Prozent (2009) auf 71,5 Prozent zu.
Die CDU will in den Verhandlungen laut Umweltminister Peter Altmaier inhaltliche Schnittmengen in den Vordergrund stellen. "Wichtig ist, dass wir möglichst viel vom Programm der Union umsetzen", sagte er in der ARD. Sorge, dass weder SPD noch Grüne mit der CDU koalieren wollen, habe er nicht.
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