"Im Schnitt werden ein bis zwei Kinder pro Jahr in der Babyklappe abgelegt", so Ursula Kunz im Gespräch mit ka-news, "in diesem Jahr waren es bislang zwei." Kunz ist hauptamtliche Mitarbeiterin beim Diakonischen Werk Karlsruhe und betreut zusammen mit Ehrenamtlichen das Projekt Findelbaby, zu welchem auch die Babyklappe in Neureut gehört.
Babyklappe: Hoffnung und letzter Ausweg
Am Mittwoch sorgte die Übergabestation unfreiwillig für Schlagzeilen, als eine vermeintlich verzweifelte Anruferin eine großangelegte Polizeisuchaktion auslöste. Am Freitagmorgen klärte sich der Fall als Jugendscherz auf. Dass das Hilfsangebot des Diakonischen Werks und der Hardtstiftung auf diese Weise missbraucht wird, kommt jedoch laut Kunz nur sehr, sehr selten vor.
Das Beratungsangebot wird als hilfreich empfunden, vielen Frauen ist wichtig, dass sie wertneutral über ihre Lage sprechen können. Sein Kind abzugeben, ist eine Entscheidung, die gesellschaftlich nicht akzeptiert wird - mit der Notrufnummer, Onlineberatung und der Babyklappe will das Projekt Findelkind werdenden Müttern Unterstützung und Hoffnung in ausweglos erscheinenden Lebenssituationen geben. "Unser Beratungsziel ist nicht die Entscheidung der Frau zu verändern, sondern das gesamt Spektrum an Möglichkeiten aufzuzeigen und mit ihren Wünschen, ihren Möglichkeiten und ihrer Lebenssituation respektvoll und unterstützend umzugehen", so Kunz.
Baby in der Klappe - und dann?
Die Klappe befindet sich in der Schönenbergerstraße 3 in Karlsruhe-Neureut; mit schwer einsehbarem Übergabebereich in einem ruhigen Wohngebiet. Entscheidet sich eine Mutter, ihr Kind im dortigen Wärmebett abzulegen, werden die Mitarbeiter über eine Handyalarmsystem über das Öffnen und Schließen der Klappe informiert.
"Der Alarm ist mehrfach abgesichert, sodass er nicht überhört werden kann", so Kunz, "es ist zu 100 Prozent garantiert, dass jemand nach kurzer Zeit vor Ort sein wird, um das Kind abzuholen." Sobald die Mitarbeiter der Hardtstiftung oder des Diakonischen Werkes das Baby in Empfang genommen haben, bringen sie es unverzüglich in eine Kinderklinik. Hier wird es medizinisch versorgt und untersucht, während parallel die Behörden über das Findelkind informiert werden.
Anschließend wird das Kind über das Jugendamt in eine Bereitschaftsfamilie vermittelt. Bis zu 12 Wochen hat die Mutter Zeit, Kontakt aufzunehmen - dann kommt das Baby in die Adoptionspflege. Entscheidet sich die Mutter, ihr abgegebenes Kind doch großzuziehen, kann sie dies bis zur Rechtsgültigkeit der Adoption. Dieser Zeitraum beträgt laut Kunz in der Regel ein Jahr. Laut Statistik kehren jedoch nur ein Drittel der Kinder zu ihrer Herkunftsfamilie zurück - die restlichen Kinder verbleiben in den Adoptionsfamilien.
Kritik an Babyklappen "nicht unberechtigt"
Die Babyklappen sind umstritten. Der Deutsche Ethikrat kritisiert die Einrichtungen öffentlich, sie nähmen dem Kind sein Recht auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern. "Die bisherigen Erfahrungen legen zudem nahe, dass Frauen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihr Neugeborenes töten oder aussetzen, von diesen Angeboten gar nicht erreicht werden", heißt es auf der Homepage des Rates.
"Ich finde die Kritik an Babyklappen generell nicht unberechtigt", sagt Ursula Kunz, "weil es für Babyklappen kein standardisiertes Verfahren mit gesetzlichen Vorgaben gibt wie beispielsweise bei der Vertraulichen Geburt. Die Erfüllung der Mindeststandards an Babyklappen, die der Deutsche Verein 2012 erarbeitet hat, sind Empfehlungen, deren Einhaltung nicht kontrolliert wird." Das Argument, dass Frauen nicht erreicht werden, kann sie nicht nachvollziehen: "Die wenigen Rückmeldungen, die wir von den betroffenen Frauen erhalten, zeigen, dass über die Möglichkeiten recherchiert wird. Vor allem im Internet."
Ist das Angebot der Babyklappe noch notwendig?
Seit 2014 gibt es die Möglichkeit der Vertraulichen Geburt - der Name der Mutter wird von einer Beraterin verwahrt, die an die Schweigepflicht gebunden ist. Mit 16 hat das Kind die Möglichkeit, die Identität der Mutter zu erfahren. Ist das Angebot der Babyklappe damit noch notwendig?
"Im Zusammenhang mit der Evaluation zum Gesetz der vertraulichen Geburt wird bundesweit parallel auch die Nutzung der Babyklappen ausgewertet. Die Zahlen werden zeigen, wie sich die vertrauliche Geburt langfristig auf die Nutzung von Babyklappen auswirkt", so die Antwort von Kunz. "Allerdings wird es immer Fälle geben, bei denen die Frauen - aus welchen Gründen auch immer - Beratungsangebote oder eine reguläre Adoption nicht in Anspruch nehmen können oder wollen, Schutz brauchen oder die Schwangerschaft verheimlicht haben. Die Babyklappe ist eine von vielen Möglichkeiten, die diesen Frauen, die 100prozentige Sicherheit der Anonymität, die sie sich wünschen, bietet."
ka-news Hintergrund:
Rat und Hilfe beim Thema ungewollte Schwangerschaft bieten das Diakonische Werk in Zusammenarbeit mit der Hardtstiftung rund um die Uhr unter der ständig erreichbaren Notrufnummer 0800/62 72 134. Mehr Informationen gibt es auf der Homepage der Institutionen: www.hardtstiftung.de/Findelbaby/
Mehr Informationen zur Möglichkeit der vertraulichen Geburt gibt es unter der kostenlosen Nummer 0800/40 40 020 oder auf www.geburt-vertraulich.de