Das Häuschen mit dem besonderen Reiz
Am 4. Januar 1901 stimmt Großherzog Friedrich I auf Empfehlung der Karlsruher Maler Hans Thoma und Wilhelm Süs dem Bau einer neuen keramischen Werkstatt speziell für die Majolika-Manufaktur zu. Architekt Friedrich Ratzel soll das Haus in der Hoffstraße in der Karlsruhe-Weststadt bauen.

Bis Ende des Jahres wird das Gebäude als Keramische Künstlerwerkstätte an den ersten Direktor Wilhelm Süs übergeben. Süs übernimmt die Leitung eines selbständigen Instituts, da der Betrieb in den Händen der großherzoglichen Zivilliste liegt, das heißt, er ist keiner Schule oder Akademie angegliedert.

Das Haus von Ratsel selbst ist ein Kunstwerk: "Nur die vier ragenden Kamine verraten, dass das Dach etwas anderes beschützt, als ein gemütliches Wohnhaus", schreibt die Badische Landeszeitung im Dezember 1901. "Was ihm aber den besonderen Reiz verleiht, ist die farbige Stimmung und der herrliche keramische Schmuck."
Der Anfang einer neuen wahrhaften Blüte der Majolika-Kunst
Hier wird den Künstlern nicht gelehrt, was sie machen sollen, sondern sie können "im freien Schaffen eigene Erfahrungen in technischer und stilistischer Beziehung sammeln", heißt es weiter in der Zeitung.

Die verwendete Technik ist die echte Fayence oder Majolika (ein Unterbegriff davon), die seit 1800 immer mehr in Verfall geraten. Bei diesem Verfahren wird eine zinnhaltige Opakglasur mit glänzender weißer Oberfläche auf die Keramik aufgebracht.

Darauf kommt eine farbige Dekoration. Bei Fayencen, die meist blau oder mehrfarbig bemalt sind, handelt es sich um gesintertes Irdengut, dessen Scherben mit einer weißen Glasur überzogen sind. Ein wesentlicher Bestandteil der Glasur ist Zinnfritte.

Die Badische Landeszeitung hofft, wenn nicht alles täuscht, dass Baden "am Anfang einer neuen, wahrhaft künstlerischen Blüte dieser herrlichen Kunst" jetzt steht und dass die neue Manufaktur zum "Nutzen des ganzen badischen Landes" dienen wird.
Eine kräftige Serienproduktion
Die Majolika-Produkte werden vom Anfang an mit dem badischen Wappenschild mit großherzoglichen Krone und doppeltem M (für Majolika-Manufaktur) als Gütezeichen geprägt. Das Markenzeichen wird von Hans Thoma gestaltet. Die Manufaktur stellt nicht nur Majolika-Fayencen, sondern eine breite Auswahl an handgefertigter Keramik aus. Berühmte Künstler von überall formen und bemalen jahrzehntelang die Keramiken, von Unikaten bis hin zu Klein- und Großserien. Eine Serienproduktion fängt früh an, jedoch ist das Haus in der Hoffstraße zu klein dafür.

So ist 1908 im Karlsruher Schlossgarten ein Neubau dafür entstanden, 1915 hatte die Manufaktur bereits 150 Angestellte. In der Hoffstraße werden ständige Ausstellungs- und Verkaufsräume eingerichtet, während die neue Fabrikanlage richtig erfolgreich ist und zweimal in den nächsten Jahren erweitert wird. Im Jahr 1913 erweiterte sie das Angebot um Grabmal-, Park- und Gartenkunst.
Die Manufaktur in den Kriegen
Während des Ersten Weltkriegs geht die Produktion im baukeramischen Bereich zurück – zu dieser Zeit wird einfaches Geschirr gebraucht. Nach dem Krieg geht die Manufaktur in den Besitz des badischen Staats über, der aus der Firma eine neue GmbH gründet, die dann als Großherzogliche Majolika-Manufaktur Karlsruhe Kunstkeramische Werkstätten GmbH firmiert.

In den 1920er Jahren wird das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ändert 1927 seinen Namen in "Staatliche Majolika-Manufaktur AG", jedoch kann es nur durch ständige Staatszuschüsse erhalten werden. Durch Rationalisierungsmaßnahmen kann ab 1934 die wirtschaftliche Lage der Firma verbessert werden, ein Stand, der bis 1943 anhält. Im Herbst 1944 wird das Hauptgebäude der Manufaktur in einem Luftangriff stark beschädigt und die Produktion zum Erliegen gebracht. Sie kann erst in der Nachkriegszeit wieder erfolgreich anlaufen.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten
Viele nationale und internationale Künstler sind im Laufe der Jahre für die Majolika tätig. Der Medienpreis Bambi ist auch ursprünglich eine Keramikfigur aus der Majolika-Manufaktur gewesen. Jedoch kann die Firma nicht mehr an ihren früheren Erfolg anknüpfen. Hat sie 1956 eine Gesamtanzahl von 216 Angestellten, fällt diese Zahl auf lediglich 100 im Jahr 1973. Nach erneuten Investitionen gelingt die Firma 1983 wieder in den Besitz des Landes Baden-Württemberg und wird 1999 von der Landesbank Baden-Württemberg erworben.

2011 verkauft die Landesbank die Manufaktur wieder an die Stadt Karlsruhe, welche sie in die neu gegründete Majolika-Stiftung für Kunst- und Kulturförderung Karlsruhe überführt. 2022 wird die Werkstatt an die Gröner Group verkauft.
Nach einem gescheiterten Umstrukturierungsversuch wird im Mai 2024 der Betrieb der Majolika-Manufaktur endgültig eingestellt.