Deutschland sucht ein Zwischenlager: Ab dem nächsten Jahr sollen 26 Castoren aus La Hague und Sellafield zurück nach Deutschland transportiert werden. Das bestätigt ein Sprecher des Umweltministeriums auf Anfrage von ka-news. Gorleben scheidet ihm zufolge nach einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern als Lagerstandort aus. Die Frage, die sich nun stellt: Wohin mit dem Atommüll?
Bayern und Hessen weigern sich
"Wir verweigern uns nicht", teilt der Sprecher mit, "Grundsätzlich ist Baden-Württemberg bereit, seine Verantwortung zu übernehmen - wenn andere Länder dies auch tun." Neben Baden-Württemberg habe sich auch Schleswig-Holstein grundsätzlich bereit erklärt, Castoren zurückzunehmen.
"Ausgerechnet zwei Länder mit grüner Regierung", so der Ministeriumssprecher. Damit spielt er auf die Bundesländer Bayern und Hessen an, die sich eigenen Angaben nach einer Lösung bislang verweigern. Dabei würden diese von Parteien regiert werden, die die Kernkraft jahrzehntelang unterstützt hätten. Gleichzeitig fehle noch immer ein Gesamtkonzept für alle Castoren, das beispielsweise die bisher ausgeklammerten Castoren der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield miteinschließt. Der Bund sei gefordert, ein solches vorzulegen - was ursprünglich schon schon bis Ostern hätte geschehen sollen.
Schwierige Standortsuche: Warum Philippsburg?
Ein möglicher Standort, der bei dieser Diskussion immer wieder im Gespräch ist, ist das Atomkraftwerk Philippsburg in der Nähe von Karlsruhe. Konkret gehe es hier um fünf Castoren mit mittelradioaktiven Abfällen aus dem französischen La Hague. Philippsburg bringt einen entscheidenden Vorteil mit: "die Nähe zur Grenze", so der Ministeriumssprecher. Beim Rücktransport seien kurze Wege von Vorteil und Philippsburg sei das nächstgelegene Zwischenlager für Castoren.
Momentan wird das Kernkraftwerk Philippsburg II für die jährliche Revision vom Netz genommen, wie der Karlsruher Energieversorger EnBW mitteilt. 2019 soll der Reaktor dann ausgeschaltet werden.
Angst, Probleme und Widerstand
Müssen die Bewohner also schon bald mit einem Zwischenlager vor ihrer Haustür rechnen? So schnell wird es vermutlich nicht gehen: Bislang ist in Philippsburg nur die Lagerung des eigenen Atommülls zugelassen. Daher müsste die EnBW als Betreiber zunächst beim zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz einen Antrag für eine neue Genehmigung stellen. Doch an dieser Stelle gibt es ein Problem: Für die Unterbringung müsste das Zwischenlager des Kernkraftwerks umgebaut oder nachgerüstet werden. Die EnBW will im Vorfeld zunächst klären, wer die dabei entstehenden Zusatzkosten trägt. Erst dann wird sie nach eigenen Angaben eine Genehmigung beantragen.
Und auch in Philippsburg regt sich Widerstand in der Bevölkerung. So äußert Stefan Martus (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Philippsburg, sein Missfallen: "Wir haben genug Belastungen, uns reicht es!"
Sylvia Kotting-Uhl, die atompolitische Sprecherin der Grünen und Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Karlsruhe, hingegen begrüßt einen Rücktransport. Auf der einen Seite könne sie die Bedenken der Anwohner durchaus nachvollziehen: "Jeder hat gern so wenig Atommüll wie möglich vor der eigenen Haustür". Gleichzeitig sei dieser Schritt notwendig: "Man muss nun auch ein Stückchen Verantwortung, die man bisher an Gorleben abgegeben hat, wieder annehmen. Wenn jeder sagt: "Bei mir nicht", dann kommen wir in der Endlagerfrage nie voran!", so Kotting-Uhl.
Und auch der Ministeriumssprecher gibt Entwarnung: Philippsburg diene bislang bereits als Zwischenlager für Brennstäbe. Die radioaktive Strahlung der Abfälle aus La Hague sei um ein Vielfaches geringer als diese hochradioaktiven Brennstäbe. "Das Risiko für die Bevölkerung erhöht sich daher nur minimal", meint er.
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