In der Fächerstadt besitzen rund 70 Prozent aller Fußgängerampeln eine Drücktaste für die Grün-Anforderung. Dennoch ist vielen Fußgängern die Wartezeit zu lang und es wird mal eben bei Rot gespurtet. Denn: das Drücken bringt doch sowieso nichts - oder?
"Nein, das stimmt natürlich nicht", antwortet Jan Saal. Er ist Sachgebietsleiter für Verkehrssteuerung und Verkehrstechnik bei der Stadt Karlsruhe. Alle Druckknöpfe erfüllen ihre Funktion und fordern Grün an - einen psychologischen Placebo-Effekt, der lediglich den Eindruck einer Einflußnahme erweckt, gibt es nicht. "Schließlich kostet die Anschaffung der Drücker ja auch Geld", so Saal. Allerdings gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die darüber entscheiden, wie schnell die Ampel nach dem Drücken tatsächlich Grün wird.
"Jede Kreuzung ist ein Unikat"
Fakt ist: die Ampelschaltungen in Karlsruhe werden alle durch Programme gesteuert. Diese werden zusammen mit der jeweiligen Kreuzung entworfen und sind alle individuell. "Es gibt keine Kreuzung mit identischen Programmen", sagt Saal, "Jede Kreuzung ist ein Unikat." Insgesamt 250 Kreuzungen besitzt die Fächerstadt - für jede von ihnen wird auf Grundlage eines Signallageplans das Programm für die Ampelschaltung geschrieben.
Je größer die Kreuzung, desto komplexer die Berechnung der Ampelphasen. Neben der Koordination von konkurrierendem Verkehr, müssen auch Faktoren wie das Verkehrsaufkommen, die Umlaufzeit oder Zwischenzeiten berücksichtigt werden. Und: "Mit jeder Baustelle, muss auch ein neuer Plan erstellt werden." Hinzu kommt das gut ausgebaute Netz des Öffentlichen Nahverkehrs - die Bahnen haben an jeder Kreuzung Vorrang. Deutlich wird das vielen Autofahrern am Weinweg: An dieser Kreuzung scheint den Autofahrern die Wartezeit besonders lang - dies geht aus Beschwerden und Anfragen an die Stadt hervor.
Die Umlaufzeit legt fest, dass jede Ampel einer Kreuzung innerhalb einer vorgegebenen Zeit einmal Grün bekommt, oftmals ist der Richtwert eineinhalb Minuten. Verlängern kann sich die Wartezeit, wenn die Straßenbahn dazwischen funkt oder sich die Ampel auf einer Strecke mit Grüner Welle befindet. Dann kann auch schonmal eine Phase ausfallen, weil andere vorgezogen werden. Der worst-case unter den Rotlichtphasen dürfte laut Verkehrsplaner Saal aber höchstens vier Minuten betragen.
Fußgänger ziehen an Ampeln den Kürzeren
Den Abstand zwischen der Rotphase der einen und der Grünphase der anderen Ampel heißt im Planerjargon Zwischenzeit - sie garantiert beispielsweise, dass ein Fußgänger sicher die andere Straßenseite erreicht, bevor die Autofahrer Grün bekommen. Einzige Voraussetzung ist eine Mindestgehgeschwindigkeit von 1,2 Metern pro Sekunde. Das sei die durchschnittliche Gehgeschwindigkeit, die der Berechnung in diesem Fall zugrunde liege, erklärt Saal.
Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen können ebenfalls zu längeren Wartezeiten an der Fußgängerampel führen. So geschehen am Mendelssohnplatz: Die Kreuzung ist aus Sicht der Signalplanung eine der komplexesten in Karlsruhe. "Würden wir hier längere Grünphasen bei den Fußgängern einrichten, würde sich der Verkehr bis zum Karlstor rückstauen - und zwar den ganzen Tag", so Saal. Die Fußgänger ziehen an dieser Kreuzung also wohl oder übel den Kürzeren und müssen auf der Zwischeninsel auf die nächste Grünphase warten.
Mehr Autos bedeutet länger stehen für Fußgänger
Doch auch an anderen Kreuzungen sorgen Autoschlangen für längere Wartezeit beim gehenden Verkehr: Das Verkehrsaufkommen wird anhand zweier Induktionsschleifen gemessen. In den Boden eingelassene Drahtschleifen erzeugen ein elektromagnetisches Feld, welches nach dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion durch ein darüber hinwegfahrendes Auto verändert wird. Eine ist direkt vor der Ampel angebracht; eine weitere in zirka 30 Metern Entfernung. Stellt Letztere ein erhöhtes Verkehrsaufkommen fest, so verlängert sich automatisch die Grünphase der entsprechenden Ampel.
Und warum haben die Fußgänger das Nachsehen? "Die Autos stehen in einer Schlange, dadurch bildet sich schnell ein Rückstau", sagt Saal, "ein Pulk von Fußgängern kann hingegen gleichzeitig laufen." Aber die Fußgänger werden bei der Verkehrssteuerung nicht vergessen: Sogenannte Dunkel-Dunkel-Ampeln sollen die Position der Fußgänger in der Verkehrshierarchie stärken.
Wird von Fußgängern explizit kein Grün angefordert, bleiben sie dunkel. Der Vorteil zu einer herkömmlichen Fußgängerampel: Wird sie im Dunkelzustand, also ohne Grünanforderung gequert, so ist dies keine Ordnungwidrigkeit. So will man vonseiten der Stadt die Wartezeiten an Fußgängerampeln verkürzen.
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