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"Atommeiler", "Betonturm", "Monstrum" - der im Rahmen der Kombilösung geplante Abluftkamin am Karlstor sorgte für viel Unmut unter den Karlsruhern. Am Dienstag stand der Sachstandsbericht auf dem Prüfstand im Gemeinderat - mit ihm sechs mögliche Alternativen zum ursprünglich 20 Meter hohen und fünf Meter breiten Turm. Am Ende der Diskussion war klar: Stadtverwaltung und Gemeinderat setzen auf das Prinzip Hoffnung. Nur drei Gegenstimmen gab es gegen die vorgeschlagene Vorgehensweise der Stadtverwaltung in Sachen Abluftkamin.

"Erst wenn tatsächlich Grenzwertüberschreitungen bei den zirka ein Jahr dauernden Messungen festgestellt werden, sind eine vollständige Installation der Portalluftabsaugung und der Bau des Abluftkamins am Karlstor erforderlich." Derzeit geht die Stadt von einer Einhaltung der maßgeblichen Immissionsgrenzwerte aus. Die erforderlichen Messungen, die über den Bau eines späteren Abluftkamins entscheiden werden, sollen an der Messstelle der LUBW (Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg) durchgeführt werden.

Gemeinderat gegen Bebauungsplanänderung

Insgesamt hatte die Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft (Kasig) zusammen mit Planungsingenieuren und einem Gutachter 17 Varianten in einem Sachstandsbericht erarbeitet. Diesem stimmte der Gemeinderat zwar mehrheitlich zu, sprach sich aber gegen eine Änderung des aktuellen Bebauungsplans aus - und erteilte damit fünf der sechs Alternativen indirekt eine Absage.

Laut Beschlussvorlage konnte keine mit dem Bebauungsplan konforme Variante gefunden werden - zumindest keine, die eine Einhaltung der Immissionsgrenzwerte nach Eröffnung des Tunnels gewährleisten kann. Durch die Reihen der Stadträte favorisiert, wurde die Variante des photokatalytischen Abbaus von Stickoxiden (NOx). Hier werden die Schadstoffe durch die Einwirkung von Tageslicht in einer chemischen Reaktion umgewandelt. Als Katalysator fungiert in den Beton eingelassener oder auf ihn aufgetragenes Titandioxid.

Aus 17 mach' sechs: Wie soll der Kamin aussehen?

Zur Diskussion standen im Gemeinderat folgende Alternativen:

  • Portalluftabsaugung mit einem nur etwa 10 bis 12 Meter hohen Abluftkamin
  • Lamellen- beziehungsweise Rasterdecke ("Züblin-Decke") in Verlängerung des Westportals
  • Zentrale Be- und Entlüftungsanlagen in den betroffenen Gebäuden
  • Öffnung der Nordröhre auf 80 bis 100 Meter Länge im Bereich der Ritterstraße beziehungsweise des Nymphengartens
  • Öffnung neben der geplanten Straßenbahntrasse ohne Verschiebung der Straßenbahn
  • Photokatalytischer Abbau von Stickoxiden (NOx)

Hoffnung "auf Gedeih und Verderb" ausgeliefert

Trotz mehrheitlicher Zustimmung - die baulichen Alternativen zum Kamin stießen am Dienstag auf Skepsis im Gemeinderat: "Wenn wir jetzt akzeptieren, was vorgeschlagen wird, dann heißt es, dass wir auf Gedeih und Verderb bis zum Ende aller Tage hoffen müssen, dass die Grenzwerte eingehalten werden", sagte Eberhard Fischer, stimmte der Vorlage im Namen der KAL-Fraktion aber zu.

"So richtig einverstanden sind wir auch nicht", ließ Bettina Lisbach aus den Reihen der Grünen verlauten. Es werde weiter auf das Prinzip Hoffnung gesetzt, dass der Fall einer Grenzwertüberschreitung nicht eintrete. Die Grünen wünschten sich eine vertiefende Betrachtung im Aufsichtsrat sowie in den Fachausschüssen. Zudem bleibe die Frage nach dem Grund für das Ausscheiden der anderen elf Varianten, merkte Stadträtin Lisbach an.

Ein klares Nein zum Sachstandsbericht gab es von den Freien Wählern und von den Linken in Form von Niko Fostiropoulos. "Der Autotunnel ist blanker Unsinn", sagt Stadtrat Niko Fostiropoulos mit sichtlich erhitztem Gemüt und macht die Ablehnung seiner Fraktion gegenüber der Kombilösung deutlich: Man sei gegen solche Großprojekte mit enormen Folgekosten.

FDP: Entlüftungssystem könnte Modellprojekt werden

Optimismus hingegen bei CDU: Bis zur Eröffnung des Autotunnels habe man noch einige Zeit vor sich, man hoffe auf den technischen Fortschritt. "Ich glaube, kein Mensch will diesen Abluftkamin", sagt Sven Maier, "auch die CDU-Fraktion nicht."

Ein Finanzierungsidee brachte indessen Stadträtin Rita Fromm zu Gespräch: In Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) könnte die photokatalytische Abbauvariante aus dem Entlüftungssystem des Autotunnels ein Projekt mit Modellcharakter werden.

Ebenfalls auf das KIT setzt die SPD und ist überzeugt, eine "technische-fortschrittliche Lösung zu finden, die uns den Abluftkamin erspart". Fraktionsvorsitzende Doris Baitinger erinnert an frühere Prioritäten, die zur Aufstellung des Bebauungsplans in der jetzigen Form führten. An diesen sollte nicht gerüttelt werden, aus diesem Grund stellen sich die Karlsruher Sozialdemokraten entschieden gegen Kamin-Alternativen, die eine Änderung des Bebauungsplans zur Folge hätten.

"Keine Alternative ist an den Kosten gescheitert"

"Wir haben jetzt Ansätze gefunden, die uns erlauben, die Entscheidung offen zu lassen und letztlich anhand realer Grenzwerten zu treffen", bezieht Oberbürgermeister Frank Mentrup Stellung zum Sachstandsbericht. Mit der Photokatalyse habe die Stadt ein Verfahren als Alternative, das funktioniert - allerdings sei dessen Wirksamkeit in einer solchen Situation wie die des Karlsruher Autotunnels noch nicht nachgewiesen, gibt Mentrup zu bedenken.

Keine der elf Varianten, die nicht den Weg in den Sachstandsbericht gefunden haben, sei an zu hohen Kosten gescheitert, versichert das Stadtoberhaupt auf die SPD-Nachfrage. Und was passiert, wenn sich nach dem Messungsjahr 2019 herausstellt, dass die Grenzwerte entgegen aller Erwartungen doch überschritten werden? Das müssen man im Detail nochmals im Aufsichtsrat der Kasig besprechen.

Gegebenenfalls wäre auch ein dynamisches Verkehrsmanagement eine Maßnahme, die man vor dem Bau eines Ablüftungssystems in Angriff nehmen könnte. Aber: "Wenn wir etwas bauen müssen, dann weil wir wissen, dass es auch wirklich so ist und nicht aus theoretischen Annahmen heraus", so Mentrup.

Dennoch will die Stadt Vorbereitungen für den Bau eines Entlüftungssystems für den Kriegsstraßentunnel treffen: Die unterirdischen baulichen Einrichtungen der Abluftzentrale einschließlich eines Fluchttreppenzugangs und eines Zuluftschachtes sollen ausgeschrieben werden. Laut Beschlussvorlage soll auch im Bereich der Reinhold-Frank-Straße ein größerer Abschnitt von photokatalytisch wirkendem Pflasters verlegt werden.

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