Täglich um 11 Uhr ist es so weit: Die Johanniskirche am Werderplatz öffnet ihre schweren Türen. Von Sonntag, 12. Januar, bis Sonntag, 9. Februar, erwartet die Besucher dort etwas besonderes: Zum einen eine warme Mahlzeit für nur einen Euro - zum anderen ein buntes Programm. Hereinspaziert in die Karlsruher Vesperkirche!

Lara Pflaumbaum ist Pfarrerin der Johanniskirche und hat die Projektleitung in der Hand. "Mir ist wichtig zu betonen, dass unsere Arbeit keine Armenspeisung ist", sagt sie im Gespräch mit ka-new.de. "Wir möchten mit den Menschen auf Augenhöhe sein, Kontakt herstellen und ein Miteinander pflegen." Denn: Die Vesperkirche ist keine reine Essensausgabe, hinter dem Projekt steht weit mehr.

"Unser Ziel ist es, die Leute am Rand der Gesellschaft mit einzubinden"
Jeden Tag werden in der Vesperkirche 250 bis 400 Essen über die Theke gereicht. Damit das reibungslos gelingt, sind täglich 52 ehrenamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Unter den Helfern sind viele, die aus der "Szene" stammen. "Unser Ziel ist es, genau diese Leute, die vielleicht am Rande der Gesellschaft leben, mit einzubinden", so Lara Pflaumbaum.

Am Eingang der Kirche ist eine Kasse aufgebaut. Für einen Euro kann ein Märkchen mit der Aufschrift "Vesper" erworben werden. Den allergrößten Teil der Ausgaben decken allerdings Spenden, denn rund 100.000 Euro kostet die Vesperkirche im Jahr. "Das Bezahlen hat daher eher einen symbolischen Charakter, ist aber nicht unwichtig", erklärt die Pfarrerin. "Die Menschen möchten einen Obulus geben und es ist ihnen sehr wichtig."

Das warme Mittagessen wird jeden Tag neu bestellt und angeliefert. Wenn die Essensausgabe beginnt und die Deckel der dampfenden Töpfe angehoben werden, ist die Schlange hinter der Theke lang. ka-news.de hat einen Tag lang selbst bei der Essensausgabe mitgeholfen. Jeden Tag steht etwas anderes auf dem Speiseplan.

Bäckereien und Ehrenamtliche liefern Kuchen und Brote
Während in der Johanniskirche selbst zur Mittagszeit das Essen in vollem Gange ist, werden in den Gemeinderäumen Brote um Brote geschmiert. "Wir haben vier Bäckereien, die uns kostenlos Backwaren zur Verfügung stellen, das ist der Wahnsinn", sagt Lara Pflaumbaum im Gespräch mit ka-news.de.

Die Bäckereien selbst seien zum Teil dankbar, die Vesperkirche beliefern zu können, da sie oftmals eine große Überproduktion verzeichnen. Und so stapelt sich das gespendete Brot kistenweise - was nicht verwertet wird, wird für die nächsten Tage eingefroren.

Nebenan wird im Akkord Kaffee gekocht: In der Küche bereiten die Mitarbeiter jeden Tag über 100 Liter zu. Tee und Kaffee sind in der kalten Jahreszeit, in der die Vesperkirche Karlsruhe ihre Tore öffnet, sehr beliebt.

Gerade erst ist das Mittagessen vorüber, schon werden Kuchen aufgeschnitten und auf Tellern portioniert. Jeden Tag bringen Ehrenamtliche aus der Nachbarschaft frisch gebackene Torten vorbei. "Sie kommen hier hinein und bringen die Kuchen vorbei - einfach so", sagt Pfarrerin Pflaumbaum. "So ein Engagement habe ich mir in den Anfängen der Vesperkirche nicht vorstellen können."

Jeder darf sich aus den Sachspenden bedienen
Doch nicht nur an Essen, an vielen alltäglichen Dingen mangelt es den Besuchern. Aus diesem Grund laufen am Nachmittag Mitarbeiter mit großen Kisten durch die Kirche, gefüllt mit allerlei nützlichen Dingen. Von Handschuhen über Schokolade - jeder der möchte, darf sich einen Gegenstand nehmen. In einem Lagerraum hinter dem Gebäude werden Sachspenden aus der Bevölkerung aufbewahrt.

Das Fazit des Rundganges: Die Vesperkirche ist viel mehr als nur ein Ort, an dem es günstiges Essen gibt. Es ist ein Ort der Begegnung, Gemeinschaft oder auch der Mitarbeit. "Das wichtigste ist, dass Menschen in ihrem Leben einen Sinn und eine Aufgabe haben", sagt Lara Pflaumbaum abschließend.


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