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Karlsruhe: Viel Blues, viel Bass

Karlsruhe

Viel Blues, viel Bass

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    Zunächst wird um 16.30 Uhr jedoch End Of Prejudice auf der Zeltbühne beäugt. Die fünf Jungs im Alter zwischen 16 und 18 Jahren spielen, man fühlt sich leicht an Apoptygma Berzerk erinnert, Rock mit starken Keyboard-Jingles. Man erwartet fast das Glitzern einer Zahnspange bei diesen jungen Burschen zu erhaschen, die Band, die den diesjährigen "Schule rockt"-Contest für sich entscheiden konnte, absolviert den Auftritt aber abgeklärt wie die Großen. Erste Gäste im Alter der Lokalmatadoren beginnen zu pogen, "Freak out!" animiert Sänger Milan die Menge.

    Der Konzertbericht von Cristina Aragones, Samuel Acker und Julian Bendoraitis

    Bei ihrem bisher größten Auftritt orientieren sich End Of Prejudice in Sachen Publikumsbeteiligung an den Beatsteaks (ka-news berichtete) und lassen die "Fest"ler auf dem Boden Platz nehmen, bevor das Zelt durchs gemeinsames Springen erschüttert wird. Songs wie "Instruction" oder "Sensual Captivity" stoßen auch älteren Zeltbesuchern nicht übel auf, am Ende steht ein solider und beeindruckend professioneller Auftritt, auf dem End Of Prejudice für die Zukunft aufbauen können. Von jungem Gemüse zu einem alten Hasen im Geschäft: Willy DeVille hat sich für den Abend angekündigt.

    Nomen est omen: DeVille mit diabolischem Grinsen (Foto: ka-news)

    Um 19 Uhr wird es dann Zeit für den Auftritt des Schamanen des Rock, der vergangenes Jahr bereits das "Zeltival" bespielt hat (ka-news berichtete). DeVille lässt jedoch auf sich warten und schickt zunächst seine Band nach draußen, welche eher weichen Blues-Pop aufbietet. Sollte der Mann, der indianisches, französisches und irisches Blut in sich vereint, im Alter etwa an Schärfe verloren haben? Mitnichten, mit Wolfsgeheul entert er schließlich die Bühne und demonstriert, nach einer schnell entzündeten Fluppe, dass er immer noch "So So Real" ist. In Schwarz gekleidet gibt er dem Treiben seiner Band feste Form und beschwört den Voodoo des Mississippi-Sounds, der vor allem die etwas älteren Semester schnell in seinen Bann zieht.

    Sexy Elektro-Diva in Club-Atmosphäre

    Zu Songs wie "Chieva" oder "Spanish Stroll" röhrt DeVilles Stimme zum Gesang seiner Band, Zwischenrufe aus dem Publikum werden vom 1950er-Kaliber charmant gemeistert: "Shut The Fuck Up, I'm Trying To Work Here!" Mal tiefster Blues, mal eher Country mit Akkordeon: DeVille schont sich auch mit 57 Jahren nicht, seine Fans tun es ihm gleich. Als er fertig ist, fragt man sich, ob es der zarten Roísín Murphy gelingen kann, aus diesem Fiebertraum aus Blues und Rock aufzutauchen. Bereits 2003 hatte sie, noch als Frontfrau des TripHop-Duos Moloko, mit Kollege Mark Brydon den Hügel zum Kochen gebracht (ka-news berichtete).

    Rotkäppchen im Techno-Wald: Die sexy Irin in einem ihrer vielen Kostüme (Foto: ka-news)

    "Bring It Back", mögen sich viele "Fest"-erfahrene Besucher dann auch gedacht haben, als die sexy Irin extravagant mit Robocop-Visier und pumpendem Bass, aber zunächst äußerst kühler Präsenz die Bühne betrat. Doch man hätte es besser wissen müssen: Als Murphy zu "You Know Me Better" einsetzt, ist da wieder die quirlige Bühnenmaus, die locker gefühlte 100 Kostümwechsel schafft und in Sachen Optik und Hüftschwung zusammen mit ihren zwei Backgroundsängerinnen das absolute Highlight dieses Sonntags darstellt. Musikalisch bietet die kleine Rose (Gälisch: "Roísín") einen ausgewogenen Mix zwischen Elektrobrettern mit Gitarre und smoothen Grooves, unterlegt mit Soundteppichen von flauschig weich (wie die Digital-Ballade "Sow Into You") bis herzrhythmusgefährdend (wie der Techno-Brecher "Movie Star" und das zehnminütige Krawall-Intro zu "Overpowered").

    Mixery-Bühne sorgte für Enttäuschung, "Fest" überzeugte trotzdem

    Das Publikum reagiert gemischt auf das neue Programm. Das liegt zum Teil wohl an der Tatsache, dass allen ein anstrengendes "Feier-Wochenende" in den Knochen steckt, zum anderen hat Murphy nicht die populären Moloko-Hits im Repertoire, die jeder mitträllern kann. Trotz mehrköpfiger Band und zwei Knöpfchendrehern fehlt dem Sound auch ein wenig der "Festivalcharakter", es entsteht eher das Gefühl eines sehr großen Dancefloors mit Rucksack-Dresscode.

    Die ehemalige Moloko-Hälfte präsentierte sich gut behütet (Foto: ka-news)

    Alles in allem konnte man trotzdem eine Wahnsinnsshow bewundern, bei der Roísín und ihre zwei Kolleginnen, dem Himmel sei Dank, vollen Körpereinsatz zeigten, unterstützt von einer psychodelischen Videoshow und einem sehr gut komponierten und passend eingesetzten Lichtfeuerwerk.

    Für Freunde einer gepflegten DJ-Kultur gab es leider auch am Sonntag an der Mixery-Bühne nichts zu holen, da dort drei Tage lang minimalistisches "Studi-Techno-Geglucker" (Zitat eines Mixery-Bühnen-Veterans) vorherrschte. Sehr zum Leidwesen der Drum'n'Bass-Fans, die vergangenes Jahr fast heftiger als das Publikum der Live-Bühnen gerockt hatten. Zum Schluss gab es aber noch einen verdienten großen Applaus für die freiwilligen "Fest"-Helfer, die ein Festival ermöglicht haben, welches, trotz kleinerer Mängel (Essen recht teuer, Sicherheitspersonal zum Teil unfreundlich, Wetter größtenteils schlecht), wieder mal eine große Party für die Fächerstadt darstellte.

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