Die Atmosphäre auf dem Schlossplatz ist beeindruckend, friedliche Neugier macht sich breit, die bunt gemischten Besucher sind gespannt ob der Dinge, die da kommen. Die drei Preisträger der BBBBank-Awards bestechen allesamt durch ihre überbordende Kreativität. Hier seien sie kurz vorgestellt und ausdrücklich empfohlen. Den Anfang macht als Zweitplatzierter das Studio Julian Hölscher mit "Letters Of Liberty" (2024):
Aus "Me" wird "We"
Hölschers Arbeiten entstehen im Spannungsfeld zwischen Technik, Kunst und Design. Für die Schlosslichtspiele 2024 hat er eine Projektion mit einfacher Botschaft geschaffen: Demokratie ist dann lebendig, wenn Bürgerinnen und Bürger mitmachen und sie gestalten. Aus "Me" wird "We" und wie in einem Chor zählt jede Stimme, damit schließlich ein gemeinsames "Wir" erklingen kann - "Everbody Counts" eben. Farbenfrohe Grafiken und schöne Soundcollagen prägen den Gesamteindruck. Ein toller Beginn!

Kommen wir zur Siegerin des Wettbewerbs, Julia Shamsheieva: Die Gewinnerin des BBBank-Awards 2024 stammt aus Odessa (Ukraine) und lebt heute in Kanada. Ihre Arbeit ist nach der offiziellen Bezeichnung der Freiheitsstatue benannt: "Liberty Enlightening The World". Sie lädt die Betrachter auf eine Reise ein - die Reise von "Faust".

So wie die Freiheitsstatue ein Symbol für Freiheit, Demokratie und Aufklärung in der ganzen Welt ist, versteht die Medienkünstlerin die Suche von "Faust" nach Wissen und Selbstfindung als ein Symbol für die individuelle Freiheit, die eine der Grundprinzipien von Demokratien ist.

Die Geschichte von Goethes "Faust" wirkt so als Leuchtturm über Generationen hinweg weiter und erinnert uns daran, wie wichtig es ist, sich selbst zu reflektieren und die Konsequenzen unserer Entscheidungen zu bedenken. Die endgültige Erlösung und Rettung "Fausts" ist eine Metapher für die Möglichkeit der persönlichen und kollektiven Transformation, die Entwicklung des sozialen Bewusstseins.

Die visuelle Retro-Ästhetik unterstreicht die historische Zyklizität gesellschaftlicher Prozesse und versetzt einen zurück in die Filme des vergangenen Jahrhunderts. Die ständigen Konflikte sind eine ernüchternde Erinnerung daran, dass uns trotz aller Fortschritte der Menschheit noch immer "mythische" Auseinandersetzungen plagen. Die Kraft der Freiheit ist nach wie vor die Triebfeder für die Schaffung einer besseren Zukunft für alle, trotz der vielen Hindernisse, die einer echten globalen Einheit und einem echten Frieden im Wege stehen.
Der dritte Platz der Awards 2024 geht an "Discourse" von John Tettenborn und Kourtney Lara Ross. Tettenborn vom RESORB-Kollektiv (Animation) und Kourtney Lara Ross (Musik) zeigen eine einfache visuelle Metapher, die Mechanismen des Diskurses in einer Demokratie verständlich macht. Abstrakte Wesen führen vor, wie Demokratie funktionieren kann.
Ihre Show zeigt ein kleines Universum mit unterschiedlichen Charakteren, die alle die gemeinsame Aufgabe haben, sich zu organisieren, um zu koexistieren. Das Ziel ist es, eine Ordnung zu schaffen, ohne ins Chaos abzugleiten und ohne die Vielfalt zu verlieren.

Auch Herbert Grönemeyers Beitrag namens "Angstfrei" beeindruckt mit klarer Kante und politischer Botschaft. Er und seine Band gestalteten mit zwei fulminanten Live-Konzerten die diesjährige Ouvertüre zu den Schlosslichtspielen. Grönemeyer ist nicht nur musikalisch einer der bedeutendsten, deutschen Künstler, sondern auch seit Jahrzehnten sozial und politisch engagiert, für dieses Land und unsere Demokratie. Passend zum Motto der 10. Edition - "Everybody Counts" - präsentiert der Musiker "Angstfrei" als Beitrag zum Programm.

Etwas Besonderes und auch Experimentelles ist tatsächlich "Wir sind Daten" von Peter Weibel & Hotel Morphila Orchester, Nikolaus Völzow aus dem Jahre 2023: In seinem Lied "Wir Sind Daten" setzte Peter Weibel den Whistleblowern Chelsea Manning und Edward Snowden ein musikalisches Denkmal.
"Wir sind Daten" - ein musikalisches Experiment!
Aufgenommen wurde der Song 2013 bei einem legendären Auftritt im österreichischen Krems. Am 1. März 2023 verstarb der damalige Leiter des ZKM und langjährige Kurator der Schlosslichtspiele im Alter von 78 Jahren. Nun ist sein Gesang noch einmal vor der Schlosskulisse zu hören. Im Gedenken an Peter Weibel hat Nikolaus Völzow das Musikvideo für die Großprojektion adaptiert. Eine Hommage an das ZKM-Genie. Immer wieder kreativ und überraschend, Weibels Oeuvre.

Ebenso spannend ist das Werk "Hands On (New)" von Jonas Denzel: Der Sound, der zu hören ist, wurde durch das Klopfen auf Bauteile des Schlosses wie Fenster, Regenrinnen und Wände erzeugt. Das Schloss wird zu einem Piano, das von Händen bespielt wird. Und schließlich fordern uns die Gesten auf dem Schloss dazu auf, selbst Teil des mitreißenden Rhythmus zu werden!

Nicht vergessen darf man auch den SLS-Klassiker "300 Fragments" von Maxin10sity, aus dem Jahr 2015: Diese Show wurde zum 300. Stadtgeburtstag Karlsruhes kreiert und begeisterte bereits 2015 Hunderttausende von Zuschauern. Die Künstlergruppe Maxin10sity unternimmt eine Zeitreise durch die Geschichte der Stadt.

Von der Legende der Stadtgründung bis in die Gegenwart, in der sich das Schloss aus Pixeln wieder zusammensetzt und die Projektion in einen Datenstrom münden lässt. Vergangenheit, Gegenwart und die Zukunft Karlsruhes werden in eindrucksvollen Bildern und einer überwältigenden Soundkomposition dargestellt.
Final haben wir dem SLS-Chef Martin Wacker noch einige Sätze entlockt:
ka-news.de: Die Schlosslichtspiele - was bedeutet das für die Fächerstadt?
Martin Wacker: Es ist ein wenig schon ein kulturelles Erbe, und das, obwohl wir erst zehn Jahre alt sind. Das hat die Stadt wirklich und spürbar verändert. Die SLS verändern unsere Definition von Sommer. Man geht ja meistens an den Baggersee und nicht gerade in ein Museum oder Ähnliches. Wir locken jedes Jahr 250.000 Menschen vors Schloss, und das im Sommer - egal, wo man herkommt, egal, welcher Herkunft man ist, ob man Studierender oder Professor ist.

Ihr wart ja so positiv überrascht ob der Quantität/Qualität der Einreichungen ...
... 73 Einreichungen aus 18 Nationen - der Stellenwert der SLS ist mittlerweile enorm, auch international. Medienkunst-Fans aus allen Ecken der Erde (zum Beispiel aus Australien) kommen nach Karlsruhe. Das ist natürlich auch gut für die Gastronomie, die Leute gehen essen, trinken etwas - das ist auch ein Stück weit Wirtschaftsförderung.

"Everybody Counts" - was bedeutet das genau?
Für mich bedeutet das Grundgesetz immer und zuerst: Die Würde des Menschen ist unantastbar! Jede(r) Einzelne zählt! Das passt auch zu den SLS, wirklich jeder ist herzlich willkommen. Die SLS sind ein friedliches, großes Gemeinschaftserlebnis. Wir müssen uns zusammentun, zusammenkommen und über Kunst reden - genau das tun und bewirken die SLS.
Herr Wacker, vielen Dank für das Gespräch!
Übrigens: Selbst die (natürlich notwendige) Werbung wird auf der Schlossfassade künstlerisch dargestellt, es gib also (auch atmosphärisch) keinen Abbruch. Hier bei den SLS sind alle Gewinner, ob Künstler oder interessiertes Publikum! Man kann den ganzen Abend vorm Schloss verbringen oder sich einzelne Tipps aussuchen - beide Planungen lohnen sich über die Maßen. Alles Wissenswerte rund um die Schlosslichtspiele kann man zudem hier erklicken.
Termin: noch bis 15. September 2024, Schlossplatz, Karlsruhe, Eintritt frei!