Die Graffiti-Szene in Karlsruhe ist harmonisch, hält zusammen und steckt voller kreativer Ideen. "Mit unserer guten Infrastruktur geben wir den Leuten eine Option auch auf entspannt Graffiti, Street-Art Kultur auszuleben", meint der Graffiti-Künstler Baske ToBeTrue im Gespräch mit ka-news.

Dennoch wird das Thema Graffiti häufig aufgrund von Verunreinigung von nicht zum Sprayen ausgewiesener Orte in einen negativen Zusammenhang gebracht. Denn was einst friedlich begann, wurde im Jahr 1998 auf den Kopf gestellt.
Eine kriminalisierte Szene
"Sicherheit und Sauberkeit - Karlsruhe zeigt Verantwortung" - Diese Kampagne des damals neu gegründeten Sicherheitsrates in Karlsruhe wollte nicht nur gegen Drogenmissbrauch und Taschendiebstahl vorgehen, auch die Graffiti-Szene wurde zum Feind erklärt. Es sollte nicht nur bei Anti-Sprayer-Plakaten bleiben.
Speziell eingerichtete Sonderkommissionen der Polizei führten zahlreiche Hausdurchsuchungen, Verhöre und Verhaftungen durch. Die Szene stand aufgrund dieser Negativdarstellungen kurz vor dem Abgrund.

Dies wollte die Szene sich nicht gefallen lassen: Es folgten lange, zähe Verhandlungen, um die Stadt vom künstlerischen und kreativen Stellenwert des Graffiti zu überzeugen - mit Erfolg. "Hall of Fames" wurden geschaffen, der Verein Farbschall e. V. fand sich zusammen. Das übergeordnete Zeil: Ein besseres Image in der Öffentlichkeit.

Geldstrafen, Gefängnis, Schadensersatz und Zuchtmittel
Doch wie sieht es heute aus rechtlicher Sicht aus? Die Polizei Karlsruhe verzeichnete im Jahr 2021 insgesamt 243 Sachbeschädigungen durch Graffiti im Stadtkreis, im Jahr zuvor waren es 267. Örtliche Schwerpunkte seien laut Polizeipräsidium vor allem die Südweststadt, Südstadt und Innenstadt-West. Ungefähr 200 Millionen Euro werden jährlich an Kosten durch die Vergehen verursacht.
Die Delikte können folgenschwere Konsequenzen mit sich tragen - von einem Bußgeld bis zu zwei Jahren Haft ist die Bandbreite der Strafen groß. Hinzu kommt laut Pressesprecher Kai Lampe außerdem die zivilrechtliche Komponente: Ein Anspruch auf Schadensersatz kann bis zu 30 Jahre eingefordert werden.

Auffällig: Viele dieser Sprayer sind oft noch minderjährig. Hier greift das Jugendstrafrecht und somit auch Erziehungsmaßnahmen und Zuchtmittel. Das heißt, dass Beschuldigten die Wand zum Beispiel selbst überstreichen müssen.
Doch es gehören noch mehr Dinge zum Image von Graffiti, als der Umgang mit "nicht gewollter und gewollter Intervention" im öffentlichen Raum. Diese gehen weit über das Thema "Legal versus Illegal" hinaus, wie Baske ToBeTrue aus der Sicht der Künstler betont.
Das Problem mit den Free Walls
Der Grund: Die Kommunikation der Free Walls und Hall of Fames ist sehr intransparent. Es ist häufig ungeklärt, welche Orte aktuelle erlaubt sind. Manche der Flächen sind von städtischer Seite freigegeben worden, andere von Privatpersonen und Firmen.
Einmal kann man eine Fläche frei bespielen, bei der nächsten braucht man schon eine Absprache mit den verantwortlichen Personen oder Einrichtungen: "Diese Sache geht nur sehr langsam voran und muss immer wieder neu evaluiert werden", findet Baske ToBeTrue.

Seit Jahren kümmern sich Akteure aus der Szene um die Erfassung und Pflege der Wände. Es müsse sich von Seiten der Stadt aus mehr um dieses Problem gekümmert werden. Dies kann nur im laufenden Austausch zwischen Szene, Stadt und Partnern geschehen.
Ein zusätzlicher Störfaktor an den Free Walls ist ihre gestiegener Bekanntheit. Laut Stadt wären die Halls of Fame ein der Szene vorbehaltener, geschützter öffentlicher Raum. Die Künstler sehen das anders.

"Graffiti ist stark in Richtung Mainstream gerückt", so Baske ToBeTrue. Es freut die Maler, dass ihre Werke bestaunt, fotografiert und dokumentiert werden. Jedoch nervt es die Szene, wenn ihre Werke von dritten ohne Absprache verwertet werden.
"Natürlich ist eine Free Wall als öffentlicher Raum für alle zugänglich, trotzdem sollten die Abläufe besser geregelt und sich mit den Malern abgesprochen werden", heißt es gegenüber ka-news.de.
Zum einen werde der Schutzraum nicht respektiert zum anderen sei die Pflege von Wänden wichtig. Hier stecken viel Aufwand und Kosten dahinter, um die entsprechende Qualität zu gewährleisten, die die Leute aus der Szene brauchen. Unter anderem würde sich Baske ToBeTrue Mülleimer an den Wänden wünschen, damit das Umfeld sauber bleibt.

Graffiti und der öffentliche Nahverkehr
Manche Bürger verbinden mit Graffiti nicht die bunten Wandgemälde, sondern "Tags" - zügig geschriebene, meist kleine Schriftzüge an Stromkästen, Hauswänden, Toiletten oder anderen Orten im öffentlichen Raum, welche jedoch eigentlich nicht zulässig sind. Dazu gehören auch Straßenbahnen.
Nicolas Lutterbach ist Pressesprecher der Karlsruher Verkehrsbetriebe und äußert sich mit Blick auf dieses Thema wie folgt: "Pauschal kann man sagen: Graffiti und ÖPNV gehören unvermeidbar untrennbar zusammen. Das beschäftigt nicht nur uns in Karlsruhe, sondern ist ein deutschlandweit bekanntes Problem."

Teure Reinigungsarbeiten
Gerade bei Schriftzügen im Fahrgastraum sei die Entfernung sehr aufwändig und kostenintensiv: "Wir sprechen hier von einem Betrag, der sich in der Tausenderhöhe bewegt", so Lutterbach. "Letztendlich zahlen bei sowas die Allgemeinheit, sprich die Steuerzahler, die Reinigungskosten mit."
Auf die Nachfrage nach bestimmten Trends und Entwicklungen merkt Lutterbach an: "Graffiti ist ein unverändertes Phänomen, ein omnipräsentes Thema für uns. Wir können hier keine Trends in eine bestimmte Richtung erkennen." Seit in den Bahnen eine Videoüberwachung eingeführt wurde, konnte jedoch ein Rückgang von allgemeinem Vandalismus beobachtet werden.

Seit Februar 2019 gibt es außerdem die "SOKO Schmierfink“. Ein zweiköpfiges Team der Stadtreinigung des Amtes für Abfallwirtschaft (AfA), beseitigt hier Farbschmierereien und Beklebungen von Orten, an denen sie nicht sein sollen.
Sie finden sich häufig in Parkanlagen, sowie auf öffentlichen Abfallbehältern, Laternenmasten oder Stromkästen. Je nach Größe kann die Entfernung bis zu einer Woche dauern. Während die Stadt also die zugelassene Seite dieser Kunst stärker fördern möchte, wird gegen die verbotene Seite auch vorgegangen.
Mehr Farbe für die grauen Betonstädte
Kunst liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Bei dieser Debatte steht jedoch fest: Graffiti ist eine zwar noch relativ junge, aber sich stetig weiterentwickelnde Kultur, die sich selbst ausweitet. Unter dem Begriff fassen sich etliche künstlerische Darstellungsformen zusammen.

Ob Wandmalereien, Writing, Schablonenmalerei, Sticker, Poster oder Digital: Die Bildsprache und Dynamik gehen hierbei weit über "Schmierereien" hinaus. Dies hat die aktive Graffiti-Szene in Karlsruhe mit ihrem Schaffen bereits beweisen können.
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