Die Stadt bietet Graffiti-Künstlern bisher noch zu wenig Möglichkeit für die freie Entfaltung ihres Schaffens: Diese Meinung vertritt zumindest die CDU-Fraktion in einem Antrag an die Stadtverwaltung.
Aber der fehlende Raum für Kunst ist gar nicht mal das Problem, sagt zum Beispiel Graffiti-Künstler "Baske ToBeTrue". Er findet zwar, dass sehr viel vonseiten der Szene und Teilen der Stadtverwaltung passiert, dies jedoch noch zu wenig Gehör findet. "Die Kommunikation zu den verschiedenen Akteuren ist noch ausbaufähig", meint er im Gespräch mit ka-news.de.

Wie alles begann...
Baske ist schon seit über 30 Jahren in der Karlsruher Graffiti-Szene aktiv. Er war auch bei der Entstehung des Hip Hop-Kulturzentrums "Combo" beteiligt und ist bis heute einer der Mitverantwortlichen. "Angefangen hat es damit, dass ich für den ehemaligen, leerstehenden Jugendclub dort eine Wand gemalt habe. Da kam schnell die Idee, aus den alten unbeliebten Räumlichkeiten könnte man doch was machen!"

So entstand im Jahr 2001 der Verein Farbschall e. V. und das Combo wurde 2005 schließlich zur städtischen Institution. Getragen wird es vom Verein sowie von der mobilen Jugendarbeit Karlsruhe und der örtlichen Hip Hop-Szene. "Am Anfang fokussierten wir uns hier bei unseren Zielen nur auf die Förderung der Graffiti-Kultur", so Baske.
Doch schon kurz nach der Gründung konnten sich hier neben Street-Art-Künstlern auch Musiker, DJs, Tänzer und Texter involvieren. Eine gesamte Szene findet im Combo Hip Hop-Kulturzentrum zusammen. Auch ein internationaler Austausch zu vielen Gleichgesinnten auf der ganzen Welt besteht.

Bei vielen Aufträgen und Aktionen im Rahmen der Stadtgestaltung wirkt das "Team Combo" mit. Hierzu gehören der Verein, Vertreter der Stadt, die Sozial- und Jugendbehörde, Privatpersonen und Akteure aus der Szene. Die Besetzung ist dynamisch und ändert sich je nach Auftragslage und Projekten oft.
Von alter Hase bis Neuling: Das Graffiti-Netzwerk verbindet
Vergangenes Jahr fand in der Karlsruher Nordstadt die "Expo Station" statt. Vor dem Abriss des ehemaligen Areal C, auf dem nun das Wohngebiet Greenville entstehen soll, fanden sich rund 120 Künstler zusammen, um mit ihren Spraydosen aus den freien Flächen temporäre Kunst zu machen.
Im Jahr zuvor gab es bereits eine "ExpoStation", diese wurde im Sybelzentrum der Heimstiftung Karlsruhe in der Südstadt realisiert. Die Idee für solch eine wandernde Ausstellung ist 2008 im Jugendhaus Durlach entstanden und stammt ebenfalls aus Baskes Feder.
Vertreten waren sowohl Locals, als auch international bekannte Sprüher wie zum Beispiel CAN2. Hier konnte der erfahrenste Pionier dem 14-jährigen Sprayer-Nachwuchs die Hand geben. "Genau das macht Kultur aus", findet Baske: "Man verbindet die Menschen und unterstützt sich gegenseitig." So ein Netzwerk innerhalb der Szene sei wichtig für ihre Entwicklung.

Die lokale Szene hält zueinander
An der Graffiti-Szene in Karlsruhe findet Baske so besonders, dass die Harmonie gut stimmt und der Zusammenhalt groß ist. "Das funktioniert bei uns sehr gut untereinander." Es gäbe einige fitte Künstler in der Stadt, die bereits viel Erfahrung gesammelt haben.
Dazu gehören zum Beispiel Wuam, Dome, Moter, Emesa, "Ceon", Rene Sulzer und einige mehr. Jeder von ihnen hat eine andere Prägung und bringt so die Vielfalt in die Karlsruher Szene. Die Förderung der eigenen Leute vor Ort sei ihm wichtig, damit die nächsten Schritte gegangen werden können. "Unsere Infrastruktur fruchtet bereits gut, muss allerdings auch gepflegt und ausgebaut werden", sagt Baske.

Engere Vernetzung von Stadt und Szene
Sein Wunsch an die Stadt und andere Partner ist es daher, dass die lokalen Künstler selbst stärker miteinbezogen werden. Ebenso wünscht er sich einen stetigen Austausch zwischen allen Beteiligten. Hierzu gab es in der Vergangenheit schon einmal einen Arbeitskreis, der sich gemeinsam um die Anliegen gekümmert hat.
Seine Forderung wären gemischte Vertreter, speziell für zum Beispiel kurzfristige Graffiti-Projekte. "Derzeit wird so etwas vom Kulturausschuss im Allgemeinen behandelt, doch die Verantwortlichen haben keinen guten Einblick in die Szene und schauen von außerhalb auf sie, was zu abstraktem, projiziertem und teilweise nur oberflächlichem Wissen führt", findet der Künstler und ergänzt: "Es sollten stattdessen die Leute involviert sein, die selbst im Thema drin sind und das nötige Know-how haben."
Darüber hinaus brauche die Szene auch die Erfahrung und Unterstützung von Stadt und Partnern. "Einen Austausch auf Augenhöhe".

"In der Karlsruher Graffiti-Szene ist schon sehr viel passiert und auch viel geplant, die Strukturen sind aber auch sehr komplex und für Außenstehende nicht immer sichtbar. Es ist eben auch eine emotionale Szene", meint Baske. Kultur und Soziales würde seiner Meinung nach bisher zu sehr getrennt werden: "Das gehört aber zusammen!"
Graffiti hätte zwar eine junge Erscheinung und gehöre vielleicht nicht zu den Hochkulturen, trotzdem ist sie eine relevante Darstellungsform, die sich ihr Anrecht erkämpft hat. Baskes abschließendes Statement ist: "Wir verdienen den Raum, Platz und Mittel für mehr Anerkennung!"

Möglichkeiten sollen gefördert werden
Doch das Thema Graffiti ist sehr vielfältig und hat leider auch eine Schattenseite: Unerlaubte Malereien sind keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat, die unter Sachbeschädigung fällt. "Genau deshalb sollten die erlaubten Möglichkeiten umso mehr gefördert werden", findet Pauline Gosselin.
Sie ist Meister-Absolventin der staatlichen Akademie für Bildende Künste in Karlsruhe und hat mit 13 Jahren ihre erste Sprühdose in der Hand gehabt. Seitdem fasziniert sie diese Form der Kunst.

"Zum Graffiti machen hat mich meine Kreativität getrieben, allerdings war es für mich auch eine Flucht aus der Pubertät, eine Beschäftigung und auch so etwas wie Rebellion", erklärt Pauline. Mit ihrer Kunst hat sie vor allem einen Weg gefunden, an andere zu appellieren und zu der Öffentlichkeit zu sprechen.
"Mehr als Schmiererei"
Ihrer Meinung nach sei das Thema leider viel zu negativ bei den Bürgern behaftet. Es mache dabei doch so einen großen Unterschied, ob man nun eine Hauswand vollschmiert oder die Kreativität der Maler nicht nur für ihre persönliche Entwicklung, sondern auch mit Blick auf das Stadtbild unterstützt.
"Das alles ist so viel mehr als einfach nur Schmiererei. Wir können mit Graffiti einen riesigen, vielfältigen Begriff zusammenfassen, der so viele Darstellungsformen mit einschließt und sich auch stetig verändert."

Außerdem stecke hinter den Malereien, wie Baske uns im Gespräch schon erklärte, eine Community von Gleichgesinnten, in der Menschen Zuflucht suchen und sich verwirklichen können.
Einen Künstlernamen, eigene Farben und der persönliche Style: Dadurch würden sich viele durch ihren eigens erstellten Alter Ego ein Gehör in der Anonymität schaffen und sich künstlerisch ausleben und weiterentwickeln. Dass dies stärker von der Stadt aufgefasst und umgesetzt werden soll, sei sehr wichtig.
Paulines Idee: Bunte Stromkästen und Blumenkübel für die Stadt
Pauline würde sich für ihre Heimatstadt Karlsruhe daher wünschen, mehr aus dem Thema zu machen. Neue Flächen würden nämlich automatisch auch weniger illegale Aktionen bedeuten.
Außerdem hat sie eine Idee: "Ich würde es begrüßen, wenn man aus Objekten wie den Stromkästen oder Blumenkübeln in der Stadt etwas gestalten könnte." Dafür seien zum Beispiel Verschönerungen durch Anmal-Aktionen für Kinder und Eltern denkbar.

Auch wenn sie weiß, dass das schlechte Image nur schwer wegzuwaschen ist, zeigt sie sich gegenüber der Stadt in dem Thema als kompromissinteressiert. "Denn im Moment ist unser öffentlicher Raum eingeschränkt, obwohl dieser für eine solche Kunstform essenziell ist."
Hoffnungsvoll meint sie: "Wenn wir im Stadtbild sichtbarer gemacht werden, wird sich das auch positiv auf die Toleranz uns gegenüber auswirken."
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