Der Mann hat Charisma, kein Zweifel, Raiser ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Und überaus versiert dazu, wie er mit einem kleinen, improvisierten Intermezzo an der Orgel auch gleich unter Beweis stellt. Der Mann ist weit gereist und viel beschäftigt – welche Station hat ihn denn am meisten beeindruckt, bewegt?
"Schön, dass man viel herumkommt"
Raiser führt aus: "Das Schöne an dem Beruf ist, dass man viel herumkommt, Kollegen, Instrumente, Kirchenräume kennenlernt, aber dabei doch eine feste Homebase hat."

Es sei schwer zu sagen, so der Organist, was einen da am meisten beeindruckt. "Mal ist es die Kathedrale von Sevilla, mal die Walcker-Orgel im Dom zu Riga und mal ist es meine tolle Orgelsituation hier in Karlsruhe mit drei wunderbaren Orgeln in zwei besonderen Kirchenräumen!"
Raiser lebt ja schon seit geraumer Zeit in der Fächerstadt, welche Karlsruher Kultur-Einrichtungen schätzt er denn? Und warum? Die kulturelle Vielfalt hier in Karlsruhe sei großartig, zeigt sich Raiser begeistert, das sei nicht immer so gewesen.
"Als ich vor 26 Jahren hier angefangen habe, war das kulturelle Leben lange nicht so vielfältig, so der begnadete Musiker, wenn ich an das Staatstheater, das Landesmuseum, die Kunsthalle oder das ZKM denke, ist dies alles auf einem fantastischen Niveau und für die Größe der Stadt unglaublich!“
"Kooperationen mit dem ZKM besonders spannend"
Der 59-Jährige hat ja bereits viele Kooperationen mit anderen (Karlsruher) Institutionen unternommen, welche waren denn die aufregendsten?

Raiser erzählt: "Besonders spannend fand ich immer die Kooperationen mit dem ZKM, denn das war immer ein gemeinsamer, sich entwickelnder Prozess, mit Ludger Brümmer ein Projekt zu erarbeiten und bis zur Aufführung so zu feilen, dass eine gelungene Aufführung daraus werden konnte." Aber natürlich seien auch die Kooperationen mit den Händelfestspielen/Staatstheater und ZeitGenuss unglaublich bereichernd gewesen.
Raiser war ja schon immer ein kreativer Geist, Organist/Komponist - war das schon immer sein Leben? "Als kreativer Mensch ist man getrieben von dem Wunsch, Dinge zu verändern, zu verbessern, neu zu gestalten Visionen verwirklichen." Das habe bei ihm dazu geführt, dass er bereits als Schüler vieles musikalisch ausprobiert habe.
"Komponieren kommt leider immer zu kurz"
"In Karlsruhe hat es im Laufe der Jahre dazu geführt, dass ich neue Ensembles wie CoroPiccolo Karlsruhe, Cantus Juvenum und das Karlsruher Barockorchester ins Leben rufen konnte, aber auch neue Orgeln für die Stadtkirche und die Kleine Kirche planen konnte. Neue Konzertreihen, die entstanden sind, nicht zu vergessen. Das Komponieren kommt dabei leider immer zu kurz", bedauert Raiser ein wenig.

Der Weitgereiste weiß, was das Spezielle/Besondere an Kirchenmusik ist: "Das Besondere und auch das besonders Schöne an der Kirchenmusik ist, dass man den Menschen etwas mitgeben kann. Nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich. Wenn man dann am Ende einer Veranstaltung spürt, dass die Menschen ergriffen sind, dann ist das ein sehr schönes und auch befriedigendes Gefühl", freut sich Raiser.
Corona war "anstrengend und ermüdend"
Was man natürlich fragen muss: Wie erlebt ihr die Coronazeit? "Diese war und ist eine besondere Herausforderung! Das ist anstrengend und ermüdend!" Immer zu überlegen, was ist der Situation angemessen, was erlaubt die Verordnung, was ist möglich und verantwortbar. "Großartig ist, dass wir selbst in Lockdown-Zeiten immer etwas anbieten konnten. Die Chöre haben mitgezogen und nicht aufgegeben!" Die Besucher*innen hätten das mit Dankbarkeit angenommen!

Abschließend: Warum ist Jazz eine solche Leidenschaft, Herr Raiser? "Ich bin sicher kein besonders begnadeter Jazzer, aber meine heimliche Passion ist das schon. Daher habe ich mit Peter Lehel und Klaus Nagorni zusammen die Reihe 'Blue Church. Jazz und Texte' gegründet. Ungefähr fünf Veranstaltungen pro Jahr sind geplant mit unterschiedlichen Ensembles.
"Vielfalt ist mein Credo für die Stadtkirche"
Das Besondere daran ist, dass Musik und Wort in Beziehung gebracht werden. Die ersten Konzerte waren ein großer Erfolg in Kooperation mit der Hemingway-Lounge. Vielfalt ist mein Credo für die Stadtkirche am Marktplatz: Die 'Musik im Herzen der Stadt' soll für möglichst viele Menschen da sein - nicht nur für die Orgelfreaks oder die Oratorien-Fans. Eben eine offene Stadtkirche im Herzen der Stadt!"
Geboren 1962 in Eschental/Hohenlohekreis
Während des Studiums ab 1986 als Kantor und Organist an der Evangelischen Stadtkirche in Renningen tätig. Das Studium schloss Raiser mit dem A-Examen ab und erhielt ein Stipendium der Graduiertenförderung des Landes Baden-Württemberg
Von 1990 bis 1992 hatte Raiser einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik Trossingen inne
Von 1995 bis 2000 war Raiser als Lehrbeauftragter für Orgelliteratur und Improvisation an der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg tätig
Seit 1996 Organist und Kantor an der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe
1997 initiierte Raiser die Gründung des auf Historische Aufführungspraxis spezialisierten Karlsruher Barockorchesters
2007 wurde Raiser zum Kirchenmusikdirektor ernannt
Raiser ist zudem Künstlerischer Leiter von Konzertreihen an der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe
Als Organist konzertiert Christian-Markus Raiser nicht nur an den beiden Orgeln der Stadtkirche, er ist darüber hinaus weltweit als Konzertorganist tätig
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