Was in anderen Teilen der Welt als Delikatesse gilt, stößt hierzulande oft auf Skepsis: Insekten werden in der EU immer häufiger als Lebensmittel zugelassen. Laut Website der Europäischen Kommission erhielt jüngst der Getreideschimmelkäfer, auch Buffalowurm (Alphitobius diaperinus) genannt, die Zulassung als neuartiges Lebensmittel. Er darf in gefrorener, pastenartiger, getrockneter oder pulverisierter Form in verschiedenen Produkten verarbeitet werden. Doch trotz dieser Freigabe bleibt die Nachfrage gering, und der Markt wächst nur langsam.
Warum überhaupt Insekten essen?
Insekten sind eine gute Quelle für Eiweiß, Omega-3-Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe, heißt es laut der Verbraucherzentrale. Der Proteingehalt sei oft vergleichbar oder sogar höher als bei Fleisch – gefriergetrocknete Mehlwürmer enthalten beispielsweise rund 50 Prozent Eiweiß. Zudem gelten Insekten als klimafreundlichere Alternative zu herkömmlichen tierischen Produkten, da ihre Zucht deutlich weniger Ressourcen benötigt, so Constanze Rubach von der Verbraucherzentrale Niedersachsen gegenüber der dpa.
Doch trotz dieser potenziellen Vorteile sind Insektenprodukte nicht immer so gesund, wie es auf den ersten Blick scheint. Ein Marktcheck der Verbraucherzentralen aus dem Jahr 2020 ergab, dass viele dieser Produkte erhebliche Mengen an Zusatzstoffen, Zucker und Salz enthalten.
Wie verbreitet sind Insekten in Lebensmitteln inzwischen?
Genau lässt sich das nicht sagen. Laut dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels gibt es keine detaillierten Marktinformationen darüber, wie viele Lebensmittel mit Insektenbestandteilen aktuell in Deutschland verkauft werden. Auf dpa-Anfrage bestätigten große Handelsketten wie Rewe, Edeka, Kaufland, Aldi, Lidl, Penny und Netto, dass sie in ihren Eigenmarken derzeit keine Produkte mit Insektenbestandteilen anbieten.
Dennoch nimmt die Produktion von Insektenlebensmitteln zu: Laut der International Platform of Insects for Food and Feed (IPIFF) lag die Gesamtproduktion von Insekten für den menschlichen Verzehr in der EU 2023 bei rund 800 Tonnen. Für das Jahr 2024 wird eine Steigerung auf 2.755 Tonnen erwartet. Zum Vergleich: Laut Eurostat betrug die Fleischerzeugung in der EU im Jahr 2023 20,6 Millionen Tonnen Schweinefleisch und 13,3 Millionen Tonnen Geflügelfleisch – damit bleibt die Produktion von Insektenprodukten verschwindend gering.
Welche Insektenprodukte gibt es überhaupt?
- Snacks: Ganze Insekten (pur oder gewürzt)
- Riegel: Eiweißriegel mit Insektenmehl
- Teigwaren: Nudeln oder Spätzle mit Insektenanteil
- Müslis & Schokolade: Produkte mit kleinen Insektenstücken
Laut Lebensmittelverband Deutschland können Insekten zudem in Brot, Nudeln, Fleischersatzprodukten, Keksen, Soßen, Kartoffelerzeugnissen, Pizzen, Molkenpulver oder Schokolade enthalten sein.
Welche neuen Insektenprodukte hat die EU zugelassen?
Die Europäische Kommission hat kürzlich die Verwendung von UV-behandeltem Pulver aus den Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor) als neuartiges Lebensmittel genehmigt. Damit darf das Pulver nun in verschiedenen Produkten wie Brot, Gebäck, Teigwaren, Käseprodukten sowie Obst- und Gemüsekompotten verarbeitet werden, wie aus einer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt hervorgeht.
Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) werden derzeit weitere Anträge für die Zulassung von Insekten in unterschiedlichen Verarbeitungsformen geprüft. Die UV-Behandlung des Mehlkäferpulvers erhöht den Vitamin-D-Gehalt und soll das Produkt als zusätzliche Vitamin-D-Quelle nutzbar machen.
Trotz dieser Entwicklungen bleibt die Akzeptanz von Insekten als Lebensmittel in der europäischen Bevölkerung gering. Das ZDF berichtet, dass insbesondere ältere Verbraucherinnen und Verbraucher skeptisch gegenüber Produkten mit Insektenbestandteilen sind.
Welche Risiken gibt es beim Verzehr von Insekten?
Laut Rechtsinformationssystem der Europäischen Union (EUR-Lex) können Insekten bei Menschen mit Krustentier- oder Hausstaubmilbenallergie allergische Reaktionen auslösen. Aber keine Sorge: Bevor neuartige Lebensmittel zugelassen werden, durchlaufen sie eine strenge Sicherheitsbewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).
In der Zutatenliste muss laut dpa klar angegeben sein, wenn ein Produkt Insekten enthält – sowohl mit der lateinischen Bezeichnung als auch mit dem geläufigen Namen. Diese Vorschrift gilt für verpackte Lebensmittel aus Supermärkten ebenso wie für Produkte von Bäckereien.
Wie stehen die Deutschen zu Insekten als Lebensmittel?
Während Promis im Dschungelcamp regelmäßig Insekten verspeisen müssen, ist die Hemmschwelle für viele Deutsche im Alltag deutlich höher. Laut einer aktuellen YouGov-Umfrage im Auftrag der dpa haben 83 Prozent der Deutschen bisher keine Insekten gegessen. Acht Prozent der Befragten gaben an, bereits bewusst Insekten verzehrt zu haben, und 18 Prozent wären bereit, sie zu probieren. Die Hauptgründe für die Ablehnung sind laut dpa:
- Ekel (62 Prozent)
- Kulturelle Gewohnheiten (24 Prozent)
- Unsicherheit über unbekannte Inhaltsstoffe (22 Prozent)
Allerdings gaben 14 Prozent der Befragten an, dass sie grundsätzlich keine Einwände gegen den Verzehr von Insekten hätten.
Wächst der Markt für Insektenlebensmittel?
Laut dem Lebensmittelverband Deutschland gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass der Markt für Lebensmittel mit Insektenanteil wächst. Einer der Hauptgründe sei der hohe Preis:
- Insektenmehl ist teurer als Weizenmehl, wodurch Produkte mit Insektenbestandteilen im Vergleich zu herkömmlichen Alternativen deutlich teurer sind.
- Die Insektenzucht ist nach wie vor eine Nische, sodass die Produktionskapazitäten begrenzt sind.
Auch Verbraucherschützerin Constanze Rubach bestätigt gegenüber der dpa, dass sich Insektenlebensmittel weiterhin nur schwer am Markt etablieren. Für die meisten bleiben Mehlwürmer, Heuschrecken & Co. eben immer noch eine kulinarische Mutprobe.
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