Die Energiewende stellt auch die Industrie vor große Herausforderungen. Im Zuge des Atomausstiegs fallen mit den Kernkraftwerken künftig große Energieerzeuger weg. Doch auf die Erneuerbaren Energien ist auch nicht immer Verlass. Denn wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind geht, dann gibt's auch keinen Strom. Die Miro setzt daher auf Gas. Genauer gesagt auf ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GUD).
900 Millionen Euro für das neue Kraftwerk
Am Montag präsentierten die Karlsruher Raffinerie und das Aachener Stadtwerke-Netzwerk Trianel ihre Pläne für ein neues "GUD-Kraftwerk Oberrhein" auf dem Miro-Werksgelände. Das GUD soll künftig die Energieversorgung der Miro-Raffinerie sicherstellen. Zugleich könne das Kraftwerk nach Ansicht der Planer einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Südwest-Deutschland nach dem Atomausstieg leisten. Das GUD hat eine Gesamtleistung von bis zu 1.200 Megawatt - zum Vergleich: Block 2 des AKW Philippsburg schafft etwa 1.400 Megawatt Kraftwerksleistung und wird 2019 abgeschaltet. Die Ingenieure rechnen mit einer Investitionssumme für das neue Kraftwerk von rund 900 Millionen Euro.
Die Idee für das "GUD-Kraftwerk Oberrhein" wurde vom Aachener Stadtwerke-Netzwerk Trianel, die einen solchen Kraftwerktyp schon im hessischen Hamm betreiben, und der Miro gemeinsam entwickelt. Bereits seit einem Jahr prüfen die beiden Partner den Standort auf dem Miro-Gelände am Rhein. Jetzt sind die Pläne öffentlich. "Wir wollen so früh wie möglich alle Beteiligten an Bord holen und das geplante Vorhaben ausführlich erörtern", so Hans-Gerd Löhr, Sprecher der Geschäftsführung der Miro, am Montag. Der offene Dialog mit allen Beteiligten sei ein Hauptaugenmerk der beiden Projektpartner.
GUD soll effizient Wärme und Strom produzieren
Das GUD soll Ressourcen einsparen, klimaschonende Energieerzeugung ermöglichen und zum Teil die durch den Atomausstieg wegfallenenden Energieerzeuger ausgleichen. Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung bei Trianel, vergleicht den Vorteil der GUD-Kraftwerksleistung gegenüber konventionellen Kraftwerken mit einem Auto, das meist in der Garage steht. "Holen Sie das Auto nur selten aus der Garage und beschleunigen es in kurzer Zeit auf 100 Stundenkilometer, dann dauert das länger und strapaziert die Technik stärker, als wenn Sie das mit einem Auto machen, das die ganze Zeit mit 30 Stundenkilometer um den Block fährt", so Becker. Der Vorteil des neuen Kraftwerks: Es läuft permanent und kann je nach Bedarf schnell hoch- und wieder runtergefahren werde. "Das ist kostengünstiger und schont die Anlagen und Ressourcen", so Becker.
Der oberrheinische Standort ermögliche durch den ganzjährig hohen Wärmebedarf der Raffinerie eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bei einer gleichzeitig hohen Flexibilität in der Stromerzeugung, so Miro-Chef Löhr. Denn neben der Wärme - Miro benötigt für die Produktion Wärme in Form von Dampf - sei beim GDU jederzeit zusätzliche Stromerzeugung möglich. Miro wird etwa 20 Prozent der dort erzeugten Energie abzapfen, die übrige Energie könnte ins Stromnetz eingespeist werden. Daher sind Miro und Trianel auf der Suche nach weiteren Partnern aus der Energiewirtschaft für das Projekt. Mit dem Karlsruher Energiekonzern EnBW sei man bereits in Gesprächen - die EnBW könnte nach Ansicht der Planer beispielsweise einen der beiden geplanten Blöcke betreiben. Auch mit den Stadtwerken Karlsruhe wolle man unverzüglich Gespräche aufnehmen, so Löhr.
"Wir sind in intensiven und offenen Gespräche in produktiver Atmosphäre", bestätigt eine EnBW-Sprecherin auf ka-news-Anfrage. Der Energiekonzern sei von den Planungen frühzeitig informiert worden. Nun werde das Unternehmen zeitnah prüfen, ob und in welcher Art eine Kooperation zustande kommen könnte, so die Sprecherin. Erst am Freitag teilte der Energieversorger mit, an den Standorten Marbach und Walheim vier konventionelle Kraftwerksblöcke dauerhaft abzuschalten. Wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien stünden zahlreiche fossile Anlagen unter hohem wirtschaftlichem Druck, so EnBW.
Umweltschützer sehen Pläne positiv
Neben der hohen Flexibilität und Energieeffizienz sei ein weiterer Vorteil von Gaskraftwerken, dass deutlich weniger Kohlendioxid-, Staub- und Schwefelemissionen entstünden als bei der Kohleverbrennung, so Projektleiter Uwe Johänntgen von Trianel. Das sehen Umweltverbände auch so. "Energiepolitisch ist es die richtige Entscheidung, neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien flankierend auf moderne Gas- und Dampfkraftwerke zu setzen", kommentiert BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender die vorgestellten Kraftwerksplanungen von Trianel und Miro in Karlsruhe. Hocheffiziente Gas- und Dampfkraftwerke könnten die fluktuierenden Erneuerbaren Energien ergänzen und damit die Versorgungssicherheit stabilisieren. Gleichzeitig betrage der Kohlendioxid-Ausstoß eines GUD-Kraftwerks nur etwa die Hälfte im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk.
Auch die Karlsruher Grünen im Gemeinderat stehen dem angestrebten Bau eines Gas- und Dampfkraftwerks im Rheinhafen grundsätzlich offen gegenüber. Eine fundierte Einschätzung des Vorhabens sei aber erst möglich, wenn detaillierte Planungsunterlagen und auch Informationen zu den erwarteten Emissionswerten vorlägen. "Gas- und Dampfkraftwerke lassen sich sehr flexibel steuern und sind besonders zur Deckung von Versorgungslücken eine wichtige Ergänzung zu den erneuerbaren Energien", so Alexander Geiger, energiepolitischer Sprecher der Fraktion. Auch der Karlsruher Landtagsabgeordnete Johannes Stober (SPD) sieht die Planungen für ein Gas- und Dampfkraftwerk als "ganz starkes Zeichen für die Energiewende".
Betrieb ab 2020 - wenn alles glatt geht
Doch bis zu einem möglichen Baubeginn wird es noch mehrere Jahre dauern: Im Schnitt nehmen die Planungen laut den Planern und die Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz über drei Jahre in Anspruch. Darüber hinaus müssten die energiepolitischen Rahmenbedingungen langfristig stabil sein. Sollte alles nach Plan laufen, könnte 2017 mit dem Bau begonnen werden. 2020 würde das Kraftwerk dann möglicherweise in Betrieb gehen.
Die Karlsruher Mineralölraffinerie Oberrhein (Miro) ist die einzige Raffinerie in Südwestdeutschland. Auf dem rund 460 Hektar großen Werksgelände am Rhein - die Fläche entspricht etwa der Karlsruher Innenstadt - arbeiten rund 1.000 Mitarbeiter. Nach Unternehmensangaben stammt jeder vierte verbrauchte Liter Ottokraftstoff in Deutschland von der Miro. Miro produzierte 2012 unter anderem rund 4,8 Millionen Tonnen Ottokraftstoffe, 4,2 Millionen Tonnen Dieselkraftstoff und 2,4 Millionen Tonnen leichtes Heizöl. Die Raffinerie wurde vor 50 Jahren in Betrieb genommen.
Siehe auch:
Kritik an Miro-Plänen: Angst vor mehr Stickoxiden durch neues Gaskraftwerk