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Der Giftschrank der Badenia

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Der Giftschrank der Badenia

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    Der Risikobericht für das Geschäftsjahr 2007, in dem die Mutter von der Tochter berichtet, klingt beruhigend. "In nahezu allen rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreitigkeiten konnte die Deutsche Bausparkasse Badenia bisher ihren Standpunkt durchsetzen (...), so dass Ansprüche jeweils zurückgewiesen wurden." Dass die AMB Generali Holding AG mit Sitz in Aachen für ihre 100-prozentige Tochter Badenia in Karlsruhe seit Jahren dennoch Ausfallbürgschaften von derzeit "maximal" 401 Millionen Euro übernehmen muss, hat etwas mit dem 11. Dezember 2001 zu tun. Seit jenem Dienstag kennt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ein vernichtendes Prüfgutachten über Deutschlands viertgrößte Bausparkasse.

    "Überhöhte Kaufpreise" und versteckte Zinssubventionen

    Demonstration in Oberreut im Jahr 2004 (Foto: ka-news)

    Es sollte im jahrelangen Streit um Tausende sogenannter Schrottimmobilien eine Wende bringen. Es ging in dem brisanten Papier um "überhöhte Kaufpreise", um versteckte Zinssubventionen, um später als "betrügerisch" eingestufte Mietpools mit vermeintlich hohen, aber subventionierten Mieteinnahmen, von denen die Käufer bei Vertragsabschluss keine Ahnung hatten. Dieses Gutachten der Wirtschaftsprüfer Deloitte & Touche kam erst viele Monate später an die Öffentlichkeit und damit erst spät zu den Anwälten sich geprellt fühlender Badenia-Kunden. Zuvor hatten Badenia-Gegner Jahr für Jahr Prozess um Prozess gegen die mächtige Bausparkasse verloren. Das waren jene "rechtskräftig abgeschlossenen" Verfahren, mit denen die AMB Generali bis heute ihre Aktionäre beruhigt.

    Tausende Schrottimmobilien aus Bestand der Neuen Heimat

    Hunderte von Badenia-Kunden saßen dagegen in einer Schuldenfalle aus exorbitant gestiegenen Zinsen, über die sie sich nicht aufgeklärt fühlten. Es war um Tausende jener Schrottimmobilien aus dem Bestand der früher gewerkschaftseigenen Neuen Heimat gegangen. Sie wurden von einem heute bankrotten und unter Betrugsverdacht stehenden Vertriebsunternehmen namens Heinen & Biege GmbH (HBG) aus Dortmund als Steuersparmodelle zur Altersvorsorge an Kleinanleger verkauft und von der Badenia mit Bausparverträgen finanziert.

    Pressekonferenz der Deutsche Bausparkasse Badenia 2003 (Foto: ka-news)

    Erst Jahre nach dem vernichtenden Prüfgutachten schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein. Sie filzte im Sommer 2004 die Konzernzentrale der Bausparkasse in Karlsruhe, beschlagnahmte Bankunterlagen und knackte jenes dubiose Vetriebsunternehmen HBG, mit dem ein Exvorstand der Badenia enger zusammen gearbeitet hatte, als der Bausparkasse heute lieb ist.

    Den Staatsanwälten - und im Wege der Akteneinsicht später auch Verbraucherschutzanwälten - fiel geheime Korrespondenz in die Hände, welche die Bausparkasse unter Druck setzte. Sie wollte nie mehr als "nur Kreditgeberin" gewesen sein, hatte sie erklärt. Von überhöhten Kaufpreisen und anderen dubiosen Tricks der Drückerkolonnen von HBG wollte sie nichts gewusst haben.

    "Wir müssen endlich auf den Pfad der Tugend kommen"

    Die Geheimpapiere, die in der Vorstandsetage der Bausparkasse einem Insider zufolge "im Giftschrank" lagerten, ließen zumindest einen anderen Schluss zu. Da notierte etwa der in den 90er Jahren verantwortliche und später geschasste Badenia-Finanzvorstand im Zusammenhang mit den Schrottimmobilien, wie seine "Sorgen täglich größer" wurden und dass "wir endlich auf den Pfad der Tugend kommen" müssten. Die Bausparkasse, die nur Kreditgeberin gewesen sein wollte, hatte sich mehr ins Verkaufsgeschäft eingemischt und sich die später unter Betrugsverdacht geratene Vertriebsfirma Gutachtern zufolge "als Strohmann" gehalten.

    Mit diesen Erkenntnissen begannen die ersten Zivilgerichte 2004 nach quälend langen Jahren für ruinierte Wohnungskäufer die Badenia mit Hinweisen auf "betrügerisches" Handeln zur Rückabwicklung ihrer umstrittenen Finanzierungen zu verurteilen. Gegen den Exfinanzvorstand wird seit vier Jahren wegen Betrugsverdachts ermittelt. Verantwortliche des Dortmunder Vertriebsunternehmens sind seit Ende 2006 des Betrugs angeklagt. Ein Gerichtstermin steht noch aus. Je mehr brisante Einzelheiten bekannt wurden, umso mehr war die Bausparkasse mit ihrem nach Bekanntwerden des Skandals seit 2002 neu amtierenden Vorstandsvorsitzenden Dietrich Schroeder zu "großzügigen" Vergleichen bereit. Der Bundesgerichtshof hatte 2006 zwar noch ein Urteil des Karlsruher Oberlandesgerichts (ka-news berichtete) mit jenem Betrugshinweis aufgehoben - wegen Verfahrensfehlern. Das OLG hatte versäumt, den unter Betrugsverdacht stehenden Exvorstand als Zeugen zu hören. Gleichzeitig hatten die Bundesrichter aber die Beweislast umgekehrt.

    Nicht die geschädigten Käufer müssen seitdem beweisen, wie sehr die Badenia die umstrittenen Verkaufsgeschäfte gesteuert hatte, sondern die Bausparkasse muss das Gegenteil belegen. Dieser Gegenbeweis, so vermuteten die Bundesrichter des Bankensenats in Karlsruhe, dürfte der Badenia in diesem "Wirtschaftskrimi" schwerfallen.

    Mehr als 300 Schadenersatzverfahren beim Oberlandesgericht

    Der Einzelfall, über den der BGH seinerzeit geurteilt hatte, war damit erledigt. Denn die Bausparkasse ließ es zu der von den Bundesrichtern geforderten Neuauflage des Schadenersatzprozesses gar nicht mehr kommen und erkannte den Schadenersatzanspruch einer Wohnungskäuferin an. Es hatte sich um eine Polizeibeamtin gehandelt, die für 45.000 Euro eine jener Schrottimmobilien gekauft hatte und deren Rechtsanwalt erstmals einen Durchbruch erzielt hatte. Die Bausparkasse zahlte. Mehr als 300 Schadenersatzverfahren liegen jetzt noch beim Oberlandesgericht Karlsruhe. Vier davon haben sich die Zivilrichter für die ersten ab Dienstag beginnenden Verhandlungstermine herausgepickt. In erster Instanz hatte das Landgericht Karlsruhe in diesen Fällen noch zugunsten der Badenia entschieden. Die Urteile stammen aus den Jahren 2000 bis 2002 - bevor der Giftschrank entdeckt worden war.

    [Meinrad Heck ist Karlsruhe-Korrespondent der "Stuttgarter Zeitung". Der Beitrag erschien dort am Montag, 16. Juni. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.]

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