Karlsruhe "Mehr Biergärten für Karlsruhe!": So wird sich die Innenstadt durch Corona verändern
Die globale Corona-Pandemie hat verheerende Folgen für die Wirtschaft. Der Lockdown hat viele Geschäfte und Restaurants dazu gezwungen, wochenlang zu schließen - auch in Karlsruhe. Und auf eine zweite Welle bereitet man sich gerade vor. KIT-Wirtschaftswissenschaftlerin Nora Szech sieht das Internet als besten Weg, den Einzelhandel zu verändern - und damit auch das Konzept der Shopping-Innenstadt.
Wir denken einige Monate zurück, in die Hochphase der Quarantäne. Die Devise hieß daheimbleiben, so wenig Kontakt mit anderen Menschen wie irgendwie möglich. Keine gute Lebensgrundlage für den Einzelhandel und die Restaurantbranche: Laut einer Studie des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga sind fast ein Drittel deutscher Restaurants von der Pandemie in die Schließung gezwungen worden.
"Das Konsumverhalten ändert sich ganz drastisch"
Auch der Einzelhandel bricht ein. So musste der Galeria/Karstadt-Konzern von seinen 170 Kaufhäusern fast die Hälfte schließen - die verbleibenden 90 mussten ein Zehntel ihrer Belegschaft entlassen. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Umsatz des Einzelhandels in Deutschland von Februar auf März um fast vier Prozent eingebrochen.
"Das Konsumverhalten der Menschen ändert sich ganz drastisch", sagt Nora Szech, Inhaberin des Lehrstuhls für politische Wirtschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), im Gespräch mit ka-news.de. "Viele kochen zuhause, gehen weniger ins Restaurant. Die Menschen, die vorher noch nie Online-Banking betrieben haben, haben jetzt ein Konto."

Von März auf April brach der Umsatz des Einzelhandels sogar um sechs Prozent ein, bei Gebrauchsgütern sank der Umsatz um fast 50 Prozent. Hierzu zählen der Handel mit Haushaltsartikeln und Elektronik. Der Grund: Diese Dinge werden aufgrund der Corona-Krise nun verstärkt online gekauft. Hier sieht die KIT-Professorin einen Trend.
"Ein Hoch auf das Internet" - KIT-Expertin prognostiziert den Wandel der Innenstadt
"Ein Hoch auf das Internet. Es macht viele Dinge viel leichter", sagt sie. Viele Dinge werden durch das Internet sicherer, schneller und bequemer - das kommt den Bürgern in der Pandemie nun besonders zugute.

Beispielsweise können simple Einkäufe online erledigt und direkt vor die eigene Haustür geliefert werden. Toilettenpapier, Mehrfachsteckdose, Badteppich - Dinge, die so trivial sind, dass sie keinen Besuch im Laden erfordern. Das würde laut Szech Platz in der Innenstadt für die Läden und Dienstleister machen, die das Internet nicht einfach ersetzen kann - etwa Modehäuser.
So ist es einfacher, in ein Kaufhaus zu gehen und das perfekte Kleid auszusuchen, den Stoff zu fühlen und die richtige Größe gleich mitzunehmen, als über Wochen Kleidung zu bestellen und zurückzusenden. Ebenfalls würden Lebensmittelläden und Dienstleister wie Friseure einen höheren Stellenwert erhalten.
Die neue Karlsruher City - eine "Erlebnis-Innenstadt"?
Die KIT-Professorin bezeichnet diese neue Internet-unterstützte Form des Stadtzentrums als sogenannte Erlebnis-Innenstadt. Der Gedanke dahinter: Der Gang in die Stadtmitte soll nicht nur zweckmäßig zur Warenbeschaffung sein, sondern soll zum Shopping-Event werden. "Buchläden und Musikläden sind da wichtig. Mit guter Beratung wird da gepunktet", erklärt Szech.

Auch die Form der Gastronomie wird sich ihrer Ansicht nach verändern: "Ein Außenbereich schützt zumindest die Restaurants davor, komplett zu schließen", meint Nora Szech und ergänzt lachend: "Also, mehr Biergärten in Karlsruhe!" Der Grund: An der frischen Luft muss bislang noch keine Maske getragen werden, da die Infektionschance draußen erheblich geringer ist. Gut möglich also, dass sich das Karlsruher Stadtbild verändert - hin zu mehr Außenterrassen, Biergärten und Straßencafés.
Keine Abwanderung ins Grüne erkennbar
Momentan ist diese Erlebnis-Innenstadt jedoch noch in weiter Ferne. Geht man durch die City, merkt man: Auch hier hat die Corona-Krise ihre Spuren hinterlassen. Auf der Kaiserstraße haben einige Läden schon dicht gemacht: Ein Gaming-Geschäft existiert dort nicht mehr, ebenso hat ein Schuhgeschäft seine Türen für immer geschlossen.

dm-Geschäftsführer Christoph Werner meint hier unter anderem eine Abwanderung vieler Geschäfte in die Vorstädte und ins Grüne zu erkennen. Besonders Lebensmittelgeschäfte würden diesem Trend folgen. Das glaubt KIT-Professorin Nora Szech allerdings nicht. "Die Karlsruher Vororte sind bereits gut ausgestattet und in der Innenstadt existiert bereits die Infrastruktur - aus der City wegzuziehen, wäre daher kontraproduktiv", meint sie gegenüber ka-news.de.
Erholung der Wirtschaft wird noch auf sich warten lassen
Dass es hier und da Leerstände gebe, damit muss man sich wohl bis auf Weiteres arrangieren, denn: Laut Szech wird die Wirtschaft keinesfalls schnell zu Dimensionen vor Corona zurückkehren. Auch hätten sich seltsame Muster abgezeichnet, die eigentlich wenig Sinn ergeben: "Die Mietpreise hätten schon längst zurückgehen müssen, das haben sie aber bislang noch nicht gemacht."

Das zeigt: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie für die Wirtschaft sind noch immer unberechenbar. Nora Szech setzt daher auf Realismus und Vorsicht: "Es wird um die zehn Jahre dauern, bis sich die Wirtschaft erholt hat - und dann wird sich auch einiges geändert haben."
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21.07.2020 18:40 Uhr
21.07.2020 14:52 Uhr
20.07.2020 14:31 Uhr
Bei elektronischen Artikel bestelle ich aber online weil die Geschäfte nicht das bieten können wie der
Online Handel.
Ein kleines Beispiel:
Letzte Woche war ich im Saturn,anschließend im Media Markt und dann bei Karstadt.
Gesucht habe ich eine Kaffeemaschine mit abnehmbaren Wassertank,Zeitschaltuhr,Entkalkungsprogramm und Edelstahlkanne.Ist nirgends zu bekommen.
Aber auch bei anderen Elektronikteilen ist es oft so,daß es nicht auf Lager ist.
Dann heißt es schlichtweg,müssen wir bestellen.Können sie in drei Tagen abholen.
Wenn der Einzelhandel so unflexibel ist braucht man sich auch nicht zu wundern wenn die Kundschaft wegbleibt.
Auf Amazon gibt es das Angebot.
20.07.2020 15:47 Uhr
Das hat nichts mit (Un-)Flexibilität zu tun, sondern was mit der übertriebenen Anspruchshaltung der Kunden.
Und ob ich mir die Kaffeemaschine nach drei Tagen im Laden abhole oder nach drei Tagen von der Post, macht für mich keinen Unterschied.
20.07.2020 19:08 Uhr
Sicher sind viele Bewertungen online gekauft, oder vermeintliche Test darauf aufgelegt über affiliate Links zu verkaufen - das schöne ist aber ich kann Problemlos 10 Meinungen einholen anstatt nur die von einen Verkäufer und mit dem Gesamtbild fühl ich mich wohler.
Der Vorteil von Geschäften ist die Haptik und die möglichkeit anzuprobieren, Schuhe oder Hosen würde ich nicht online kaufen.
Dafür sind die Rückgabefristen Online meines Erachtens viel Wert, klar funktioniert das in dem meisten Läden auch aber nicht in jeden. Zudem ist es deutlich leichter mal 2-3 Läden und deren Produkte preise zu vergleichen.
20.07.2020 12:54 Uhr
20.07.2020 12:39 Uhr
D.h. die Zahl der Einwohner in KA wird drastisch sinken.
Und damit auch die Zahl der Grün-Wähler.
Wenn die Studenten weg sind, wird Karlsruhe wieder den Karlsruhern gehören.
Ich freu mich !!!
20.07.2020 21:04 Uhr
https://web5.karlsruhe.de/Stadtentwicklung/statistik/pdf/2020/2020-03-bevoelkerung.pdf
Die Anzahl der Bewohner ging tatsächlich leicht zurück.
Wenn die Chinesen Studenten waren, dann mag es stimmen, dass etliche Zimmer gekündigt wurden. (Seite 15 von 16)
Karlsruhe hat übrigens erstaunlich viele Einpersonenhaushalte und Ehepaare ohne Kinder.
20.07.2020 19:34 Uhr
Es ist bekannt, dass nach dem Studium am KIT die Absolventen Karlsruhe wieder verlassen, aber genau so viele kommen zum Studium wieder her.
Nachteule, jetzt bin ich im Zweifel, ich bin hier auch ein Migrant, eingewandert einst aus dem Hessischen, darf ich bleiben?
Gut, ich muss auch nicht unbedingt Grün wählen. 😊
20.07.2020 19:17 Uhr
Wohl eher eine Polemik aus reiner Akademikerfeindlichkeit (passt zur aktuellen Wissenschaftsfeindlichkeit)
"Karlsruhe den Karlsruhern, Deutschland den..."