Egal ob Familien, Studierende, Einkommensschwache - Wohnraum ist für alle (Neu-) Karlsruher Mangelware. Erst recht, wenn er bezahlbar bleiben soll. Dessen ist sich auch die Stadt Karlsruhe bewusst.
Nun hat die AG Wohnungsmarktbeobachtung einen neuen Bericht zur "Stadtentwicklungsstrategie 2035 – Wohnen und Bauen" veröffentlicht, welcher die Analyse des Karlsruher Wohnungsmarkts seit dem letzten 8. Sachstandsbericht "Wohnen und Bauen 2015" fortschreibt. Doch um was geht es dabei überhaupt?
Volkswohnung, Wohngeld und Wohnungslosigkeit - das ist die aktuelle Ausgangslage
Laut der neuen Stadtentwicklungsstrategie ist die Zahl der Bevölkerung mit Hauptwohnsitz in Karlsruhe seit 2010 von 282.000 Einwohnern auf rund 303.000 Personen gewachsen. Das entspricht einer Zunahme um 21.000 Personen beziehungsweise 7,4 Prozent. Hinzu kommt, dass in dem Beobachtungszeitraum zwischen 2010 und 2019 eine Abschwächung des jährlichen Bevölkerungswachstums zu beobachten war.

Insgesamt wohnen 64,4 Prozent der Karlsruher Haushalte zur Miete. Etwas mehr als ein Drittel (35,6 Prozent) wohnt im selbst genutzten Eigentum. Doch wie die Stadtentwicklungsstrategie hervorhebt seien in diesem Zeitraum beim Preisniveau von Kaufobjekten (sechs Prozent Steigerung) als auch bei Neuvertragsmieten (zirka vier Prozent Steigerung) seit 2012 immense Anstiege zu beobachten.
In diesem Zusammenhang muss außerdem berücksichtigt werden, dass vor allem das Interesse an "preisgedämpftem Wohnraum" wie der Volkswohnung in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Auch die Anzahl der betreuten Personen des Wohnungslosenhilfe-Systems hat sich erhöht.
Waren im Jahr 2011 noch 235 Personen obdachlos, so beläuft sich die aktuelle Anzahl auf knapp 600 Personen. 1,2 Prozent aller wohnungsnachfragenden Haushalte in Karlsruhe beziehen außerdem Wohngeld. Die Zahl der ausgestellten Wohnberechtigungsscheine lag zuletzt bei 1.226.

Die Anzahl der Geflüchteten aus der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Karlsruhe sind laut dem Schreiben jedoch nicht wohnungsnachfragerelevant ist und wurden darum bei den Analysen nicht berücksichtigt.
14.200 neue Wohnungen werden bis 2035 benötigt
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, strebt die Stadt das Szenario eines "langfristig moderat angespannten Wohnungsmarkts" an, wodurch der "Anstieg der Wohnkosten sowohl für Mieterhaushalte als auch für (zukünftige) Eigentümerhaushalte abgebremst, die Suchdauer der Haushalte für Miete und Kauf gesenkt sowie die Suburbanisierung – insbesondere durch Haushalte in der Wachstums- und Familiengründungsphase – abgemildert werden" sollen.

In diesem Kontext sollen bis 2035 10.300 neue Wohnungen im Stadtgebiet geschaffen werden. "Die Erreichung der gesteckten ehrgeizigen Ziele ist kein Selbstläufer. Ein 'weiter so wie bisher' wird nicht ausreichen, um die angestrebten Entlastungen auf dem Wohnungsmarkt – speziell für die besonders von Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung betroffene Nachfragegruppen – zu erreichen und nachhaltige sowie innovative Wohnlösungen und -projekte zu realisieren", heißt es in der neuen Stadtentwicklungsstrategie.
Allerdings rechnet die Stadt bis zum Jahr 2035 mit einem Bedarf von rund 14.200 zusätzlichen Wohnungen, damit ein "ausgeglichener Wohnungsmarkt" zustande käme.

Ein Defizit, dass mit rund 3.900 Wohnungen in den umliegenden Gemeinden ausgeglichen werden soll. Von den neu gebauten Wohnungen soll durch den Neubau von Sozialmietwohnungen und den Ankauf von Belegungsrechten der derzeitige (2020) Bestand an Sozialmietwohnungen in Karlsruhe von 3.750 bis 2035 um 15 Prozent auf 4.300 anwachsen.
Doch auch die Nachhaltigkeit spielt in dieser Strategie eine besondere Rolle. So sollen bis 2035 rund 2.800 Wohnungen energetisch saniert werden. Doch wohin soll neuer Wohnraum überhaupt - in dem bereits stark nachverdichteten Karlsruhe?
Nordstadt und Neureut im Fokus für neue Wohnungen
Tatsächlich findet sich in der Strategie ein sogenannter "Flächennutzungsplan 2030", der in Karlsruhe und Umgebung mögliche Wohn und Gewerbeflächen ausweist. Dabei zeigt sich: Die Entwicklungsschwerpunkte sollen in Neureut und in der Karlsruhe Nordstadt angesiedelt werden.
Des Weiteren soll Wohnraum durch Nahverdichtungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Ebenso soll die Nutzung von bereits vorhandenen Wohngebieten, wie zum Beispiel durch die Umwandlung von gewerblichen Flächen in Wohnraum und ein Gesetz gegen Zweckentfremdung von Wohnraum in den Fokus rücken. Ob und inwieweit dieses Vorhaben stattfinden wird, obliegt jedoch dem Regierungspräsidium Karlsruhe

"Die Ergebnisse sind alarmierend"
Zwar wurde jener Stadtentwicklungsstrategie mehrheitlich durch den Gemeinderat zugestimmt, dennoch sorgte die Beschlussvorlage am vergangenen Dienstag für einige Diskussionen. So zeigte sich der CDU-Stadtrat Tilmann Pfannkuch "ein wenig enttäuscht" über den Analysenteil des Berichts.

"Wir brauchen mehr Wohnraum und reden wieder um den heißen Brei rum. Da hätte die Stadt viel mehr draus machen müssen", so Pfannkuch am Dienstag, womit er auf das nicht erreichte "Soll" der gebrauchten 14.200 Wohnungen anspielt. Die Ergebnisse seien "alarmierend" so die CDU.
Auch die FDP stimmt ihrem Vorredner zu. So sagt Stadtrat Tom Høyem: "Über Innenentwicklung zu sprechen reicht nicht. Immer höhere Standards bei bezahlbaren Wohnungen sind nicht machbar."
"Wie groß soll Karlsruhe noch werden?"
Ebenso ein Diskussionspunkt: Die Entsiegelung und Versiegelung von Wohnflächen, welche mit dem Zuwachs der Bevölkerung einhergehen würde: "'Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten' - dieser Spruch ist bekannt. Aber die Wahrheit ist doch: Wenn wir immer mehr günstigen Wohnraum schaffen wollen, aber nicht versiegeln und verdichten wollen, dann müssten wir angesichts des Bevölkerungszuwachses um Karlsruhe eine solche 'Mauer' bauen", kritisiert der Freie Wähler/Für Karlsruhe-Stadtrat Jürgen Wenzel.

Dies befürchtet auch die Fraktion KAL/Die Partei. Fraktionsvorsitzender Lüppo Cramer erklärt: "Hierzu hat unsere Fraktion die Prämisse: Dort, wo versiegelt ist, kann nachverdichtet werden. Dort, wo nicht versiegelt ist, nicht. Aber ich stelle auch die Frage in den Raum: Wie stark soll und muss Karlsruhe überhaupt noch wachsen? Das heißt nicht, dass es eine Mauer geben wird, aber wir müssen uns dennoch fragen: Wie groß soll Karlsruhe eigentlich noch werden?"
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