Der Rentner ist glücklich, möchte unbedingt dort wohnen bleiben - was ihm sein Pachtvertrag der Stadt auch zusichert. Aber Stadt und die Bezirksgruppe der Gartenfreunde, die für die Stadt als Generalpächter und Verpächter auftritt, sind davon - seiner Meinung nach - gar nicht begeistert. Sie würden es gerne sehen, wenn Portabales sein Wohnrecht, wie alle anderen Pächter vor ihm, die nach und nach verstorben oder freiwillig ausgezogen sind, aufgibt und aus der Anlage wegzieht.

Nur noch geduldet trotz eines gültigen Pachtvertrags
Denn: "Das Wohnen im Kleingarten ist grundsätzlich verboten. Bei Zuwiderhandlung erfolgt gemäß Unterpachtvertrag und Gartenordnung die Kündigung", sagt Alfred Lüthin, Vorsitzender und Geschäftsführer des Bezirksverbands der Gartenfreunde Karlsruhe.
Zum Fall von Claudio Portabales sagt er: "Die Anlage Ost hat historisch noch einen Pächter, der Wohnrecht hat. Als wir die Anlage 1997 von der Stadt zur Verwaltung bekamen, waren dort bezüglich der Verwaltung chaotische Zustände. Dies haben einige Pächter ausgenutzt und sich einfach beim Einwohnermeldeamt als Wohnfläche angemeldet. Leider hat auch dieses Amt versagt und die Anmeldungen eingetragen. Bei der Übernahme durch uns wurde dann das Wohnrecht abgesprochen und aufgehoben", sagt Lüthin im Gespräch mit ka-news.

"Auf Grund der vorhergegangenen unkontrollierten Verwaltung musste dann elf Pächtern das Wohnen weiterhin gestattet (Duldungsregelung) werden. Die Gestattung belief sich aber nur auf den damaligen Pächter der jeweiligen Parzelle und war nicht übertragbar", erklärt Alfred Lüthin das damalige Vorgehen.
"Zum jetzigen Zeitpunkt hat nur noch ein Pächter die Duldung zum Wohnen. Im vergangenen Jahr wurde einem Pächter auf Grund der widerrechtlichen Nutzung 'Wohnen' gekündigt und die Kündigung auch gerichtlich durchgesetzt."
Mobbing oder notwendige Maßnahmen?
Claudio Portabales sieht das anders, fühlt sich gemobbt. Die Tatsache, dass der Bezirksverband als Verpächter es ihm verboten hat, auf der Straße zu parken und dass er seine Mülltonnen mittlerweile über 200 Meter weit schleppen muss, damit sie überhaupt geleert werden, empfindet er als Schikane. "Man will es mir einfach schwer machen, hier wohnen zu bleiben. Dabei habe ich einen gültigen Vertrag, bin ordnungsgemäß gemeldet und schade ja niemandem damit, dass ich hier wohne."

Der 72-Jährige hatte bis vor einigen Jahren einen eigenen Malerbetrieb, den er mittlerweile verkauft hat. "Ich könnte natürlich auch woanders wohnen. Aber ich mag die Nähe zur Natur und die Idylle hier. Ich möchte meine Tiere behalten, das kann ich in einer Stadtwohnung nicht und auch für meine Enkel ist das hier das reinste Paradies", sagt er im Gespräch mit ka-news.

Seit 1994 lebt er nun beim Elfmorgenbruch - ordnungsgemäß gemeldet, seit 1998 mit dem Pachtvertrag der Stadt. Den Kleingarten- und Geflügelzuchtverein Ost gibt es seit über 60 Jahren, in den 1950er Jahren pachtete er das Gelände am Elfmorgenbruch von der Stadt. Die Kleingärtner fingen an, dort zu bauen, mit Anbauten und Erweiterungen wurden die Gebäude größer, immer mehr Menschen verlagerten ihren Lebensmittelpunkt und Wohnsitz in die Anlage.

Durch die Stadt wurde das, wie Claudio Portabales berichtet, stets toleriert. "Von der Stadt war ab und zu jemand da und hat immer alles für prima und sauber befunden. Wie und was gebaut wurde, hat keinen interessiert", sagt er.
Ausnahme mit Sondergenehmigung
Bernd Wnuck, Pressesprecher der Stadt Karlsruhe, bestätigt das: "Generell ist das Wohnen in Kleingartenanlagen natürlich nicht gestattet", sagt er. In den Nachkriegsjahren habe man da - ob der damals bestehenden Wohnungsnot - jedoch Ausnahmen gemacht. "Es gibt historisch gewachsene Kleingartensiedlungen, auch in Karlsruhe. Dort waren und sind Menschen gemeldet. Dort kann das Wohnen dann auch mit einer Sondergenehmigung erlaubt sein. Solche Genehmigungen werden aber jetzt nicht mehr erteilt."
Trotz der heutigen Wohnungsnot sieht Wnuck derzeit auch keine Chance darauf, dass dieses "Wohnen in Außenbereichen" wieder legalisiert oder toleriert wird. "Wo ein Pachtvertrag besteht, bleibt der natürlich erhalten, aber in allen neuen Verträgen ist das Wohnverbot festgeschrieben", so Wnuck gegenüber ka-news weiter.

Und genau das macht Claudio Portabales Angst: Er fürchtet, man wolle ihn - als letzten legalen Mieter - nun auch aus der Kleingartenanlage heraushaben. Über die Jahre hat er viel recherchiert, weiß fast alles über die Geschichte des Vereins und des Geländes - und die ist mit düsteren Geheimnissen verbunden.
"Paradies" auf giftigem Boden
Denn was bis in die 1990er Jahre keiner der Kleingärtner wusste: Der Boden in der Anlage "Bei dem Elfmorgenbruch" ist hochgradig verseucht, unter anderem mit krebserregenden Stoffen wie Benzo[a]pyren. Das Gelände wurde lange als Müllhalde für ein einst in der Durlacher Allee ansässiges Unternehmen genutzt.
Erst Ende der 1990er Jahre, als die Pachtverträge neu verhandelt wurden, kam die historisch bedingte Bodenbelastung ans Licht, plötzlich konnten die Kleingärtner nichts mehr anbauen, die Kinder durften dort nicht mehr auf dem unversiegelten Boden spielen. Wieder wurden die Pächter selbst aktiv: Viele tauschten auf eigene Kosten den verseuchten Boden gegen gesunden Mutterboden aus, um dort weiter unbesorgt ihren Hobbies nachgehen zu können.
Auf der Suche nach Frieden
Die Vereinsmitglieder haben über die Jahrzehnte viel Geld, Zeit und Herzblut in ihre Gärten gesteckt, hatten nie Probleme ihren Wohnsitz dort beim Einwohnermeldeamt anzugeben und wurden von der Stadt geduldet. Und mehr möchte Claudio Portabales auch nicht.

Er möchte auf der Anlage als regulärer Mieter von seinem Verpächter toleriert werden, ohne dass ihm sein Lebensabend dort unnötig schwer gemacht wird. "Wir Pächter haben aus dieser Mülldeponie ein Naturparadies gemacht und ich möchte nicht, dass mir mein Paradies jetzt weggenommen wird!"
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