In der heutigen Zeit geht es in vielen öffentlichen Diskussionen um Recht und Gerechtigkeit. Dennoch können sich nur wenige etwas Konkretes unter diesen Begriffen vorstellen. Im Dezember gründete sich in Karlsruhe der Förderverein Forum Recht, welcher dieses schwer zu fassende Thema den Bürgern nicht nur in Karlsruhe, sondern bundesweit näherbringen und erlebbar machen will.
"Die Frage, die ich bei Vorträgen immer wieder stelle, ist die: Wonach sollte sich die Gesellschaft richten, nach dem Prinzip Recht oder nach dem Prinzip Gerechtigkeit? Die meisten sagen da natürlich: Gerechtigkeit. Aber nach welchem Prinzip Gerechtigkeit denn? Nach ihrem? Nach dem meinem?", so Ullrich Eidenmüller, ehemaliger Bürgermeister in Karlsruhe und jetzt Vorstandsvorsitzender des Fördervereins Forum Recht.
"Gerechtigkeit ist immer das subjektive Gefühl für Recht. Jeder von uns sollte leben nach dem, was man subjektiv als gerecht empfindet. Doch jeder von uns muss auch ertragen, dass es andere Gefühle von Gerechtigkeit gibt", ergänzt der Vorstandsvorsitzende des neuen Fördervereins Ullrich Eidenmüller.
Karlsruhe ist nach Ansicht des ehemaligen Bürgermeisters der ideale Standort für das Forum Recht. "Karlsruhe hat als Stadt nicht viele Identitäten. Im Kern ist es nur eine Identität, die bundesweit ausstrahlt, das Recht", bringt Eidenmüller, selbst gelernter Jurist, es auf den Punkt.
Was versteht man unter Recht?
Doch was genau versteht man unter Recht? Es ist laut Eidenmüller "das in Gesetze gegossene Gefühl von Gerechtigkeit", das verhindert, dass "wir uns gegenseitig das Hirn einschlagen". Dabei muss es auch nicht immer gerecht sein und ist zudem wandelbar, wie Eidenmüller an einem Beispiel erklärt:
"In meiner Referendarzeit musste ich als Staatsanwalt noch erwachsene Männer, die miteinander geschlafen haben, ins Zuchthaus stecken. Am Ende meiner politischen Tätigkeit wiederum, viele Jahre später, habe ich diese Männer, die ich vorher ins Zuchthaus geschickt habe, im Rathaus getraut. Das Eine war das Gerechtigkeitsgefühl der Gesellschaft um 1975 und das Andere jenes um 2005."

Genau solche Dinge sollen durch das Forum Recht veranschaulicht werden. Die Idee dahinter stammt aus dem Jahr 2004, wo es für Karlsruhe um die Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt 2010 ging. "Nach einigen Überlegungen sind wir darauf gekommen, dass in Karlsruhe – wie in keiner anderen Stadt Deutschlands – der Standort mit dem Grundgedanken Recht verwoben ist", erklärt Eidenmüller.
Forum Recht bekommt neues Gebäude
Auch wenn Essen letztlich Kulturhauptstadt wurde, die Idee wurde weiterverfolgt. Man orientierte sich am Haus der Geschichte in Bonn, wo Deutschland seiner Historie gedenkt: "Doch wo ist da das Recht geblieben? Da bietet sich nur der Standort Karlsruhe an", so der ehemalige Bürgermeister.
Hinzu kam, dass der Bundesgerichtshof (BGH) mit den Besucherströmen überfordert war und zur Entlastung beim Oberbürgermeister um die Errichtung eines neuen Gebäudes bat. "Und dann hat der OB eins und eins zusammengezählt: Hier hab ich die Idee und kein Gebäude und hier hab ich ein Gebäude und nicht den ausreichenden Inhalt", so Eidenmüller weiter.

Die Idee wurde fortan in Berlin vertreten: "Und dann stand das Thema auch zu unserer Freude im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung", gibt sich Eidenmüller glücklich. Dort wurde Karlsruhe als Hauptsitz dieser "dauerhaften Einrichtung des Bundes" unter dem Namen Forum Recht festgelegt. Der Förderverein will nun die Berliner Politik bei der Entstehung des Forum Recht inhaltlich begleiten. Hierbei will man Veranstaltungen organisieren, "die bundesweit wiederholt werden können", verspricht Eidenmüller.
"Wir sind keine Karlsruher Organisation, sondern wir öffnen uns Mitgliedern aus ganz Deutschland. Denn Recht ist ein überregionales Thema", so der Jurist. Im harten Kern besteht der Förderverein aus 17 Mitgliedern, darunter neben Vertretern von BGH oder dem Bundesverfassungsgericht auch Journalisten, Architekten, Medienkaufleute oder Kleinunternehmer. "Wir brauchen juristischen Sachverstand, aber wir treten nicht als Juristen auf", betont der Vorstandsvorsitzende.
Drei Jahre Aufbau Internetpräsenz
Neben der inhaltlichen Unterstützung Berlins beim Aufbau geht es zunächst vor allem um Mitgliederwerbung, weshalb die Internetpräsenz ausgebaut werden soll. Parallel sollen die Pläne für das "Forum Recht" konkretisiert werden. Eidenmüller rechnet mit einem Zeitraum von bis zu drei Jahren bis zum erhofften Baubeginn.
Doch auch schon währenddessen will der Förderverein zumindest in Karlsruhe in Aktion treten. Unter anderem wird man hierzu im Rahmen des Karlsruher Verfassungsgesprächs im Mai mit einem Stand vertreten sein und Diskussionsbeiträge liefern. Den inhaltlichen Schwerpunkt will man voraussichtlich ab Mai in einem von der L-Bank gemieteten Café am Platz der Grundrechte legen.

Künftig ist geplant, auch die Justiz wieder mehr an der gesellschaftlichen Diskussion teilnehmen zu lassen, wie Eidenmüller gegenüber ka-news verrät. Dazu sollen Workshops oder Debatten organisiert werden. Nicht nur die großen Gerichte, sondern auch die kleineren wie Amtsgericht oder Arbeitsgericht sollen involviert werden. "Warum sollte nicht mal der Strafrichter des Amtsgerichts Karlsruhe den Hooligans vom KSC ein Informations- und Workshopforum anbieten? Dinge aus dem täglichen Leben sollen eingebracht werden in die städtische Diskussion", erklärt Eidenmüller.
Rechtsstaat stärken
Die Notwendigkeit des Forum Recht sieht der ehemalige Bürgermeister auch im zunehmenden Populismus auf der Welt begründet: "Unser Thema "Stärkung des Rechtsstaats" ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Man muss nicht darüber froh sein, weil diejenigen, die das Thema in unsere Gesellschaft getragen haben sind Trump und Co.", so Eidenmüller.
Das Forum Recht sieht sich daher auch als Antwort auf den zunehmenden Populismus und die Spaltung der Gesellschaft: "Das Forum Recht muss die Demokratie und das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken und die Menschen kritischer und unempfindlicher machen gegenüber den Populisten, die die Welt in Gut und Böse, Falsch und Richtig einteilen", erläutert Eidenmüller eines der Ziele.

Denn letztlich könne man auf das deutsche Rechtssystem stolz sein: "Der Rechtsstaat, auch wenn er einen mal ärgert, er schützt immer die Minderheit. Unser Anliegen ist es, genau darauf aufmerksam zu machen", so Eidenmüller weiter.
Darüber hinaus hat er einen ganz persönlichen Traum. "So wie Davos das Wirtschaftsforum ist, könnte Karlsruhe in Zukunft das Rechtsforum sein – rund um die jährlichen Verfassungsgespräche, die es ja schon gibt. Jedes Jahr liegt dann das Augenmerk auf Karlsruhe und auf den Themen des nationalen Rechts, also auf dem, was die Gesellschaft gerade an Diskussionen prägt. Das könnte in Karlsruhe ausdiskutiert werden: Karlsruhe als das Davos der Zukunft", verrät er gegenüber ka-news.
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