Die Straßen des kleinen Dorfes Mathagal in Sri Lanka sind voller Menschen. Sie haben Angst. Angst um ihre Kinder, um ihre Eltern, ihre Familien. Sie haben alles verloren. Ihr Zuhause, ihre Erinnerungen, teilweise ihr gesamtes Vermögen und manche sogar Familienangehörige. Einige besitzen nur noch das, was sie am Leib tragen.
Der Traum von einem besseren Leben
Inmitten dieser Menschenmasse steht ein 15-jähriger Junge mit einem Busticket in der Hand - unwissend, was das Leben für ihn bereithält. "Du musst nach Europa zu deinem Bruder, sonst nimmt dich die Armee mit und du musst in den Krieg ziehen", sagt ihm seine Mutter. Einen Sohn hat sie bereits im Krieg verloren. Aus Furcht, ein weiteres Kind zu verlieren, schickt sie ihn daher los in die große weite Welt. Und so beginnt sie, die Reise von Thavakumar Maniam.

Sein erster Fluchtversuch über Singapur und Russland weiter nach Rumänien scheitert, Thavakumar wird in Rumänien festgenommen und zurückgeschickt. Der zweite Versuch, über Rom nach Palermo zu seinem Bruder zu gelangen, der damals dort gelebt hat, glückt.
Ohne Arbeit aber mit viel Willen
Da Thavakumar Maniam aber nach mehreren Monaten noch keine Arbeit hat, fährt der junge Mann weiter in die Schweiz zu seiner Tante. Dort angekommen findet er zwar einen Job, doch ohne Aufenthaltsgenehmigung. Seine letzte Chance: Deutschland.

"Ich hatte nur eine Sache im Kopf: Bitte schickt mich nicht zurück", erinnert sich Thavakumer Maniam. "Ich war damals noch ein Teenager, als ich Sri Lanka verließ. Dank dieser jugendlichen Leichtigkeit habe ich die Reise als Abenteuer gesehen. Sorgen über die Zukunft habe ich mir nicht viel gemacht. Ich wollte es nur schaffen und in Deutschland ankommen. Die Flucht hat meine Familie viel Geld gekostet und ich wollte nicht, dass der lange Weg umsonst war", sagt der Eismacher gegenüber ka-news.de.
Wenige gute Erinnerungen an die Heimat
Über 20 Jahre sind seit seiner Flucht vergangen und er hat den größten Teil seines Lebens in Deutschland verbracht. Doch dass er in zwei Kulturen aufgewachsen ist, hat ihn geprägt. An die Zeit in Sri Lanka hat er fast nur schlechte Erinnerungen, erzählt er. Seine komplette Kindheit wurde vom Krieg überschattet. Luftangriffe, Tote, Verletzte, Stromausfälle oder während des Unterrichts mit der Schulklasse Schutz unter Bäumen suchen.
Doch es gibt auch einige schöne Momente, Augenblicke voller Freude, die er als Kind erleben durfte. Das waren vor allem die Freitage bei seiner Oma. "Die ganze Familie hat sich dort getroffen. Wir haben zusammen gegessen, gelacht, Geschichten erzählt und die Zeit miteinander genossen!", sagt er. Das Einzige, was ihn in Sri Lanka geprägt hat, war die Erziehung seiner Eltern. Stolz erzählt er: "Sie haben mich gelehrt, im Leben immer weiterzumachen und nicht aufzugeben!"

Die deutsche Kultur hat ihm beigebracht, an die Zukunft zu denken und diese gut zu planen. Diese starke Willenskraft hat ihn in vielen Lebenssituationen weitergebracht.
"Ich wollte immer arbeiten"
Während er erzählt, kommen Thavakumar Maniam immer mehr Erinnerungen in den Sinn: Es waren bereits einige Wochen im Asylheim vergangen. Eine Arbeitsgenehmigung hatte er bis dahin immer noch nicht, doch der junge Mann wollte unbedingt anfangen zu arbeiten. "Also lernte ich den folgenden Satz auswendig: 'Guten Tag, haben Sie Arbeit?' und so habe ich mich auf die Suche nach einer Anstellung gemacht", sagt der Sri Lanker. Er ist in jedes Restaurant und hat nach einem Job gefragt, bis er endlich eine Stelle als Tellerwäscher bekommen hat - der Beginn seiner Eis-Karriere.

Es war eine lange Reise, bis Thavakumar auf die Idee gekommen ist, ein eigenes Eiscafé zu eröffnen. Während seiner Arbeit als Hilfskraft in einem Eiscafé fragte ihn der italienische Gelatiere, ob er die Kunst des Eismachens erlernen möchte. "Ich stimmte begeistert zu und von da an trafen wir uns immer zwei bis drei Stunden vor Arbeitsbeginn in seinem Eislabor", erzählt der Thavakumar Maniam. "Mit ihm verbindet mich noch heute eine tiefe Freundschaft. Er entfachte meine Leidenschaft zum Eis und irgendwann habe ich über ein eigenes Eiscafé nachgedacht!"

"Mein Ehrgeiz und meine Willensstärke haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin", erzählt er stolz. Er könne sich glücklich schätzen, dass er die Flucht aus Sri Lanka als Teenager erlebt hat. Dadurch habe er das ganze als Abenteuer gesehen. "Hätte ich meine Erfahrungen als Erwachsener gemacht, wäre ich vielleicht heute ein anderer Mensch, der mit Depressionen zu kämpfen hat", sagt er und ergänzt: "Meine Stärke ist meine Vergangenheit. Ich denke oft an vergangene Zeiten zurück und sie geben mir Kraft!" Denn er weiß, wie es ist, von heute auf morgen alles zu verlieren.
Mit Leidenschaft für ein gutes Eis
Er weiß aber, dass sein Erfolg, den er mit der Eisdiele in der Karlsruher Weststadt hat, nicht von ungefähr kommt. Denn Thavakumar Maniam ist mit Leidenschaft dabei, freut sich morgens auf seinen Job und es stört ihn nicht, an manchen Tagen 15 Stunden nonstop zu arbeiten. "Erfolg ist nicht schwer, man muss es nur versuchen. Wenn man auf einem Stuhl sitzt und die Wand am anderen Endes des Raumes erreichen will, dann muss man loslaufen", sagt er. "Und mach es mit Leidenschaft und die Menschen spüren es!" Seine Gäste fühlen diese Leidenschaft für sein Eiscafé und deshalb kommen sie auch immer wieder gerne zurück.

Bei der Frage, was er heute machen würde, wenn er kein Eiscafé-Besitzer wäre, erinnert sich Thavakumar an sein Kindheitstraum zurück. "Als kleiner Junge wollte ich Automechaniker werden", verrät er gegenüber ka-news.de. "Ein Schulfreund hat mich, als ich etwa zwölf Jahre alt war, immer mit zu der Autowerkstatt seines Vaters genommen. Die Arbeit dort, mit den Händen zu arbeiten, das hat mich fasziniert!"
Auch wenn er schon über 20 Jahre in Deutschland lebt und seit sechs Jahren sein Eiscafé betreibt - seine Heimat hat Thavakumar Maniam nie vergessen. "Mein Traum ist es, dass ich Menschen in meinem Heimatland helfen kann", sagt er. "Ich brauche nicht tausende Euro auf meinem Konto, wenn ich damit etwas Gutes tun kann!" Sein nächstes Projekt: Er möchte ein Kinderheim auf Sri Lanka unterstützen.
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