Freitagmittag, kurz nach 13 Uhr: Das A hoch 3 in der Schützenstraße ist gut besucht. Vorne die Raucher, im hinteren Bereich, hinter einer blauen Türe, die Nichtraucher. Hier findet sich eine Schanktheke, eine Küche, Tische und Eckbänke. Auf der rechten Seite ist der Durchgang zur Terrasse. Es wirkt, als wäre vor einigen Jahren die Zeit stehen geblieben im ehemaligen Restaurant Klosterbräu. Beim Kicker treffe ich auf Rainer. Er ist Besucher des Alkoholakzeptierenden Aufenthaltsraums. 

Eröffnung Alkohol Akzeptierender Aufenthaltsraum
Das A hoch 3, der Alkoholakzeptierende Aufenthaltsraum, liegt in der Schützenstraße, unweit vom Werderplatz. | Bild: Melissa Betsch

Der 54-Jährige ist seit Weihnachten trocken. "Ich habe mit dem Trinken aufgehört", sagt Rainer im Gespräch mit ka-news. Er hätte einen "Haufen Ärger gehabt", sagt er. Schlägereien und Diebstahl. "Und dann kam der Arschtritt von Sarah", erzählt er. Sarah ist eine der Mitarbeiterinnen des Alkoholkonsumraums unweit des Werderplatzes. Mit ihrer Hilfe hat er einen Job gefunden - im A3. "Ich mache hier alles, putzen, Kaffee ausschenken oder eben kickern", sagt der gebürtige Karlsruher.

A hoch 3 Alkoholakzeptiernder Aufenthaltsraum
Rainer arbeitet im A hoch 3, hilft wo er gebraucht wird. | Bild: Anya Barros

Im Trinkraum hat er einen Zwei-Euro-Job gefunden. "Ich habe zur Sarah gesagt, dass ich einen Job brauche und dafür würde ich auch mit dem Saufen aufhören!" Das war vor etwas mehr als drei Monaten. Seitdem hat Rainer nicht mehr zur Flasche gegriffen. 

A hoch 3 Alkoholakzeptiernder Aufenthaltsraum
Anita Beneta (l.) und ihr Team im A hoch 3. | Bild: Anya Barros

Sieben, vielleicht acht Jahre war Rainer Teil der Szene am Werderplatz. Es ist eine Gemeinschaft für die Besucher, denn alle würden im selben Boot sitzen. "Ich stehe auch heute noch ab und zu dort, aber nicht mehr so lange wie früher", erzählt er mir.

"Ich bin froh, wenn ich abends meine Ruhe habe, denn es ist schon stressig und anstrengend hier, wenn man einen Spiegel vorgehalten bekommt", weiß Rainer. Ob er denkt, dass es Mist war, was er gemacht hat? Auf meine Frage kommt ein klares Ja. 

A hoch 3 Alkoholakzeptiernder Aufenthaltsraum
Rainer ist 53 Jahre alt und war selbst lange Jahre Besucher auf dem Werderplatz. | Bild: Anya Barros

"So will ich nicht sein - so war ich nicht, so bin ich auch nicht. Wenn man trinkt, dann geht das nicht anders", sagt er. "Aber das merkt man in dem Moment nicht, wenn man drei oder vier Mal die gleiche Geschichte erzählt, nachdem man was getrunken hat!" Aber genau die Tatsache, dass Rainer hier einen Spiegel vorgehalten bekommt, bekräftigt den 54-Jährigen in seiner Entscheidung. 

"Das macht mich stärker!"

Und es macht ihn stolz, wenn er erzählt, dass er noch nicht einmal das Verlangen hat, zur Flasche zu greifen, obwohl er im A3 arbeitet und um ihn herum alle trinken. "Ich habe schon vorher Phasen gehabt, in denen ich nicht so viel getrunken habe. Vielleicht fällt es mir deswegen nicht so schwer, dass ich nicht gierig werde, wenn die anderen ein Bier trinken!" 

A hoch 3 Alkoholakzeptiernder Aufenthaltsraum
Besucher dürfen niedrigprozentigen Alkohol hier konsumieren, etwa Bier und Wein. Drogen sind nicht erlaubt. | Bild: Anya Barros

Dass er schon so lange ohne Alkohol durchhält, macht Rainer sichtbar stolz: Seine Augen leuchten, während er mir davon berichtet. "Das macht mich auf jeden Fall auch stärker, denn ich sehe, dass es vorangeht und ich meine Sachen regeln kann", sagt er mir. 

Auf meine Frage, ob er für die anderen Besucher des A3 eine Art Vorbild ist, überlegt er, bevor er antwortet. "Also direkt ansprechen, das macht keiner, aber sie haben ja gesehen, was passiert ist mit mir und sie wissen ja auch, dass das nicht gut ist", meint er. "Aber am Ende kann ihnen keiner helfen - jeder entscheidet für sich selbst!" Doch Rainer weiß: Ohne die Sozialarbeiter des A3 wäre er heute nicht so weit, wie er es jetzt ist. 

 

ka-news-Hintergrund

Der Alkohol Akzeptierende Aufenthaltsraum (A3) wurde im April 2018 durch den Gemeinderat beschlossen und im September 2018 eröffnet. Ziel von A3 sei es nicht, Menschen von anderen Plätzen und aus anderen Stadtteilen in der Südstadt zu versammeln, sondern denjenigen, die sich dort bereits aufhalten, eine Perspektive zur aktiven Gestaltung ihres Alltags zu geben.

Er wird von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen vom Diakonischen Werk Karlsruhe begleitet. Im Rahmen der Öffnungszeiten - sechs Stunden - können die Besucher Freizeitangebote wahrnehmen. Zudem wird niedrigschwellige Beratung angeboten und wird eine ausführliche Beratung gewünscht, erfolgt eine Weitervermittlung an Streetworker oder andere Beratungsstellen.

Die Besucher können selbstmitgebrachten Alkohol konsumieren. Zudem können die Besucher an der Theke alkoholfreie Getränke wie Cola, Fanta, Wasser, Kaffee und Tee für eine kleine Spende oder ganz umsonst bekommen. 

 

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