Das Thema "Sicherheit am Europaplatz" wird bereits seit vielen Jahren diskutiert. Abhilfe sollte nun ein Sicherheitssystem namens "Savas Ds+" schaffen, welches die Energie Baden-Württemberg (EnBw), der Stadt als Pilotprojekt für drei Jahre zur Verfügung gestellt hätte. Doch da fängt es bereits an, in den Reihen der Fraktionen zur brodeln.
Mentrup an die Fraktionen
Karlsruhes Oberbürgermeister, Frank Mentrup, findet klare Worte zu Beginn der Diskussion. "Ich möchte dringend an Sie appellieren, dass sie nicht zwei Wochen nach Ausschussbefassung am Vormittag des Gemeinderates detaillierte Fragenkataloge an die Stadtverwaltung richten. Sie machen uns auf diese Weise irgendwann noch völlig handlungsunfähig."

Der Grund: Einige Fraktionen hatten am Vormittag der Sitzung noch Anfragen beziehungsweise Anträge gestellt, die, so Mentrup, schon "vor zwei Wochen oder noch länger" beraten worden seien oder erst in Rücksprache mit der EnbW geführt werden müssten. "Das ist so kurz vor knapp gar nicht möglich", erklärt Mentrup.
"Das ist keine Videoüberwachung"
Eine dieser Fraktionen waren die Grünen, die den Beschluss um einen "Open-Data-Ansatz" ergänzen wollten, um den Bürgern mehr Transparenz zu diesem System zu gewähren. Dieser Ergänzungsantrag wurde abgelehnt.

Was sie bei dem Projekt kritisch sehen, ist die Auslagerung von Polizei-Problemen auf ein außenstehendes Unternehmen. Als "gar nicht so schlecht" sieht Dirk Müller von der CDU diesen Änderungsantrag.

Es gibt jedoch einen Knackpunkt, den die CDU anders sieht: "Es handelt sich hierbei um kein Überwachungssystem, sondern um eine datenschutzrechtlichen, in höchsten Maßen gesicherte Art und Weise die ein gewisses anormales Verhalten signalisiert, mehr nicht", so der Polizeibeamte Müller. "Dieses System kann auch nur unterstützend zum Einsatz kommen, es wird nicht die Lösung sein. Aber es wird den Bürgern ein Sicherheitsgefühl vermitteln."

Dem stimmt auch CDU-Fraktionskollege Tilman Pfannkuch zu: "Wir wiederholen das wie eine Gebetsmühle, dass es sich hierbei um keine Videoüberwachung handelt. Die EnBw macht uns hier ein datenschutzkonformes Angebot, das wir annehmen sollten".
Auch die SPD spricht sich für das neue System aus. Ihr Argument: "Bei Überwachungen in Straßenbahnen und Baustellen sprechen die Bürger auch nicht von staatlicher Überwachung", so Stadtrat Parsa Marvi.
"Ein völlig fatales Zeichen"
Dies kritisiert wiederum die Fraktion Karlsruher Liste und die Partei. "Eine Videoüberwachung hat noch nie ein Verbrechen verhindert. Außerdem sehen wir darin die schleichende Gefahr der Einführung eines Sozialkreditsystems nach chinesischem Vorbild. In zehn Jahren bekommt man da Punkte abgezogen, weil man nicht die CDU gewählt hat", kontert Stadträtin Rebecca Ansin.

"Bei allem nötigen Respekt, aber wenn Sie dieser Beschlussvorlage folgen, dann haben Sie nicht mehr alle Waffeln im Kartoffelkeller. Wenn Sie in Zukunft Geld für ein subjektives Sicherheitsgefühl ausgeben, aber beim Klimaschutz einsparen wollen, wo es nur geht, dann ist es ideologische Heuchelei", so Ansin weiter.
Nicht weniger feurig fiel die Rede von Stadtrat Lukas Bimmerle ins Gewicht. "Es ist ein völlig fatales Zeichen, wie man meint, Sicherheitspolitik zu machen." Der Grund: Die Auslagerung der Sicherheitspolitik auf einen privaten Anbieter sei eine Privatisierung öffentlicher Aufgaben "par Excellence". Für die Linken "völlig inakzeptabel", wie Bimmerle betont.

Des Weiteren kritisiert er, dass es keine Untersuchung des Landesdatenschutzbeauftragten gegeben habe und, dass das Projekt irgendwann finanzpolitische Probleme mit sich bringen werde. "Mal ganz ehrlich, ich kann es mir bei diesem Projekt nur so erklären, dass so der feuchterotische Traum eines jeden Konservativen aussieht", so der Fraktionsvorsitzende abschließend.
Dem hält Bürgermeister Albert Käuflein entgegen: "Die Überwachung der öffentlichen Plätze ist ja das Ergebnis der Sicherheitsumfrage. Das heißt, ob Sie dem zustimmen oder nicht, es wird aus der Bevölkerung heraus gewünscht."
"Ziehen Sie bitte den Beschluss zurück"
Dieser Zwiespalt, der im Gemeinderat zu Tage tritt, befürchten einige auch bei den Bürgern von Karlsruhe. So auch Lüppo Cramer, der den Rathaus-Chef sogar zu überreden versucht, die Abstimmung dazu zu unterbinden.
"Ich habe angefangen zu zählen, wie die Stimmung hier ist. Ich bin der Meinung, sie sollten den Beschluss zurückziehen, weil, wenn es so knapp wegen einer Stimme wird, dann gehen wir einen Weg des Unfriedens in der Stadt", befürchtet der Fraktionsvorsitzende der Karlsruher Liste und die Partei.

Wie das Endergebnis der Abstimmung belegt, kam der Oberbürgermeister dieser Bitte nicht nach, obwohl Cramer sogar versuchte, dies als spontanen mündlichen Antrag in die Sitzung miteinzubringen. Ergebnis: der Gemeinderat stimmte dagegen.
"Ich kann als Sitzungsleiter nicht einfach diese Vorlage zurückziehen, nur weil mir das Abstimmungsergebnis vielleicht nicht passt", sagt Mentrup abschließend, "wir werden das jetzt durchstehen und am Ende werden wir entweder was ausprobieren oder eben nicht."