Beim Thema Verkehr scheiden sich die Geister im Landtag scheinbar deutlicher als in anderen Belangen. Für Thomas Strobl, Vorsitzenden der baden-württembergischen CDU, ist die Sache klar: "Rot-Grün legt das Land lahm."
Strobl: "Gefährdung der Entwicklungschancen Badens"
Heftig kritisierte der Politiker die Landesregierung, weil diese viel zu wenig neue Straßen in Baden-Württemberg planen würde - insbesondere der Regierungsbezirk Karlsruhe leide darunter. "Das ist eine Gefährdung der Entwicklungschancen Badens", so Strobl erzürnt. "Man erkennt, diese Landesregierung - insbesondere der grüne Teil - hat ein Ideologieproblem mit Straßen."
Doch nicht nur mit der Landesregierung ging Strobl, der am Mittwochabend zu einem gemeinsamen Pressetermin mit dem Karlsruher CDU-Oberbürgermeiserkandidaten Ingo Wellenreuther ins Karlsruher Schlosshotel geladen hatte, hart ins Gericht. Heftig kritisierte er auch den Vorstoß von mehreren Verkehrspolitikern von SPD und Grünen, innerorts ein generelles Tempo 30 einzuführen. "Wo in Karlsruhe Tempo 30 gilt muss in Karlsruhe entschieden werden", so Strobl. Damit schlägt er sich auf die Seite des Deutschen Städtetages, der sich erst diese Woche gegen eine bundesweite Tempo 30-Regelung ausgesprochen hatte.
Auch die CDU im Karlsruher Gemeinderat hält eine einheitliche Regelung auf Bundesebene für unnötig. "Der Gemeinderat sollte die Entscheidung haben, wo in Karlsruhe Tempo 30 eingeführt werden soll", fordert die Fraktionsvorsitzende Gabriele Luczak-Schwarz im Gespräch mit ka-news. Eine flächendeckende Einführung des Limits hätte schädliche Wirkung für Umwelt und Gesundheit. Zum einen käme der Verkehr ins Stocken. Zum anderen würde es verstärkte Feinstaubemissionen im Stadtgebiet geben, wenn "die Autos mit 30 auf der Kriegsstraße schleichen würden."
CDU und FDP: "Ein generelles Tempo 30-Limit ist nicht notwendig"
Luczak-Schwarz hält es für wichtiger, dass sich die Autofahrer an die bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen hielten. "Damit würde der Verkehrssicherheit am besten Genüge getan werden", findet sie. Bei Fragen dieser Art sollte der Gemeinderat jedenfalls nicht vom Bund bevormundet werden.
"Ein generelles Tempo 30-Limit halte ich für nicht notwendig", meint auch Rita Fromm, Fraktionsvorsitzende der FDP. In Städten mache diese Begrenzung nur dort Sinn, wo die Straßen eng und übersichtlich sind, vor Kindergärten, Schulen und Pflegeeinrichtungen und wo der Lärmschutz gefährdet ist. In dieser Hinsicht habe man in den letzten Jahren schon gute Lösungen gefunden. "Karlsruhe versucht immer auszuloten, wo noch nachgebessert werden kann", erläutert Fromm gegenüber ka-news. "An manchen Stellen geht das aber wegen gesetzlicher Vorgaben nicht."
SPD: "Faktisch haben wir schon Tempo 30"
Doris Baitinger, Fraktionssprecherin der Karlsruher Sozialdemokraten, unterstützt die Forderung ihrer Bundeskollegen nach Tempo 30 als innerstädtische Regelgeschwindigkeit. "Der Schilderwald würde deutlich gelichtet werden und auf den Straßen gäbe es dennoch eine höhere Sicherheit", erläutert sie. "Wenn allgemein Tempo 30 gelten würde, wäre auch die Argumentation eine andere. Man müsste nicht mehr argumentieren, warum man Beschränkungen auf 30 Stundenkilometer reduzieren will, sondern warum auf 50 erhöht werden soll."
Schon seit Jahren forderten SPD und Grüne diese Regel auf Bundes- und Landesebene. Allerdings sei in Karlsruhe in der Vergangenheit bereits einiges geschehen, um Tempolimits nach Möglichkeit zu reduzieren. "Auf weit über 50 Prozent der Karlsruher Straßen gilt Tempo 30", betont Baitinger. Das treffe auch auf solche zu, wo es lange Zeit geheißen habe, dass diese Begrenzung an dieser Stelle nicht gehe. "Faktisch haben wir also schon fast Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit."
Grüne: "Einer rot-grünen Bundesregierung würde als erstes darüber beraten"
Eine gesetzliche bundesweite Regelung zum Tempolimit wünschen sich auch die Karlsruher Grünen im Gemeinderat. "Wenn die nächste Bundesregierung eine rot-grüne sein sollte, werde das wohl eines der ersten Themen sein, über das diskutiert wird", glaubt Johannes Honné, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.
Entgegen anderer Argumentationen bedeute Tempo 30 innerstädtisch nicht, das auf sämtlichen Straßen diese Beschränkung gelte. "Auf den Hauptverkehrsstraßen wären weiterhin 50 Stundenkilometer erlaubt", betont er. So würden die großen Verkehrsströme gebündelt werden, wo solche Effekte für den Verkehrsfluss wichtig seien. An anderen Stellen würden klar die Belange der Anwohner hinsichtlich des Lärmschutzes im Vordergrund stehen.
KAL: "50 Stundenkilometer auf der Kriegsstraße"
Ähnlich stellt sich Eberhard Fischer von der KAL-Fraktion die innerstädtische Verkehrssituation vor. "Auf bestimmten Straßen soll Tempo 50 gelten, sonst Tempo 30 aus Gründen des Lärmschutzes und der Vekehrssicherheit", fordert er. "Nur leider lässt sich das auf städtischer Ebene nicht einfach lösen, weil es eben keine Bundesregelung gibt."
Er sieht jedoch klare Vorteile bei einer solchen Regelung. "Der Verkehr würde flüssiger laufen und man müsste weniger Schilder aufstellen." Derzeit bräuchte man für 30er-Zonen und nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen Zusatzschilder, die den Schilderwald im Verkehr noch verdichteten. Davon sei man momentan aber noch weit entfernt. "Ich wäre schon froh, wenn Tempo 70 auf der Kriegsstraße auf 50 Stundenkilometer reduziert werden würde."
Tempo 30 in Wohngebieten sei Konsens in Karlsruhe, sagt Jürgen Wenzel von den Freien Wählern. Auch ohne bundesweite Regelung werde sehr viel getan. So zum Beispiel in der Durlacher Pfinzstraße, wo derzeit ein Geschwindigkeitslimit diskutiert wird. Wo die Begrenzung wegen gesetzlicher Vorgaben tagsüber nicht möglich ist, sollte geprüft werden, ob ein Tempolimit bei Nacht Sinn macht. Auch Straßen, die gern als Schleichwege genutzt werden, sollten als 30er-Zone in Betracht kommen, so Wenzel.
Linke: "Neue Lebensqualität in entschleunigten Stadtgebieten"
"Eine bundesweite generelle Tempo 30-Regelung im Stadtgebiet würde überall gleiche Bedingungen schaffen", sagt Linke-Stadtrat Niko Fostiropoulos. Für Ausfallstraßen könnten Ausnahmeregelungen mit Tempo 50 gelten. "Es wird weniger Lärm geben, die Emissionswerte sinken, Wege zur Schule und zur Arbeit können besser mit dem Rad bewältigt werden, Staus und Verkehrsrangeleien werden abnehmen", nennt er als Vorteile. Das Leben und Wohnen in der Stadt werde attraktiver. Dadurch werde neue Lebensqualitäten in entschleunigten Stadtgebieten entstehen. Einzelstadtrat Friedemann Kalmbach war für eine Stellungnahme noch nicht zu erreichen.
Die ka-news-Leser haben sich schon in einer nicht-repräsentativen Umfrage im Mai letzten Jahres gegen Tempo 30 auf allen Karlsruher Straßen ausgesprochen. Die Hälfte der Teilnehmer meinte: "Da könnte ich ja gleich aussteigen und mein Auto schieben." Doch wie sieht es mit der Anzahl der 30er-Zonen aus? Braucht die Fächerstadt für mehr Verkehrssicherheit und Lärmschutz mehr 30er-Zonen? Stimmen Sie ab!