Seit wenigen Tagen haben die Vorbereitungsarbeiten zum Abbau begonnen, wie Waghäusels Oberbürgermeister Walter Heiler auf Nachfrage bestätigte. "Im Moment wird der Bauzaun gestellt und ein Gerüst angebracht. Danach werden Dämmung und Putz entfernt, bevor der Innenbereich in Angriff genommen wird", führt Heiler weiter aus. Letztlich würden die Silos Stück für Stück abgetragen und keinesfalls gesprengt, wie das nicht weit entfernte Pendant - die Kühltürme des Kernkraftwerks Philippsburg.
Mehr als 1,2 Millionen Euro Kosten
Die Arbeiten werden, wie es der Gemeinderatsbeschluss vorsieht, durch das Unternehmen AWR Abbruch in Urmitz bei Koblenz durchgeführt, heißt es aus Waghäusel. Die Aufwendungen der ganzen Aktion, die bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein soll, betragen für die Kommune rund 1,2 Millionen Euro, zuzüglich Nebenkosten.
In der Vergangenheit war das brisante Thema bei den Sitzungen des Waghäuseler Gemeinderats immer wieder Gegenstand langer Diskussionen. Mit den Stimmen von CDU, Junge Liste und der Freien Wähler war mehrheitlich knapp entschieden worden, den Abbruch der beiden Zuckersilos anzugehen. Die SPD-Fraktion war, einschließlich Rathauschef, gegen den Abriss, zumal dann Einsparungen bei der Breitbandversorgung oder dem Schulhaus-Neubau vorgenommen werden müssten.
Reichlich Gesprächsstoff für Politik und Bürger
Im Haushaltsplan sind für den Abtrag jedenfalls zwei Millionen Euro vorgesehen. Wochen- und monatelang wurde das Thema zuvor in der ganzen Region kontrovers diskutiert. Die weithin sichtbaren Silos der ehemaligen Südzucker AG hatten bei Politik und Bürgerschaft für Gesprächsstoff gesorgt. Abtragen oder doch eine Möglichkeit zur Erhaltung des Industriedenkmals suchen, lautete die Frage, der sich OB Walter Heiler und der Gemeinderat schon vor fünf Jahren stellte.
Heiler hatte bei einem Neujahrsempfang der Stadt Waghäusel sogar einen Bürgerentscheid ins Gespräch gebracht. Lange Zeit stand auch an, die Silos durch andere Formen der Nutzung wiederzubeleben, doch jedes Konzept scheiterte an fehlenden Investoren. Auch der bundesweit bekannte Künstler Jürgen Goertz aus Angelbachtal hatte sich eingeschaltet und sich Gedanken darüber gemacht, wie man die beiden Türme in das Ensemble neben Eremitage und Kavaliershäuser einbinden könne.

Als Goertz bei einer Kunstausstellung in der Stadt weilte und den gesamten Komplex betrachtete, hatte er noch seine Zweifel und bezeichnete die hohen Silos neben dem schmucken Barockschloss als Störfaktor. "Heute sehe ich das anders und bin von einem reizvollen Dialog zwischen Industriebau und Eremitage überaus angetan", hatte Goertz, der zusammen mit Architekt und Modell sogar vor Ort aufkreuzte, zuletzt kundgetan. Beide sprachen von "Wunderbaren Beispielen technischer Bauwerke der Industrialisierung".
Überregionale Bedeutung als Fixpunkt
Künstler und Architekt hatten in dem Industriedenkmal eine überregionale Bedeutung als Fixpunkt zwischen der Rhein-Neckar-Region, Baden und der Pfalz erkannt und stellten unisono fest: "Durch die Realisierung nach unseren Vorstellungen würden die im Moment sehr schroff und kühl wirkenden Silos ein enorme Aufwertung erfahren".
Alles Makulatur. Dazu muss man wissen, dass der Waghäuseler Gemeinderat bereits 2015 den Abbau beschlossen hatte, doch im Nachhinein feststellte, dass dieses Vorhaben mit hohen Kosten verbunden sei. Zudem bestehe ein langfristiger Vertrag mit dem Mobilnetzbetreiber "Telefonica", der schon vor Jahren seine Funkmasten auf einem der beiden über 50 Meter hohen Silos installiert hatte.

Auch in der Bürgerschaft gingen die Meinungen von "Schandfleck" bis zur "Erhaltung als Zeichen des Respekts" weit auseinander. Eine ganze Gegend hätte von diesem Unternehmen, das vielen Menschen Arbeit gegeben hatte, gelebt, hieß es. Fakt ist, dass Waghäusel und der Zucker seit langer, langer Zeit zusammengehörten. Die Fabrik auf dem Gelände der Eremitage wurde bereits im Jahre 1838 eröffnet. Die Stadt war fortan Sitz der "Badischen Gesellschaft Zuckerfabrikation".
Zuckerfabrik war größter Arbeitgeber Nordbadens
1870 erhielt die Zuckerfabrik einen dringend benötigten, direkten Gleisanschluss zur Rheinbahn. Dieser sorgte für einen erneuten Wirtschaftsboom in Waghäusel. In den folgenden Jahren war die Zuckerfabrik der größte Arbeitgeber in Nordbaden. Waghäusel und deren Einwohner waren stolz auf "ihre" Zuckerfabrik, deren Gelände auch viele Traktoren mit voll beladenen Anhängern aus der Umgebung ansteuerte. Von 1930 bis 1975 hatte die damalige kleine Gemeinde Waghäusel sogar ein Wappen, das dem Firmenzeichen der Zuckerfabrik nachempfunden war.
Ab 1987 ging es jedoch abwärts. 1994 beschloss der Aufsichtsrat der "Südzucker AG", die Firma in Waghäusel stillzulegen. Nach 158 Jahren war die Zuckerfabrik Waghäusel Geschichte. 1997 kaufte die Stadt das ganze Areal, auf dem heute einige Firmen sowie die Musikschule Waghäusel-Hambrücken untergebracht ist, zum symbolischen Preis von einer Mark. Mit dem Abriss der Silos wird nun ein endgültiger Schlussstrich der Zucker-Ära gezogen.