Sie hatten im Vorfeld des Fests für Schlagzeilen gesorgt: Feine Sahne Fischfilet. Ihren Kritiker widmet die Band nur wenige Worte auf der großen Bühne: "Danke CDU und AfD für die kostenlose Promo-Aktion. Auf 75 richtig geile Minuten", sagt Frontmann Jan "Monchi" Gorkow. Das Publikum kommentiert die Ansage mit entsprechenden Applaus und die Band stimmt daraufhin verträumt-versöhnliche Töne mit dem Song "Mit dir" an - der Refrain "Kommt wir reichen uns die Hand" hallt über das Fest-Gelände. Ein weitere Danksagung folgt für die Fest-Veranstalter, "die sich nicht haben einschüchtern lassen".
Das Publikum vor der Bühne hat die Band aus Mecklenburg-Vorpommern ab dem ersten Lied für sich eingenommen: Auch wenn der Versuch der Zuschauer, in einem gelben Schlauchboot über das Publikum zu surfen scheitert, die Stimmung ist ausgelassen. Auf die Hügel mag die Stimmung hingegen nicht so recht überspringen - er ist gut gefüllt, an Interaktion mit dem gesamten Fest-Publikum fehlt es allerdings.
Sido: "Habe noch nie von diesem Festival gehört"
Anders als bei Fest-Höhepunkt und Haupt-Act Sido um 21 Uhr: In der Hose im Army-Look, darüber weiße Socken, eine schwarze Trainingsjacke und das Markenzeichen, die goldene Gesichtsmaske, macht der Deutsch-Rapper zu Beginn klar, was die kommenden Minuten bestimmen wird: "Das ist Hip-Hop" ist er Eröffnungssong - und die Zuschauer heben die Hände. Mit "Hambdullah" folgt der musikalische Bogenschlag zum aktuellen Album, bevor Sido das Publikum ehrlich mit der Ansage konfrontiert: "So viele Leute auf einem Festival und ich habe noch nie davon gehört. Unfassbar!"

Doch das Publikum hat keine Zeit für verletzte Gefühle - ein Remix jagt den nächsten und Sido vollzieht die Wandlung vom Rapper zum Popstar auch auf der Bühne: Nach 15 Minuten tauscht der Berliner sein altes Markenzeichen, die goldene Maske, gegen eine weiße Baseball-Cap und die Sonnenbrille. Es folgen softe Töne "Mama ist stolz" und einige Takte von "Liebe" des aktuellen Albums, bevor es zurück zu Liedern unter dem ehemaligen Label "Aggro Berlin" geht. "Steig ein" aus dem Jahre 2004 und sein Erfolgsstart, das Lied "Mein Block" schallt über das Gelände.
Früher BHs, heute dreckige Cappies
Das Publikum geht mit - und bedenkt den Rapper auf der Bühne mit ihren Kopfbedeckungen. Sido daraufhin mit einem Grinsen: "Früher kamen BHs geflogen, heute sind es dreckige Cappies, na danke. Leute, das ist ekelhaft." Nach dem Song "Löwenzahn" und einem Lied gegen Drogenmissbrauch, zündet sich Sido einen Joint an und leitet mit den Worten "es ist nicht immer einfach ein guter Mensch zu sein, aber wir versuchen es - alle Hände hoch, kommt schon" zu "Der Himmel muss warten" über.
Das Publikum auf dem Mount Klotz macht ihm den Gefallen und hebt die Hände - mit der Perfomance auf dem benachbarten Mount Grape ist der Rapper noch nicht zufrieden und startet einen Lautstärke-Contest zwischen Zuschauern auf Mount Klotz, Mount Grape und vor der Bühne. "Kommt schon, seid so laut, dass wir es hier vorne hören", animiert der Rapper das Publikum auf dem kleineren Hügel und scherzt: "Ich glaube die sitzen da hinten, um soweit wie möglich von diesem Sido und dem Hip-Hop-Sch*** weg zu sein. Ich glaube, ihr seid trotzdem cool. Ich komm nachher mal vorbei und schaue, ob ihr cool seid."
Handylichter sorgen für Weltraum-Atmosphäre
Zur Einstimmung auf den Song "Schlechtes Vorbild" folgt entsprechende Performance auf der Bühne: Der zweite Joint ("Leute, das ist kein Joint, das ist Crack.") wird angezündet und ein Glas Wodka auf der Bühne eingeschenkt. Weitere Gläser werden vereinzelt von Mitarbeitern im Publikum verteilt ("Aber passt auf, dass ihr das an die Volljährigen verteilt - die ohne Zahnspangen."). Nach "Bilder im Kopf" lässt Sido den Hügel leuchten - "Kommt zeigt mir eure Handylichter - wisst ihr wie ich mich jetzt fühle, wie im Weltall". Nach "Astronaut" gehen Handy- und Bühnenlichter aus.

Das Publikum hat noch nicht genug und wählt als Zugabe im Multiple-Choice ("Ihr habt die Auswahl zwischen zwei Stücken.") das obszönere Stück. Als Sido dennoch mit dem anderen Song ("Einer dieser Steine") startet, bedankt sich das Publikum mit einem Pfeifkonzert - bis die Töne der gewünschten Zugabe ertönen.
Unter Anstrengung der Security steigt der Deutschrapper zum Abschluss seines Konzerts von der Bühne und badet in der Menge, die entsprechend begeistert reagiert. Nach dem gemeinsamen Feiern und Rückkehr auf die Bühne verabschiedet sich ein durchgeschwitzter und vom Publikum gekennzeichneter Sido mit den Worten "Karlsruhe, das war das schönste Festival auf dem ich bisher war!"