Jeden Tag gehen laut der Jahresstatistik des Deutschen Roten Kreuz (DRK) durchschnittlich rund 313 Einsatzaufträge im Stadt- und Landkreis Karlsruhe ein - darunter fallen sowohl Notrufe als auch Krankentransporte.
Doch kommt der Rettungsdienst im Notfall immer rechtzeitig? Ein ka-Reporter, der selbst im Rettungsdienst tätig ist, bezweifelt das in einer E-Mail an die ka-news-Redaktion. "Karlsruhe gehört zu den Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg, wo die Bevölkerung am längsten auf den Rettungsdienst warten muss", schreibt der Leser, der aufgrund der Brisanz des Themas nicht namentlich genannt werden will. Denn aus seiner Sicht würde die entscheidende Hilfsfrist im Stadt- und Landkreis Karlsruhe häufig nicht eingehalten.
"Kompromiss zwischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit"
Die sogenannte Hilfsfrist ist die Zeit, die zwischen abgegebenem Notruf und dem Eintreffen der Retter vergehen darf. Diese Hilfsfrist ist gesetzlich definiert. So sieht die planerische Hilfsfrist nach dem Landes-Rettungsdienstgesetz laut baden-württembergischen Innenministeriums "nicht mehr als zehn, höchstens jedoch 15 Minuten bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes vor." Diese 15 Minuten-Hilfsfrist müsse gemäß des Rettungsdienstplans des Landes Baden-Württemberg in 95 Prozent aller Einsätze im Jahresschnitt eingehalten werden.
15 Minuten können im Notfall eine lange Zeit sein - eine zu lange, findet der ka-Reporter: "Die 10-Minuten-Soll-Hilfsfrist wurde aus notfallmedizinischen Gründen definiert. In einigen Fällen ist schon diese Zeitspanne zu groß, bildet aber einen Kompromiss zwischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit. Anstatt sich an der gesetzlichen Soll-Hilfsfrist zu orientieren, hält man sich lieber am gerade noch erlaubten: 15 Minuten zu 95 Prozent im Jahresdurchschnitt."
63,3 Prozent der Rettungswagen sind in zehn Minuten da
Und tatsächlich untermauert die Statistik des Innenministeriums von Baden-Württemberg für das vergangene Jahr seine Sorge: So kamen im Stadt- und Landkreis Karlsruhe 63,3 Prozent aller Rettungswagen in maximal zehn Minuten zum Einsatzort, bei den Notärzten erreichten 58,2 Prozent die Soll-Hilfsfrist.
Doch auch die 15-Minuten-Frist wurde 2013 nicht immer erreicht: So waren laut Statistik 94,1 Prozent der Karlsruher Rettungsdienste binnen einer Viertelstunde am Einsatzort - 2012 waren es noch 97,4 Prozent.
Karlsruhe DRK-Chef: "Karlsruhe steht sehr gut da"
Jörg Biermann, Kreisgeschäftsführer des DRK Karlsruhe, erklärt dazu auf Anfrage von ka-news: "Karlsruhe steht im Vergleich zu anderen Kreisen sehr gut da." Biermann könne nicht nachvollziehen, dass die 10-Minuten-Sollfrist als einzig entscheidende dargestellt werde. Er sagt: "Richtig ist, dass gelegentlich über eine Gesetzesänderung bis hin zur alleinigen 10-Minuten-Frist nachgedacht wird. Aber das ist wenn überhaupt Zukunftsmusik. Aktuell ist die 15-Minuten-Frist die einzige, an der sich die Rettungsdienste messen lassen können."
Tatsächlich gibt es Überlegungen des Innenministeriums, die Frist künftig zu reduzieren. In einer Pressemitteilung zur Notfallversorgung vom Mai 2014 heißt es dazu: "Ein Modell gehe dahin, eine zweistufige Hilfsfrist einzuführen. Demnach wäre das erste Eintreffen des Rettungsmittels, in der Regel des Rettungswagens, in zwölf Minuten verbindlich, um lebenserhaltende Maßnahmen zu ergreifen." In weiteren sechs bis acht Minuten solle dann - falls nötig - ein Notarzt eintreffen. Dieses Modell wird derzeit in drei Leitstellen des Landes getestet.
ka-Reporter: "Es muss dringend was passieren"
Auch für den Raum Karlsruhe bestätigt Biermann eine Überprüfung des Status Quo: "Aktuell ist ein Gutachten zur Situation des Rettungsdienstes in Arbeit. Nun müssen wir die Ergebnisse abwarten." Diese hat das Ministerium für Herbst 2014 angekündigt. Kommt die Gesetzesänderung, das macht Biermann deutlich, müssen sich auch die Strukturen verändern: "Dann brauchen wir eine andere Personalstruktur und eine modifizierten Einsatzplan der Fahrzeuge", so der Karlsruher DRK-Chef.
Für den ka-Reporter ist ebenfalls klar: "Dieses Thema ist hoch brisant. Angesichts ständig steigender Einsatzzahlen und zu wenigen Rettungswagen muss dringend etwas passieren."
Hier geht's direkt zur Auswertung der Hilfsfrist des Landes Baden Württemberg (PDF-Dokument). Außerdem gelangen Sie hier direkt zur Jahresstatistik des DRK.
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