Der FDP-Bundestagsabgeordnete für Karlsruhe-Land, Patrick Meinhardt, nennt Götz Werner einen "mutigen Vordenker für die Fortentwicklung unserer Gesellschaft". Zwischen dem Konzept des "bedingungslosen Grundeinkommens" und dem Bürgergeld-Modell seiner Partei sieht er "viele Berührungspunkte".
"Trotz Produktivitätsfortschritt geht uns nicht die Arbeit aus"
Meinhardt: "Wir wollen als FDP nicht mehr, dass derjenige, der bedürftig ist, sich dafür entschuldigen muss, indem er sich durch einen Wust von Anträgen in einer starren Sozial- und Arbeitsbürokratie durcharbeiten muss". Wie der dm-Chef hält auch Meinhardt eine radikale Vereinfachung des Steuersystems für dringend erforderlich: "Unser Steuersystem begünstigt den Findigen und bestraft den Bedürftigen." Eine Vereinfachung wäre seiner Ansicht nach ein "wirklicher Meilenstein hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit".
Patrick Meinhardt, FDP-MdB für Karlsruhe-Land (Foto: pr) |
Allerdings, fügt Meinhardt an, solange die Große Koalition diesen Weg nicht konsequent gehen wolle, sei eine Mehrwertsteuererhöhung geradezu fahrlässig. Dass, wie Werner betont, uns aufgrund fortschreitender Produktivitätszuwächse die Erwerbsarbeit ausgeht, glaubt Meinhardt dagegen nicht: "Nur brauchen wir ein Steuersystem, das nicht diejenigen bestraft, die halt viele kleine Jobs machen und so zu ihrem Gesamteinkommen kommen." Und zum Ehrenamt gibt es nach Ansicht des FDP-Abgeordneten derzeit noch keine Alternative: "Wir sind eine Gesellschaft des Ehrenamts. Hier sind wir noch meilenweit davon entfernt, diese Arbeit ihrer gesellschaftlichen Wirkung entsprechend zu honorieren."
Jung: "Ich warne vor den großen Vereinfachern"
Kritischer als Meinhardt äußert sich der Karlsruher SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Jung: "Herrn Werners Ideen sind ein alter Hut." Schon Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre habe er als engagierter Juso solche Ideen vehement vertreten. "Heute nicht mehr", so Jung weiter: "Die Menschen wollen und sollen eigenverantwortlich für ihr Einkommen sorgen, ohne dass sie öffentlich alimentiert und ruhig gestellt werden." Arbeitsbedarf gibt es laut Jung genug, insbesondere im hoch- und im geringqualifizierten Bereich: Uns gehe keineswegs die Arbeit aus, auch nicht durch Produktivitätsfortschritte. "Wir müssen durch Innovation neue Arbeitsplätze schaffen und Mittel aus Produktivitätszuwächsen dafür einsetzen", meint der SPD-Abgeordnete.
Johannes Jung, SPD-MdB für Karlsruhe (Foto: pr) |
Zu den Reformvorschlägen des dm-Chefs für die in die Krise geratenen Sozialsysteme sagt Jung: "Es ehrt Herrn Werner, wenn er sich in den reiferen Jahren seines erfolgreichen Unternehmerlebens als Sozialreformer äußert." Es sei allerdings eine Binsenweisheit, dass die traditionelle Finanzierung des Bismarck’schen Sozialstaats durch Zuschläge auf Erwerbseinkommen geändert werden müsse. Dieser Weg wird laut Jung aber schon längst beschritten, und jeder dieser Schritte sei bereits eine Systemveränderung. "Die Verlagerung der Steuer- und Abgabenbelastung vom Faktor Arbeit auf den Faktor Kapital oder auf den Faktor Energieverbrauch ist absolut sinnvoll." Einer reinen Konsumbesteuerung erteilt er eine klare Absage. Sie sei kein Allheilmittel, so Jung: "Ich warne hier vor den großen Vereinfachern, die mit einer einzigen Maßnahme alles auf einen Schlag verbessern möchten."
Fischer: Wir brauchen mehr Freiheit, keine Rente ab Geburt
Der CDU-Bundestagsabgeordnete für Karlsruhe-Land, Axel Fischer, kann zumindest einigen Ansätzen in Götz Werners Reformidee etwas abgewinnen: Das Konzept erinnere in an die Diskussion über das Bürgergeld respektive die negative Einkommensteuer in den 90er Jahren. "Bei entsprechender Vereinfachung und Entschlackung des Steuersystems und einer tief greifenden Reform des Sozialversicherungssystems", so Fischer, "kann man durchaus darüber nachdenken." Ziel müsse es auf jeden Fall sein, dass derjenige, der arbeitet, mehr Einkommen habe als der, der nicht arbeitet.
Axel Fischer, CDU-MdB für Karlsruhe-Land (Foto: pr) |
Während Werner das "ganze Gerede von der Schaffung neuer Arbeitsplätze" nicht mehr hören kann, vertritt der CDU-Abgeordnete einen anderen Standpunkt: "Wenn ich mir den Zustand unserer Straßen, Gehwege, Schulen und anderer öffentlicher Einrichtungen ansehe, habe ich nicht den Eindruck, dass uns die Arbeit ausgeht." Arbeit gebe es genug, so Fischer, sie müsse aber, durch Deregulierung und Liberalisierung wieder finanzierbar werden, damit die Arbeitslosigkeit zurückgehe. Wie der dm-Chef sieht auch der CDU-Politiker die an den Faktor Arbeit gekoppelten Sozialsysteme in der Krise - zieht jedoch andere Schlussfolgerungen: Er könne nicht erkennen, dass allein mit einer Rente ab Geburt - nichts anderes wäre letztlich ein Grundeinkommen, so Fischer - mehr Wohlstand erwirtschaftet werden könnte, der beispielsweise ein besseres Pflegesystem oder ein besseres Bildungssystem finanzierbar machen würde. "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel hin zu einer freieren Gesellschaft, nicht zu einer Gesellschaft von Staatsrentenempfänger."
Kotting-Uhl: "Ein bisschen sehr vereinfacht"
"Den gedanklichen Ansatz von Götz Werner, eine Systematik zu entwickeln, in der arbeitsfähige Menschen ohne Erwerbseinkommen nicht mehr entwürdigt werden, unterstütze ich voll und ganz", kommentiert die Karlsruher Bundestagsabgeordnete der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, den wesentlichen Reformgedanken des dm-Gründers. Vom Paradigma der Vollbeschäftigung hätten sich die Grünen schon im Jahr 1998 verabschiedet: "Unser visionäres Ziel ist eine Gesellschaft, in der Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit und ehrenamtliche Tätigkeit gleich geachtet wird." Das würde, so die Grünen-Abgeordnete weiter, eine Art Grundeinkommen voraussetzen. "Mit unserem Konzept der Grundsicherung gehen wir ja einen ersten Schritt in diese Richtung."
Sylvia Kotting-Uhl, Grünen-MdB für Karlsruhe (Foto: pr) |
"Ich freue mich über jeden Vordenker, der frei von Systemzwängen gesellschaftliche Zielvorstellungen entwirft", betont Kotting-Uhl. Allerdings müsse sich die Politik beim Umsetzen von Ideen gründlich mit den bestehenden Systemen auseinandersetzen. Selbstverständlich müsse die Finanzierung der Sozialversicherungen dringend vom Faktor Arbeit entkoppelt werden. Dass das oft leichter gesagt als getan ist, hätte man am Unverständnis der Öffentlichkeit sehen können, als es darum ging, einen ersten Teil dieser Entkopplung über den Faktor Umweltverbrauch - Stichwort: Ökosteuer - zu finanzieren. Kotting-Uhl: "Systemveränderungen sind gedanklich immer schneller zu bewerkstelligen als in der Realität." Götz Werners Ansatz, das Steuersystem auf eine reine Konsumbesteuerung umzustellen, bezeichnet die Grünen-Politikerin als "ein bisschen sehr vereinfacht". Eine Radikalvereinfachung führe selten zu Gerechtigkeit, meint Kotting-Uhl und wirft die Frage ein, wie man beispielsweise bei einer 45-prozentigen Mehrwertsteuer die Attraktivität von Schwarzarbeit gering halten wolle.
Lesen Sie am morgigen Sonntag (ka-news berichtete), was die Bundestagsabgeordneten Ingo Wellenreuther (CDU), Jörg Tauss (SPD) und Karin Binder (Die Linke) zu Götz Werners Idee eines "bedingungslosen Grundeinkommens" sagen.