An sich ist es ein Bild, an das man sich in der Fächerstadt in den vergangenen Wochen gewöhnt hat: Eine Gruppe von Menschen steht hinter einer Absperrung - offensichtlich ist dieses Bild während einer Pegida-Veranstaltung entstanden. Eine dunkelhaarige Frau in der ersten Reihe hält eine Kamera in ihren Händen, beobachtet das Geschehen. Nach dieser Frau fahndet die Karlsruher Pegida-Gruppe nun via Facebook.
Namen, Adressen und Facebook-Profile veröffentlicht
"Gesucht: Antifa-Fotograf zwecks Strafanzeige", posten die Administratoren am Samstagabend, 23. Mai, auf der Facebookseite Pegida Karlsruhe. Die Administratoren werfen der abgebildeten Fotografin vor, einen Blog zu betreiben und zu unterstützen, auf welchem in der Vergangenheit immer wieder Bilder, Namen, Adressen sowie Facebook-Profile von Pegida-Teilnehmern veröffentlicht wurden.

Neben Zuordnungen der abgebildeten Personen zu Gruppierungen wie den Pforzheimer Berserkern finden sich auf dieser Seite auch Aussagen wie "Der Beweis: Nazis essen heimlich Döner" oder mutmaßliche intime Details aus dem Leben einzelner Pegida-Organisatoren. Die Pegida-Gruppe wiederum reagierte, indem sie ein Bild der vermeintlichen Blog-Fotografin auf Facebook veröffentlichte. "Sollte euch die Frau bekannt sein, dann schickt bitte eine Nachricht an uns, damit wir strafrechtlich gegen sie vorgehen können", heißt es dort.
Polizei wird bei Strafanzeige aktiv
Aber ist es rechtlich überhaupt zulässig, auf Facebook "Privat-Fahnder" zu spielen, beziehungsweise Bilder und persönliche Daten von Demonstranten ohne Erlaubnis zu veröffentlichen? "Das ist rechtlich schwierig", erklärt eine Sprecherin der Karlsruher Polizei im Gespräch mit ka-news. Bei der Polizei selbst würde man keine Porträtbilder veröffentlichen. "Wir fahnden auch nur, wenn beispielsweise eine Person vermisst wird - dann holen wir uns die Einwilligung vorab durch einen Gerichtsbeschluss oder durch Angehörige", erklärt sie weiter.
Wer Namen oder Bilder als Privatperson auf Facebook und Co. veröffentlicht, läuft Gefahr, Persönlichkeitsrechte der Betroffenen wie etwa das Recht am eigenen Bild oder Urheberrechte zu verletzen. Ob ein Straftatbestand vorliegt, muss nach Aussage der Polizeisprecherin von Einzelfall zu Einzelfall geprüft werden. "Es kommt dabei immer darauf an, wie das Bild herausgegriffen wird" - das gilt sowohl für die Blogbetreiber als auch für die "Selbstfahnder".
Ob und welche Rechte verletzt wurden, müsse die Polizei durch Ermittlungen klären. Möglich wären dann straf- und zivilrechtliche Konsequenzen für denjenigen, der die Bilder im Netz veröffentlicht hat. Die Ermittlungen werden von den Beamten allerdings erst dann aufgenommen, sobald eine Strafanzeige vorliegt. Eine solche lag der Polizei zu diesem Fall nach eigener Aussage am Freitag noch nicht vor.
Aktualisierung, Montag 13.10 Uhr:
Und wie schätzt ein Rechtsexperte den Sachverhalt ein? ka-news hat mit Henning Kahlert, Fachanwalt in der Karlsruher Anwaltskanzlei "Kahlert&Kopp" und Experte in Sachen Internetrecht, gesprochen. Grundsätzlich, so Kahlert, gebe es bei der namentlichen Identifizierung der Pegida-Teilnehmer zwei Rechtspositionen, die man gegeneinander abwägen müsste.
"Auf der einen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen", erklärt der Rechtsexperte, "sie müssen es grundsätzlich nicht hinnehmen, dass sie namentlich und mit Foto abgebildet werden.
Persönlichkeitsrecht oder Pressefreiheit - was wiegt schwerer?
Doch auch die Interessen und Rechte der vermeintlichen Blogbetreiberin spielen hier eine Rolle. "Sie kann sich auf die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit und auch auf die Pressefreiheit berufen", so Kahlert. Den Blog müsse man als "Pressererzeugnis" betrachten- unabhängig davon, ob die Fotografin damit Geld verdiene oder nicht. Sie berichte über ein öffentliches Ereignis von großer gesellschaftspolitischer Bedeutung.
"Erst recht überwiegen ihre Rechte, wenn die von ihr aufgestellten Behauptungen zutreffen, die abgebildeten Personen also wirklich Pegida-Teilnehmer oder ähnliches sind und namentlich korrekt identifiziert wurden", so der Rechtsexperte weiter. Entscheidend sei hier, dass die Blogbetreiber hinreichend sorgfältig recherchieren.
"Strafverfolgung ist Sache des Staates!"
Und wie bewertet der Experte die "Facebook-Fahndung" in der Pegida-Facebookgruppe? Interessant findet der Jurist hier die Behauptung seitens der Administratoren, die Fotografin betreibe "Hetze gegen Einzelpersonen". "Ihr wird also ein strafbares Verhalten unterstellt, an dessen Verfolgung die angesprochene Facebook-Öffentlichkeit mitwirken soll", so Kahlert.
Damit liege ein privater Fahndungsaufruf vor - welchen der Jurist allerdings für nicht rechtmäßig und unzulässig hält. "Strafverfolgung ist Sache des Staates und der Strafverfolgungsbehörden,", stellt Kahlert klar, "Private müssen sich in diesem Bereich zurückhalten."
ka-news-Hintergrund:
Für den kommenden Dienstag, 2. Juni, sind erneut ab 19 Uhr eine Kundgebung der Pegida mit anschließendem Demonstrationszug und Gegenveranstaltungen angemeldet. Es ist die zehnte Demonstration, die Pegida in Karlsruhe angemeldet hat. Kundgebungsort wird nach Gesprächen mit dem Veranstalter wie beim vergangenen Mal die Hebelstraße im Einmündungsbereich in die Lammstraße sein. Die Stadt Karlsruhe rechnet nach eigener Aussage bereits im Vorfeld der Versammlung mit Einschränkungen für Verkehrsteilnehmer und auch Fußgänger. Auch die Zufahrt zu den Parkhäusern Marktplatz und Karstadt ist voraussichtlich ab 16 Uhr bis in die Abendstunden erheblich beeinträchtigt. Für spezielle Rückfragen steht das Servicecenter von Stadt- und Landkreis Karlsruhe telefonisch unter der Behördennummer 115 zur Verfügung.
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