So viele Motorräder auf einmal hatte Karlsruhe wohl noch nie gesehen: Über 7.000 Biker haben sich am vergangenen Samstag zum Protest versammelt. Um die Situation zu beherrschen, musste die Polizei Streifenwagen aus dem Stadt- und Landkreis zusammenziehen.
Der Grund für den massiven Protest ist politischer Natur: Um den Motorradlärm zu reduzieren, schlägt der Bundesrat unter anderem vor, an Sonn- und Feiertagen Fahrverbote für Motorräder einzuführen. Darüber hinaus sollen keine neuen Fahrzeuge lauter als 80 Dezibel zugelassen werden.

Ob diese Ideen letztendlich umgesetzt werden, das muss die Bundesregierung entscheiden. Doch in vielen Städten sorgte bereits der Vorstoß des Bundesrates für regen Protest aus der Bikerszene. ka-news.de hat mit Karin Birkel, Veranstalterin der Motorrad-Demo in Karlsruhe, gesprochen.
Frau Birkel, wie haben Sie die Demonstration erlebt?
Ich war in einem Wechselbad der Gefühle, um ehrlich zu sein! Wir Organisatoren waren ganz ordentlich gefordert, da wir selbst bei deutlich optimistischerer Planung und Schätzung niemals mit fast 8.000 Motorrädern gerechnet hätten. Das Meer an Motorrädern hat mir ordentlich Bauchschmerzen bereitet.

Aber ich war auch sehr stark berührt. Die Leute, die da waren, sind eben nicht Manipulierer, Lärmrabauken, so genannte "schwarzen Schafe" gewesen. Das waren tausende ganz normaler Bürger, die Motorrad fahren. Youngsters und Senioren, Fahrerinnen, Sozias, alle Marken, alle Segmente.
Wie war die Stimmung unter den Bikern?
Natürlich war die Stimmung geknickt, als wir vom Orga-Team die Durchsage machen mussten, dass wie geplant nur 500 Motorräder nach Karlsruhe reinfahren können. Tausende sind dann wieder umgedreht. Aber viele sind auch dennoch in die Stadt gefahren.

Aus unserer geplanten eher kleinen und geordneten Demo, die als stiller Protest angelegt war, wurde eine ungeordnete große Versammlung. Es gab zwar ein Verkehrschaos, doch keinen Stress und keinen Unfall. Darüber hinaus gab es keinen Gesang, kein Hupkonzert, kein Drehzahlstakkato, keine angespannte Situation mit Ordnungskräften. Die Stimmung war friedlich und ernst. Das haben die Fahrer sehr gut gemacht.
Wie stehen Sie zu der Idee, die Lautstärke bei Neuzulassungen auf 80 Dezibel zu begrenzen?
Die meisten Motorradfahrer sagen, sie würden ihr Motorrad auch kaufen, wenn es leiser wäre. Ich kenne persönlich niemanden, der sein Bike nach der Lautstärke aussucht. Man kauft nach der Marke, nach der Art des Fahrens, nach dem Preis natürlich, nach der neuesten Technik vielleicht mit Kurven-ABS oder Traktionskontrolle.
Fachleute sagen, 80 Dezibel in allen Fahrzuständen würde nicht funktionieren, nicht einmal bei manchen Autos. Auch wenn ich keine Expertin bin, denke ich: am Ende geht es um technisch machbare, sinnvolle und messbare Lösungen.
Wie stehen Sie dazu, dass die Strafen für das Tunen der Motorräder deutlich angehoben werden sollen?
Man kann die Strafen für das illegale Tunen natürlich spürbar anheben, aber das löst - glaube ich - nicht das Problem. Raser, Manipulierer, Radaubrüder hält man ja bisher auch nicht durch Strafandrohung auf.

Zu einer sofortigen Erleichterung für die Anwohner würden zunächst konsequente Kontrollen führen. Man muss also vielmehr die Ordnungskräfte ausstatten - personell und mit dem nötigen Messmaterial. Es ist meiner Meinung nach ein Kernproblem, dass die Polizei nicht ausreichend Präsenz zeigen kann. Helfen würden auch andere Maßnahmen, wie beispielsweise verkehrsverlangsamende Hindernisse.
Ist das unerlaubte Manipulieren der Motorräder ein großes Problem?
Das ist, soweit ich das mitbekomme, kein massenhaftes Problem. Aber schon ein einzelnes manipuliertes Krach-Motorrad pro Stunde kann einen massiv nerven. Gleichzeitig sind viele Motorräder legal relativ laut und die Besitzer fragen sich schon, was nun eigentlich gilt - sie haben ein Motorrad von der Stange, nichts daran verändert, und plötzlich kommen sie in einen Topf mit den illegal lauten Bikes.
Wie könnte eine Lösung für das Problem des Motorradlärms aussehen?
Das Ausverhandeln von Lärmgrenzwerten auf europäischer Ebene muss ehrlich und mit Sachverstand gehandhabt werden. Rigide Vorgaben von Brüssel - angepasste Reaktion der Hersteller, das ist ein Spiel, das wir von anderen Ebenen gut kennen. Wobei in der Motorradindustrie keine illegalen Methoden angewendet werden, das muss man klar sagen!

Kontrollen müssen möglich sein. Was nutzen Gesetze, wenn sie nicht durchgesetzt werden können? In Paris gibt es offenbar speziell dafür vorgesehene Polizeieinheiten, die sich nur um den Verkehrslärm kümmern.
Maßnahmen direkt vor Ort sind auch ein Weg: In Frankreich hat jedes Dorf 'ralentisseurs' - das sind Fahrbahnerhöhunngen - und niemand gibt zwischen diesen Erhöhungen massiv Gas. Vielleicht sind solche Erhöhungen temporär, wie man sie als Kabel- und Schlauchbrücken im Straßenbau kennt - an neuralgischen Punkten zwischen April und Oktober eine Lösung?

Lärmdisplays helfen ebenfalls, denn man reagiert automatisch auf die Anzeige. Doch im Moment finde ich die Lärmdisplays noch viel zu teuer für die Kommunen, trotz der Zuschüsse. Arbeitskreise vor Ort in den Kommunen helfen. Es gibt in vielen Städten für die unterschiedlichsten Themen institutionalisierte Beiräte: Frauenbeirat, Kulturbeirat, Ausländerbeirat. Weshalb nicht einen Verkehrslärmbeirat, bei dem alle Beteiligten vor Ort am Tisch sitzen?

Eine weitere Idee wären Steueranreize für leisere Motorräder oder auch für Nachrüstanlagen - Steuern sparen befeuert immer. Lärmblitzer könnten ebenfalls eine Lösung sein - ich habe gehört, dass das technisch schwierig sei. Aber es gibt Länder, in denen das bereits getestet wird.
Was gewiss nicht hilft, ist Federstrichpolitik. Aus diesem Grund ist das Schaffen von Fahrverboten, Geschwindigkeitsbegrenzungen, die nur für Motorräder gelten, nicht jedoch für alle anderen Fahrzeuge, nicht richtig. Das ist mit dem Gleichbehandlungsgedanken völlig unvereinbar.