Gegenstand der Umfrage waren Dinge, die für die zum Großteil zugezogenen Befragten ihr Wohlbefinden im Badnerland ausmachten und deren Ansichten zu "typisch" badischen oder württembergischen Eigenheiten. Gleich zu Beginn sei festgehalten: Alle Befragten, darunter waschechte Karlsruher und Zugereiste, fühlen sich sehr wohl in ihrem (zum Teil selbst gewählten) Heimatort - und belächeln den badisch-schwäbischen Nachbarschaftsstreit eher!
Das Land entstand, der Hass verschwand?
Der "Schwobeseckel" macht sich dennoch auf seiner Homepage über (vermeintlich?) geizige Schwaben, die sich von ihrem badischen Nachbarn sogar die Tageszeitung ausleihen, lustig. Der Unwillen der Badner gegenüber der Landeshauptstadt liegt aus Sicht vieler Badener im von Stuttgart ausgehenden Zentralismus begründet. Dieser geht zurück auf die Überwindung der territorialen Zersplitterung des Südwestens bis ins 15. Jahrhundert: Nach der napoleonischen Neuordnung zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt Baden "nur" den Titel Großherzogtum (ka-news berichtete), Württemberg dagegen wurde zum Königreich und genoss schon aufgrund dessen eine Sonderstellung.
Glaubt man dem "Bund Freiheit statt Baden-Württemberg" (B.F.s.B.W.) ist alleine das schon ein Schwabenstreich, nämlich des ehemaligen württembergischen Königs Friedrich: Jener "dicke Friedrich aus Stuttgart" wollte nun einman in "Augenhöhe mit Bayern und vor Baden regieren". Das Zentrum Württembergs, Stuttgart, wurde von Liberalen dagegen im 19. Jahrhundert oft belächelt. Erst im Zeichen der Industrialisierung entwickelte die Stadt dann auch ihre Mittelpunktsfunktion, während ihr wirtschaftlicher Ertrag nach praktizierter Realteilung trotzdem kleiner als derjenige von Oberschwaben und Hohenlohe blieb. Das in dieser Zeit entstandene Handwerk und der Mittelstand beherrschen so noch heute die wirtschaftliche Struktur Württembergs.
"Das schönste Land in Deutschlands Gaun..."
Kulturell gesehen zählen Enge und Strenge zu den Charakteristika altwürttembergischer Verhältnisse. Aufgrund dieser nicht nur sozialen, sondern auch geistigen und geistlichen Enge kehrten berühmte Schwaben wie Friedrich Schiller, Friedrich Hölderlin und Friedrich Wilhelm Hegel dem Land den Rücken. Wieder andere, wie der Frühlingserwecker Eduard Mörike, zogen sich in eine Art innere Emigration zurück. Neben der Entstehung von zahlreichen verwaltungstechnischen Verordnungen entstand der berühmt-berüchtigte württembergische Schreiberstaat. Dessen Produkt ist der heute so sparsame, fleißige und genaue Schwabe.
Was ist für die Befragten aber im Gegenzug überhaupt typisch badisch? "Freihaid, Hass gege Unnerdrückung aus Stuugard odder sonschdwo!" sagt dazu einer der Befragten, ein 22-jähriger Ellmendinger. Ausgiebig widmet sich dem Thema das Badnerlied: "Das schönste Land in Deutschlands Gaun, das ist das Badner Land. Es ist so herrlich anzuschaun und ruht in Gottes Hand." Traditionelle Verse wie auch Neudichtungen sind zum einen ein Lob auf die badischen Lande. Immer wieder aber wurde das Badnerlied für lokalpolitische Zwecke eingesetzt. So zum Beispiel in den 1970er Jahren bei den Prostesten gegen das geplante Kernkraftwerk im südbadischen Wyhl: "Wie schön ist's noch im Badnerland. Am Kaiserstuhl wächst Wein. Dies KKW in Wyhl, o Schand, wir Badner sagen nein." Das Kernkraftwerk wurde dann übrigens tatsächlich nicht gebaut...
Karlsruhe - die dörfliche Metropole
Ein berühmter Badener auf der Suche nach der letzten Strophe: Ossi W. Pink (Foto: pr) |
Aber auch der ungeliebte Schwabe darf im Badner-Lied natürlich nicht zu kurz kommen, denn "wer verrät das Badnerland, der sei grad überführt, der sei wie jener Schwabenfreund zum Galgen hingeführt". Die badische Hymne erzählt eben nicht nur viel über das badische Selbstverständnis, sie ist auch Ausdruck des nicht immer entspannten Verhältnisses zu den schwäbischen Nachbarn. Und sie wächst stetig weiter: Der Freiburger Ossi W. Pink, Badener des Jahres 1995, hat sich zur Aufgabe gemacht, bekannte und noch unveröffentlichte Strophen zu sammeln. Längst hat seine Sammlung die Marke von 700 Strophen überschritten; Pink peilt nun die tausendste Strophe an (ka-news berichtete).
Was schätzen aber in Karlsruhe lebende Badener nun so an ihrer Stadt? "Die sympathische Mischung aus Kleinstadt und Metropole: Karlsruhe hat viele Vorzüge einer 'echten' Großstadt", sagt schwärmerisch einer der Befragten. Überhaupt: die Nähe von Stadt und Land und die trotzdem bestehenden Vorzüge der Fächerstadt als Großstadt: nicht ausufernde Kriminalität, ein großes Freizeit- und Kulturangebot, von dem die Befragten die städtischen Bäder, die Badische Landesbibliothek und das ZKM am meisten schätzen. Aber ist das schon "typisch badisch"?
Der widersprüchliche Badener und sein untypischer Wein
"Dazu kommt, dass die Region kulinarisch zu den spannendsten der Republik gehört", freut sich ein Befragter. Anlass zu striktem Patriotismus? Mitnichten: Unter den befragten Badenern, denen man ja unterstellt, quasi von Geburt an Weinliebhaber zu sein, gibt es offenbar keine Vorliebe für badischen oder überhaupt einen bestimmten Wein! Im Gegenteil, zwei der Befragten genießen überhaupt keinen Wein, der Großteil der Befragten schätzt "unbadische" Weine wie Württemberger Riesling oder Pfälzer Weine. Badische Weltoffenheit? Die kann auch vereinnahmend sein: Selbst Spätzle, eine eigentlich württembergische Spezialität, wird von einem befragten Badener lächelnd als "typisch badisch" bezeichnet.
Was also macht ihn überhaupt aus, den "typischen Badener"? Liberal und weltoffen sei er, kleingeistig und engstirnig - und zwar fast gleichzeitig. Ebenso wie abweisend und gastfreundlich, sagt ein Großteil der Befragten. Dennoch können die "bodenständigen, biederen, etwas steifen, pedantischen" Karlsruher, die "oberflächlich, freundlich, dennoch egoistisch, abgehoben und voreingenommenen" sind - ein widersprüchliches Völkchen also - durchaus liebenswerte Menschen sein. So zeigen sich "die Gegensätze zwischen Dorf und Weltstadt" in den Verhaltensweisen der Menschen. "Hat man aber das Herz eines Badeners erst einmal gewonnen, teilt dieser mit einem Württemberger zum Beispiel Tisch und Stuhl" - und in manchem Fall auch noch das Bett. DER Schwabe gilt dagegen immer noch als "zielstrebig, tatkräftig", aber auch als "verbissener und lustfeindlich". Aber: "Die Unterschiede verwässern jedoch zusehends."
Das zugegeben recht uneinheitliche, fast verwirrende Ergebnis der (nicht ganz ernst zu nehmenden) Umfrage lässt vermuten, dass die "badisch-schwäbischen Animositäten über nicht ernst gemeinte Frotzeleien nicht hinausgehen", wie einer der Befragten meint. Dafür spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass sich nicht nur unter den Befragten aus allen Teilen der Welt zugezogene Neu-Badener befinden. Was die "badische Seele" nun tatsächlich ausmacht, scheint zwar weiter wenig greifbar. Aber offenbar tut das ihrer Anziehungskraft wenig Abbruch.