Herr Guse, Sie haben Ihre Wissenschaftliche Arbeit über die Akzeptanz der Karlsruher Bürger gegenüber des Jahrhundertprojekts Kombilösung geschrieben. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
In Zeiten viel diskutierter und oft auch stark kritisierter Verkehrsgroßprojekte, beispielsweise Stuttgart 21 oder der Berliner Flughafen "BER", spielen Fragen nach Bürgerbeteiligung und Nachhaltigkeit in der Stadt- und Verkehrsplanung eine zunehmend wichtige Rolle in der öffentlichen Diskussion. Mobilität ist nämlich für alle Lebensbereiche von maßgeblicher Bedeutung und die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit des Verkehrs damit für jede Stadt immens wichtig.
Die Kombilösung betrifft wohl nahezu jeden Bürger in Karlsruhe und sehr viele Menschen aus dem Umland, ganz egal, ob diese nun die Straßenbahn oder andere Verkehrsmittel nutzen. Daher fand ich es äußerst interessant mich damit auseinanderzusetzen, wie die Zielsetzungen der Kombilösung heute, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der massiven Umbautätigkeit in der Innenstadt, von den Bürgern beurteilt werden.
Akzeptanz ist nicht leicht zu messen. Wie sind Sie vorgegangen?
Die Grundlage des Forschungsprozesses bildeten theoretische Vorüberlegungen aus der Literatur bezüglich Aspekten wie der Nachhaltigkeit in der Stadt- und Verkehrsplanung oder auch der Bürgerbeteiligung. Auf dieser Basis wurden Expertengespräche mit Fachleuten, unter anderem des Stadtplanungsamts, der Kasig und des Bund (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Anm. der Red.) geführt. Diese dienten der Sammlung grundlegender Informationen und bildeten wiederum die Ausgangsbasis für einen Fragebogen, mit dem Passanten in der Karlsruher Innenstadt hinsichtlich ihrer Meinung gegenüber der Kombilösung befragt wurden.
Dabei stand besonders im Vordergrund, wie die Bürger die Zielsetzungen der Kombilösung beurteilen, aber auch, ob sie beispielsweise Informationsangebote wie den Pavillon K. oder die Homepage nutzen, wie gut sie sich über Umbautätigkeiten und Einschränkungen informiert fühlen und inwiefern die aktuellen Baumaßnahmen sie beeinträchtigen. Mithilfe der Analyse dieser unterschiedlichen Aspekte konnten wesentliche Erkenntnisse über die Beurteilung durch die Bevölkerung gewonnen werden.
Gibt es einen Unterschied zwischen der Akzeptanz bei jüngeren und älteren Bürgern?
Es sind deutliche Unterschiede in der Beurteilung zwischen verschiedenen Altersgruppen auszumachen. So bewertet die Gruppe der "Schüler/Studenten/Auszubildenden" die Kombilösung zu 71,4 Prozent mit "gut" oder gar "sehr gut", während die gleichen Antwortkategorien in der Gruppe der "Rentner" nur einen Wert von 37,5 Prozent erreichen.
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass ältere Menschen die Zielsetzungen der Kombilösung nicht nur deutlich schlechter bewerten als jüngere Bürger, sondern sich auch stärker durch die aktuellen Umbautätigkeiten beeinträchtigt fühlen. Auch zwischen anderen Gruppen lassen sich Differenzen erkennen. So gaben beispielsweise 87,2 Prozent der Männer an, bereits Informationsangebote wie zum Beispiel den Pavillon K. genutzt haben, was auf lediglich 58,7 Prozent der befragten Frauen zutrifft.
Was sind die Hauptkritikpunkte der Kombilösungs-Gegner?
Als zentraler Kritikpunkt der Gegenbewegungen war vor allem der Zweifel an der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Ost-West-Verbindung durch den Tunnel unter der Kaiserstraße auszumachen. So werden die Fahrzeugführer der Bahnen im Tunnel in Zukunft, anders als heute, beispielsweise nicht mehr "auf Sicht" fahren können, was möglicherweise zu einer größeren Anfälligkeit des Systems und zu Zeitverzögerungen führen könnte.
Die Kombilösung wurde früher von den Kritikern oft als "Millionengrab" bezeichnet. Im Rahmen eines Expertengesprächs wurde aufgrund der gestiegenen Baukosten heute gar von einem "Milliardengrab" gesprochen. Die Gegenpositionen bestehen zum Teil noch immer, allerdings haben die kritischen Stimmen spätestens seit Baubeginn immer stärker abgenommen.
Einige Einzelhändler in der Innenstadt klagen über deutliche Geschäftseinbußen seit dem Baubeginn. Haben Sie herausfinden können, ob und ,wenn ja, wie viele Karlsruher die Innenstadt seit Baubeginn seltener besuchen?
Innerhalb der Umfrage hat sich gezeigt, dass sich klare Vermeidungstendenzen vieler Bürger entwickelt haben. Etwa 31 Prozent der Befragten gaben an, dass sie seit Beginn der Umbautätigkeiten die Innenstadt seltener besuchen und etwa 30 Prozent kaufen laut eigenen Angaben auch seltener in Karlsruhe ein.
Es kann meiner Meinung nach also durchaus festgehalten werden, dass die Innenstadt durch die Baumaßnahmen aktuell an Attraktivität verloren hat. Allerdings werden von Seiten der Kasig Kompensationszahlungen geleistet, die zumindest teilweise die Verluste der Geschäfte ausgleichen sollen.
Letztlich kommen Sie zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Karlsruher das Projekt als insgesamt positiv einstuft. Hat Sie Ihr eigenes Ergebnis überrascht?
Von den Befragten bewerten 59,1 Prozent die Zielsetzungen der Kombilösung mit "gut" und 5,5 Prozent sogar mit "sehr gut". Diese Mehrheit hat mich schon überrascht, da ich eher damit gerechnet hätte, dass die bereits seit Jahren andauernden Baumaßnahmen die eigentlichen Ziele des Projekts noch stärker in den Hintergrund rücken lassen und die Meinung negativ beeinflussen.
Durch die momentanen großflächigen Baumaßnahmen fühlen sich mit 88,2 Prozent zwar nahezu alle Befragten gestört, der Umgang der Karlsruher damit ist jedoch meist sehr pragmatisch: Die Baustellen werden als notwendiges und temporäres Übel betrachtet, das für eine Verbesserung der Situation in der Zukunft unumgänglich ist. Interessant wäre sicherlich, die Befragung einige Jahre nach Fertigstellung der Kombilösung zu wiederholen und somit zu erfahren, wie zufrieden die Bevölkerung mit dem tatsächlichen Ergebnis schlussendlich sein wird.
Anmerkung: Für weitere Fragen zu seiner Arbeit steht Robert Guse per E-Mail (hier klicken) zur Verfügung.
Die Fragen stellte Karsten Schäfer.
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