ka-news.de: Hallo Frau Hatzelmann-Bayer. Wie häufig klingelt bei der TelefonSeelsorge Karlsruhe an einem Tag oder in einer Woche das Telefon?
Also insgesamt sind es pro Jahr 11.000 Anrufe. Auf einen Tag heruntergerechnet wären dies zirka 31 Stück.
Was sind die häufigsten Sorgenthemen der Anrufer?
Bei unseren Anrufern ist Einsamkeit ein richtig großes Thema. Genauso Ängste, depressive Stimmungen und schwerwiegendere Depressionen. In jedem zehnten Gespräch geht es zudem um Suizidgedanken. Entweder, weil die Personen selbst Suizidgedanken haben oder hatten, oder weil sie sich um jemanden Sorgen machen, der welche haben könnte.
Ursprünglich wurden wir ja auch gegründet, um Menschen mit Suizidgedanken schnell und unbürokratisch zu helfen.
Wie redet man denn am besten mit solchen Menschen? Gibt es Tipps, die auch wir als Privatpersonen umsetzen können?
Der größte Fehler, den wir alle gerne machen, ist, dass wir häufig direkt eine Lösung parat haben möchten. Dabei ist es falsch, direkt Tipps zu geben. Man sollte sich zunächst auf die Person einlassen und der Person wirklich aktiv zuhören.
Anschließend sollte man das Gesagte zusammenfassen, nachfragen und dann gemeinsam mit der anrufenden Person eine Lösung finden. Denn häufig schlummert in der Person selbst schon die Antwort, die man gemeinsam erkunden kann.
Belasten die Gespräche die Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht selbst? Bzw. wie schützt man sich davor?
Das ist tatsächlich eine Kunst, sich auf die anrufende Person einzulassen und gut zuzuhören, sich gleichzeitig aber nicht emotional in das Problem reinreißen zu lassen. Nach dem Gespräch sollte man sich auch wirklich Zeit nehmen, das Gespräch Revue passieren zu lassen, um es dann wieder zur Seite legen zu können. Das ist nicht immer leicht, aber auch das kann man lernen.
Was denken Sie, wie sich die Situation in den kommenden 60 Jahren entwickeln wird: Wird es eher mehr oder eher weniger Telefonate geben als in der Vergangenheit?
Vorneweg ist wichtig zu erwähnen, dass die TelefonSeelsorge nicht nur Gespräche am Telefon, sondern auch Seelsorge per Chat und Mail anbietet. Die Chatberatung wird besonders häufig von jüngeren Menschen genutzt. Deshalb müssen diese Angebote in Zukunft ausgebaut werden.

Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich denke, dass das Bedürfnis mit uns als Seelsorgerinnen und Seelsorger zu sprechen oder zu chatten, weiterhin bleiben wird. Wahrscheinlich werden die Chats aber zunehmen und die Anrufe weniger werden.
Aber konnten Sie in den vergangenen Jahren denn einen Zuwachs an hilfesuchenden Personen feststellen, bspw. anhand der eingehenden Anrufe?
Wir arbeiten hier in Karlsruhe und bundesweit an der oberen Auslastungsgrenze. Es gibt seit vielen Jahren mehr Anrufversuche als wir annehmen können. Was man aber sagen kann, ist, dass bundesweit während der Corona-Pandemie die Zahl der Einwahlversuche um zirka 20 Prozent gestiegen ist. Schließlich haben die Menschen sich während dieser Zeit sehr einsam gefühlt und hatten das Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen.
Wie finanziert sich die Telefon Seelsorge? Werden die Mitarbeitenden auch bezahlt?
Unsere Mitarbeitenden arbeiten in der Regel ehrenamtlich. Trotzdem benötigen wir natürlich Gelder, beispielsweise für die Räume, Fortbildungen oder unsere hauptamtlichen Mitarbeitenden. Die Telefon Seelsorge wird in Karlsruhe fast ausschließlich aus Mitteln der katholischen und evangelischen Kirchen finanziert, genauso wie von den Altkatholiken und den Baptisten. Zudem gibt es Zuschüsse von der Stadt Karlsruhe, dem Landkreis Karlsruhe und dem Landkreis Rastatt.
Kann man sich auch als Mitarbeitender bei der TelefonSeelsorge bewerben? Wenn ja, welche Qualifikationen muss man hierfür erfüllen?
Ja, man kann sich jederzeit gerne bewerben. Wir bilden einmal pro Jahr für die Arbeit am Telefon aus. Man braucht keine spezifischen beruflichen Qualifikationen. Vielmehr braucht man eine vorurteilsfreie und offene Haltung Menschen und ihren Problemen gegenüber. Man sollte zudem gerne zuhören und telefonieren. Außerdem sollte man sich selbst nicht in einer Krise befinden.
Gibt es etwas, das Ihnen besonders am Herzen liegt? Worauf Sie vielleicht noch aufmerksam machen möchten?
Ich finde, dass dem Thema Suizidprävention mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Die TelefonSeelsorge hat deshalb die kostenlose App "KrisenKompass" entwickelt, eine Form der Hilfe zu Selbsthilfe.
Unsere Redaktion berichtet im Normalfall nicht über Suizide. Denn mit der Berichterstattung steigt die Gefahr von Nachfolgetaten. Aus diesem Grund gilt es immer abzuwägen, ob das öffentliche Interesse überwiegt oder nicht. Ausnahmen machen wir deshalb nur, wenn ein Fall besondere Auswirkungen auf die Öffentlichkeit hat. Wenn Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, sind Mitarbeiter der Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 rund um die Uhr für Sie erreichbar. In Karlsruhe bieten zudem der Kriseninterventionsdienst K.i.D. und der Arbeitskreis Leben Karlsruhe 0721 811424 Hilfe und Beratung an.