Schon im Frühjahr vergangenen Jahres mehrten sich zudem Klagen über die zwischenzeitlich per Computer erstellten Dienstpläne. Dazu kommt die Anspannung nach diversen Unfällen: "Jedes mal wenn einer bei gelb über die Kreuzung fährt, muss er wieder in die Fahrschule", klagt Straßenbahnfahrer Werner Müller (Name geändert). "Gelb" wie bei einer Pkw-Ampel gibt es zwar an den Signalanlagen der Schienentrassen nicht, die Zeichen dort sind aber durchaus vergleichbar.
"Da müsste sich grundlegend was ändern im Umgang"
"Die Fahrer gehen mit Anspannung in die Arbeit", sagt einer der schon lange dabei ist. Jeder Fahrer und jede Fahrerin der oder die von der Führerkanzel runter genommen wird, fehlt dann logischerweise eine zeitlang im Linienbetrieb. Die Bereitschaft, Überstunden "zu schieben", geht derzeit nahezu gegen Null. "Da müsste sich grundlegend was ändern im Umgang", konstatiert ein Mitglied des Betriebsrats. Ein Teil der täglichen Fahrleistungen zumindest konnte bis vor kurzem noch über die Kollegialität der anderen aufgefangen werden. Das scheint vorbei zu sein. Viele kritische Stimmen richten sich auf die Geschäftsleitung. Mutmaßliche Missstände jedoch allein neuen Führungsstrukturen mit zahlreichen neuen Köpfen unter VBK-Geschäftsführer Walter Casazza zuzuschreiben, wäre zu kurz gegriffen.
"Vor sechs bis acht Jahren sind Fahrer auch mit Schnupfen zur Arbeit gekommen. Heute gehen sie kein Risiko mehr ein", lautet eine Stimme aus dem Betriebsrat. Der Gesprächsfaden zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat scheint zerrissen zu sein. Das zeigt sich darin, dass kein Gesprächspartner "mit Namen bei ka-news" erscheinen will: "Sonst werde ich einen Kopf kürzer gemacht", sagt einer. "Wir haben schon mal eine Mediation vorgeschlagen, um die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung wieder zu verbessern. Das wurde abgelehnt."
Sparwille und neue Teamstruktur
Auch unter dem früheren VBK-Chef Dieter Ludwig war das Verhältnis zum Betriebsrat offenbar deutlich angespannt. Ludwig galt als aufbrausend, sagen langjährige Mitarbeiter. Casazza müsse man zugute halten, so Beobachter, dass er mit zahlreichen veränderten Rahmenbedingungen zu kämpfen hat: diverse Töpfe für den Öffentlichen Nahverkehr wurden gekürzt - zudem habe die Erste Bürgermeisterin Margret Mergen als VBK-Aufsichtsratschefin immensen Sparwillen entwickelt, anders noch als etwa Vorgänger-Bürgermeister Siegfried König.
Die VBK-Geschäftsleitung lässt in einer nicht namentlich gezeichneten Stellungnahme gegenüber ka-news auf die Frage nach der Arbeitsplatzsituation immerhin wissen, dass 2009 eine neue Teamstruktur im Fahrdienst eingeführt worden sei: "Jeder Fahrbedienstete ist einem Team zugeordnet und hat im Teamleiter einen gut erreichbaren direkten Vorgesetzten." Dort würden auch regelmäßig Mitarbeitergespräche stattfinden.
Verbesserung in der Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft
"Über das Betriebsklima sind mir keine Klagen bekannt", sagt auf Anfrage Hans Pfalzgraf (SPD), stellvertretender Vorsitzender des VBK-Aufsichtsrats. Der einstige Maschinenschlosser Pfalzgraf, selbst Gewerkschafter, will wahrgenommen haben, dass es "eher eine Verbesserung in der Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft gebe". Etwas anders sieht das freilich Bettina Lisbach, Grüne Fraktionschefin im Gemeinderat und ebenfalls Mitglied im VBK-Aufsichtsrat.
"Nach verschiedenen Gesprächen mit Fahrern habe ich den Eindruck, dass die Belastungen für das Fahrdienstpersonal in den letzten Jahren und besonders die letzten Monaten stark gestiegen sind. Jetzt kamen dann noch die enorme Hitze mit krankheitsbedingten Ausfällen und die vielen Baustellen in der Innenstadt hinzu", sagt Lisbach. All das erzeuge Stress, Unruhe und Unzufriedenheit.
Ablöse schon bei kleinen Vergehen?
VBK-Fahrer Joseph Fischer (Name geändert), der schon im Juni ka-news auf die sich häufenden Kurslinienausfälle aufmerksam machte, berichtet "von einer starken Verunsicherung". Wagenführer würden selbst bei kleinsten Vergehen abgelöst und vom Fahrdienst suspendiert. Da würden die Leute lieber zu Hause bleiben "anstatt dem Betrieb einen Gefallen zu tun und dann womöglich noch bestraft zu werden". Niemand sei schließlich frei von Fehlern, so Joseph Fischer. Am Wochenende des Durlacher Altstadtfestes hätten dann beispielsweise Nachmittags auf der Linie 5 mindestens zwei von acht Kursen - und auf Linie 2E/6 mindestens 3 Kurse gefehlt.
Geteilte Meinung gibt es zur neuen Betriebsvereinbarung - noch verhandelt vom alten Betriebsrat - der zufolge die Länge der Arbeitsschichten festgeschrieben wurde. Sie ist gültig seit Dezember 2009, und regelt "eine maximale Ausbleibezeit" von bis zu elf Stunden; das bringt im Durchschnitt eine Verbesserung um jeweils eine Stunde Maximaldauer der Arbeitsschichten für jeden Straßenbahnfahrer.
Niedrigerer Krankenstand - weniger Reservefahrer
Die Krankenstände scheinen sich im Rahmen des üblichen zu bewegen. "Der Krankenstand im Fahrdienst liegt unter dem des Vorjahreswert und deutlich unter dem bundesweiten Branchendurchschnitt", heißt in der Stellungnahme der VBK-Geschäftsleitung. Beim Betriebsrat spricht man von derzeit 30 krank geschriebenen Straßenbahnfahrern, acht erkrankten Busfahrern. Lange vorbei sind die Zeiten, als auf dem Betriebshof - oder einer der Werkstätten - über den Tag verteilt bis zu zehn so genannte "Reservisten" bereit standen, die ausfallende Kollegen auf Kurslinien ersetzen können. "Das ist heute gerade mal noch die Hälfte", sagt ein Betriebsrat.
Schon im September, unmittelbar nach der Urlaubszeit, dürfte die Anspannung wegen möglicher Kurslinienausfälle wieder größer werden. Etwas Luft verschaffen können sich die Verkehrsbetriebe jedoch zu Beginn des kommenden Jahres. Dann nämlich werden zwei neue Fahrschulkurse mit jeweils zehn Fahrern fertig sein, die vakante Stellen oder ausscheidende Kollegen ersetzen können.
Casazza: Fahrdienst als Herzstück
VBK-Geschäftsführer Walter Casazza hatte kürzlich gegenüber Aufsichtsräten den "Fahrdienst als unser Herzstück" bezeichnet. Doch stimmt das mit der Wirklichkeit überein? Ein Mitglied des Betriebsrats bleibt skeptisch, und fordert ein grundlegendes Umdenken in der Wertschätzung: "Die Fahrer werden in Augen der Geschäftsleitung nach außen als wichtiges Element dargestellt - innerbetrieblich ist es das genaue Gegenteil", schimpft der altgediente VBK’ler, der ein Maximum der Belastbarkeit des Fahrpersonals längst überschritten sieht.
Zu Teil 1 der Artikelserie: Fahrermangel? Wenn 13 Bahnen ins Depot einfahren