Es sind nicht die Umleitungen, die aufgrund zahlreicher - und vor allem: gleichzeitig stattfindender Gleisbauarbeiten – derzeit für Schweiß auf der Stirn der Verantwortlichen sorgen müssten. Es sind auch nicht die ersten Haltestellenarbeiten für die Kombilösung. Jedenfalls nicht allein: Derzeit leiden die Verkehrsbetriebe in Karlsruhe allzu offensichtlich unter eklatantem Fahrermangel. An einem Samstag im Juni sind sage und schreibe 13 Bahnen wieder ins Depot eingefahren - weil an der jeweiligen Übergabestelle bei Schichtwechsel der Ersatzfahrer fehlte.
Fahrer wandte sich an ka-news
VBK-Fahrer Joseph Fischer (Name geändert) hatte sich im Juni erstmals an die Redaktion von ka-news gewandt: "Seit Anfang Juni fahren immer wieder mal Kursbahnen ins Straßenbahndepot ein, weil kein Personal verfügbar ist“, ließ er wissen – besorgt um den guten Ruf der Verkehrsbetriebe. An den Leuchtdioden-Anzeigetafeln der Haltestellen stehe dann zu lesen: "Wegen einer Betriebsstörung kann es zu Verspätungen und Zugausfällen kommen“.
In einem der Fälle, Mitte Juni, habe ein Kollege über Funk die Betriebsleitstelle nach dem Grund für die Rückkehr ins Depot gefragt. Es sei "keine Ablöse da“, habe es schlicht geheißen. Ein anderer AVG-Fahrer bestätigt zeitgleich "personelle Engpässe“ bei den Bahnen des Schwesterbetriebs VBK, die vor allem auf den innerstädtischen Linien eingesetzt werden. Es ist allgemein Gesprächsthema bei den VBK.
VBK: Es hat keine Ausdünnung stattgefunden
Die Geschäftsleitung der Verkehrsbetriebe ließ in einer durch die Pressestelle übermittelten und nicht namentlich gezeichneten Stellungnahme gegenüber ka-news- angefragt worden war VBK-Chef Walter Casazza - wissen, dass es "in den zurückliegenden Wochen vereinzelt zu Ausfällen von Fahrten kam“. Gründe seien zumeist "kurzfristige Krankmeldungen“ gewesen, "eine Taktausdünnung habe nicht stattgefunden“.
Da wird man freilich anderswo deutlicher: "An jedem Werktag fallen derzeit zwei bis drei Züge aus“, sagt ein Betriebsrat gegenüber ka-news. Und zwar offenbar, weil definitiv zu wenig Fahrer da sind. Die 13 Ausfälle an jenem Samstag im Juni werden vom Betriebsrat bestätigt. Auf "30 bis 40 Fahrer zu wenig“, bezifferte VBK-Fahrer Joseph F. den Mangel im Juni: verglichen zu einem Zeitraum vor vier bis fünf Jahren. Joseph Fischer beruft sich dabei auf Kollegenaussagen. Beim Betriebsrat geht man davon aus, dass derzeit "etwa 15 bis 20 Fahrer fehlen“.
Fahrerabbau nach Gutachten zur Wirtschaftlichkeit
Nach Restrukturierung des Betriebs, mit Einschaltung einer Unternehmensberatung vor etwa zwei Jahren, sei es vor allem darum gegangen "als durchschnittlich gut geführter Betrieb“ klassifiziert zu werden; das Wirtschaftlichkeitsgutachten hatte Personalabbau gefordert, um Anforderungen des EU-Vergaberechts zu erfüllen. 15 Fahrerstellen wurden damals gekürzt - angeblich vor allem im Busverkehr.
Bei den VBK gibt es neben Bus- und Bahnfahrern auch so genannte "Kombi-Fahrer“, solche also, die sowohl mit Bussen als auch auf Bahnen fahren können. Die Anforderungen zum innerstädtischen Straßenbahnverkehr sind sehr hoch - eine 3-monatige Schulung ist vorgeschrieben. Derzeit gebe es 260 Straßenbahnfahrer, und weitere 60 "Kombi-Fahrer“, ließ die VBK-Geschäftsleitung jetzt in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber ka-news wissen. Hinzu kämen Aushilfskräfte, bestehend aus Werkstatt- und Verwaltungsmitarbeitern oder ehemaligen Betriebsangehörigen, die - so die Aussage: "bei Bedarf zusätzlich eingesetzt werden“.
Keine detaillierten Mitarbeiterzahlen mehr im Geschäftsbericht
Auch hier gibt es allerdings differierende Zahlen, die kursieren: der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der VBK, Hans Pfalzgraf (SPD), teilte auf Anfrage von ka-news seinen aktuellen Kenntnisstand mit. Danach gebe es bei den Verkehrsbetrieben 294 Personen Fahrpersonal bei den Bahnen, 92 Personen Fahrpersonal Busse, sowie 58 so genannte "Kombi-Fahrer“. Im vergangenen Jahr seien zudem 41 Personen Fahrpersonal neu eingestellt worden.
Schon seit Jahren weisen die Verkehrsbetriebe im jährlichen Geschäftsbericht keine detaillierten Mitarbeiterzahlen mehr aus; in dem zuletzt 2004 von Dieter Ludwig verantworteten Bericht war dies noch anders. Aufklärung für "das Delta“ der unterschiedlichen Zahlen gibt es bei diesen widersprüchlichen Aussagen nicht auf die Schnelle. Vergleiche der absoluten Zahlen zu den Vorjahren sind fast ein Ding der Unmöglichkeit - und womöglich ist das nicht wirklich ein Zufall. Bei den Geschäftsberichten ist inzwischen auch deutlich die Handschrift der VBK-Aufsichtsratschefin, Erste Bürgermeisterin Margret Mergen (CDU) zu erkennen.
"Die Bereitschaft zu Überstunden geht heute gegen Null“
Stattdessen wird in der aktuellen Ausgabe des Anfang Juli vorgelegten Geschäftsberichts für 2009 besonders hervorgehoben, dass 96 Mitarbeiter - bei einem VBK-Stamm von insgesamt rund 1.100 Personen - mit Arbeits- und Freistellungsphase in Alters-Teilzeit befänden. Das sind immerhin fast zehn Prozent des Personals. Sparen scheint also angesagt, was indirekt auch vom Betriebsrat bestätigt wird. "Wir waren immer schon ein eher schmal geführter Betrieb, viel wurde über Überstunden abgedeckt“, sagt ein Mitglied des Betriebsrats im Gespräch mit ka-news. Jeder Fahrer, jede Fahrerin habe früher 20 bis 25 Stunden Überstunden im Monat geleistet, ergänzt der Betriebsrat. Das sei heute nicht mehr so: "Die Bereitschaft zu Überstunden geht heute gegen Null“.
Personelle Abgänge seien lange "einfach so hingenommen worden, ohne für ausreichend Neueinstellungen zu sorgen“, kritisiert der Betriebsrat. Die Probleme seien lange bekannt. Doch reagiert werde erst jetzt, seit Beginn diesen Jahres. Es dauere mindestens anderthalb bis zwei Jahre, bis alles wieder einigermaßen im Lot ist, lautet das harsche Urteil. Die vergleichsweise eher schlechte Bezahlung der Fahrer, und die danieder liegende Arbeitsatmosphäre tut wohl ein übriges dazu.
"temporärer Personalmehrbedarf“
Die VBK-Geschäftsleitung ist da eher einsilbig: "Bei den VBK gab es aufgrund des geänderten Liniennetzes einen temporären Personalmehrbedarf“, heißt es, während offenbar nicht mal der Grundbedarf abgedeckt zu sein scheint. Die Geschäftsleitung räumt allerdings ein, dass die Fahrer aufgrund "häufig veränderter Linienführungen“ und auch aufgrund "der heißen Sommerwochen“ gegenwärtig höheren Belastungen ausgesetzt seien. Die Frage, ob es derzeit Fahrermangel gebe, bleibt unbeantwortet.
Über das Arbeitsklima bei den VBK und die Arbeitssituation der Fahrer wird ka-news in Kürze in einem weiteren Artikel berichten.