Herr Majewski, im Dezember ist ein Hausbesitzer in Rastatt wegen einer Räumungsklage erschossen worden, am Mittwoch tötete ein 53-Jähriger vier Menschen und sich selbst, darunter einen Gerichtsvollzieher. Wie oft erfahren Gerichtsvollzieher Aggressionen und Anfeindungen?
Zunächst muss man sagen, dass diese beiden Fälle eine absolute Ausnahme darstellen. Aber auch wenn solche extremen Fälle äußerst selten sind, kann es bei Zwangsvollstreckungen grundsätzlich zu schwierigen Situationen kommen. Die Maßnahme ist nun einmal die ultima ratio und greift stark ins persönliche Leben der Schuldner ein. Da spielen Emotionen mit, die die Gewaltbereitschaft deutlich erhöhen können. Deshalb birgt der Beruf grundsätzlich ein Gefährdungspotential - und da bleibt immer ein gewisses Restrisiko.
Haben Fälle von Gewaltbereitschaft zugenommen?
In den letzten 10 bis 15 Jahren lässt sich zwar keine konkrete Tendenz erkennen, dass Gerichtsvollzieher mit mehr Gewalt konfrontiert werden. Die Hemmschwelle für Anfeindungen ist aber sicherlich gesunken, man hat heute weniger Respekt vor Amtspersonen.
Ist der Beruf schwieriger geworden?
Ja, die Anforderungen sind höher als noch vor 20 Jahren. Zum einen haben es die Beamten heute mit vielen verschiedenen Nationalitäten und damit auch Sprachen zu tun, zum anderen arbeiten sie oft auch in sozialen Brennpunkten.
Müssten Sie dann nicht anders ausgebildet werden?
Sie werden zum Beispiel psychologisch geschult, man hat durchaus auf die veränderte Situation reagiert in den letzten Jahren.
Wie sieht es mit Polizeischutz aus - wäre eine prinzipielle Begleitung wünschenswert?
Nein. Das wäre nicht nur eine Überreaktion, sondern auch technisch und personell überhaupt nicht umsetzbar. Grundsätzlich steht den Gerichtsvollziehern immer frei, polizeiliche Begleitung hinzuzuziehen, wenn der Verdacht einer Gefahr begründet ist. In schwierigen Fällen wird deshalb immer die Polizei dabei sein. Bloß sollte man auch bedenken, dass der Anblick einer Polizeiuniform in solchen Situationen die Gewaltbereitschaft sogar noch erhöhen kann.
Wäre statt einer dauerhaften Polizeibegleitung auch eine Bewaffnung denkbar?
Eine dauerhafte und zwingend angeordnete Bewaffnung im Sinne des ständigen Tragens einer Waffe ist wohl nicht möglich und wäre überzogen. Aber jeder Kollege, der sich gefährdet fühlt, sollte in begründeten Fällen eine Berechtigung zum dienstlichen Führen einer Waffe erhalten. Zudem sollte generell das polizeiliche Pfefferspray genehmigt werden.
Haben Sie von Kollegen gehört, die schon lange Angst vor solchen Terminen haben?
Ja, natürlich haben viele Kollegen gerade nach solchen Ereignissen ein mulmiges Gefühl oder spüren eine gewisse Verunsicherung. Aber letztendlich ist sich jeder des Restrisikos dieser Tätigkeit bewusst - sonst könnte man den Beruf gar nicht ausüben.
(Fragen: Tabea Rueß)