Die Karlsruher Stadträte beraten und diskutieren Anfang März über den Haushaltsentwurf und stimmen dann über den Doppelhaushalt 2015/16 ab. Bereits am 2. Dezember hatten Oberbürgermeister Frank Mentrup und Finanzbürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz in ihren Haushaltsreden einen ersten Entwurf vorgestellt: Es soll wieder viel in die Zukunft der Stadt investiert werden. Karlsruhe wird seit vier Jahren aber auch das erste Mal wieder einen Kredit aufnehmen müssen. Die Pro-Kopf-Verschuldung könnte sich zudem in den nächsten zwei Jahren voraussichtlich verdreifachen.Außerdem soll der Gewerbesteuer-Hebesatz um 20 Prozentpunkteerhöht werden.
Am Dienstag nahmen die Fraktionen und Einzelstadträte über fünf Stunden zu dem Haushaltsentwurf der Stadtverwaltung Stellung.
CDU: Haushalt an Grenze der Genehmigungsfähigkeit
Die CDU-Fraktion warnt "vor Fatalismus und mahnt dringend zur Rückkehr zu einer verantwortlichen, vorsichtigen Haushaltspolitik". CDU-Fraktionsvorsitzender Tilman Pfannkuch sagte: "Dieser Haushalt ist an der Grenze der Genehmigungsfähigkeit, selbst wenn er eine Mehrheit erhalten sollte."
Der Haushaltsentwurf habe vor allem ein "Ausgabenproblem". "Wir wollen gewiss nicht dramatisieren. Auch wenn es vielen anderen Kommunen schlechter gehen mag: Die untrüglichen und unstrittigen Signale, die das Finanzdezernat verbreitet, erfordern ein radikales Gegensteuern. Und das gilt erst recht, wenn wir große Herausforderungen und neue Projekte in den folgenden Doppelhaushalten noch vor uns haben", so Pfannkuch. Deshalb plädiere die CDU dafür, bestehende Stellschrauben jetzt richtig zu bedienen. "Die Gewerbsteuer ist allerdings ohne Zweifel die falsche Schraube." Eine Erhöhung um fast fünf Prozent auf 430 Punkte hätte eine abschreckende Wirkung, bei einem Haushalt, der im Moment keine besonderen Herausforderungen bewältige.
Der vorgelegte Doppelhaushalt sei nur im Verbund mit einer soliden mittelfristigen Finanzplanung genehmigungsfähig. "Die Leichtgewichtigkeit, mit der an diese Haushaltsberatungen herangegangen wurde, ist beängstigend", so Pfannkuch. "Wer im Blindflug fliegt, fährt unsere soliden Stadtfinanzen an die Wand."
SPD: Pakt für Wachstum
SPD-Fraktionsvorsitzender Parsa Marvi erklärte: "Wir müssen heute investieren, damit Karlsruhe auch morgen noch spitze ist." Die wachsende Stadt diene aber nur dann dem Gemeinwohl und sei nur dann erfolgreich, wenn sie zugleich eine soziale Stadt für alle Menschen sei.
"Wir brauchen einen Pakt für Wachstum", so Marvi. "Denn nur über die Steigerung der Erträge der Gewerbesteuer und unseren kommunalen Anteil an der Einkommenssteuer können wir unser schon heute hohes Leistungsniveau halten." Die SPD stimme daher auch der Anhebung des Gewerbesteuersatzes von 410 auf 430 Hebesatzpunkte zu.
Im Gen-Code der Stadt sei seit 300 Jahren programmiert, dass neue Menschen willkommen seien. "Deshalb weisen wird die Bestrebungen derjenigen zurück, die Deutschland und Karlsruhe abschotten wollen. Gerade an die Adresse der AfD sage ich: Wer diese Weltoffenheit in Frage stellt, wer den Euro in Frage stellt und wer Einwanderung zu einem Stigma machen will, der schadet Karlsruhe", so der SPD-Stadtrat.
Die SPD-Fraktion stimme diesem Haushalt zu, so Marvi. "Denn wenn wir es heute nicht schaffen, in die Zukunft unserer Stadt, in die Zukunft unserer Infrastruktur zu investieren, so handeln wir entschieden gegen die Interessen nachfolgender Generationen." Marvi weiter: "Wer diesem Haushalt und dieser Linie nicht zustimmt, der versteht entweder zu wenig von moderner Wirtschaft oder zu wenig von starken Städten. Wir Sozialdemokraten verstehen beides."
Grüne: Fehler nicht wiederholen
"Nachdem in den letzten Jahren die Steuereinnahmen sprudelten, stehen wir nun vor schwierigen Jahren", sagte Grünen-Stadträtin Ute Leidig. "Anstatt in den Substanzerhalt zu investieren, wurden Großprojekte auf den Weg gebracht, die unseren Haushalt durch hohe Folgekosten dauerhaft und massiv belasten und unsere Spielräume stark einschränken. Diese Fehler dürfen nicht wiederholt werden", kritisieren die Grünen.
"Auf der Einnahmenseite haben wir, wie von Ihnen, Frau Bürgermeisterin Luczak- Schwarz, ausgeführt wurde, 'historische Höchststände erreicht', vor allem wenn wir - wie von der Verwaltung vorgeschlagen - die Gewerbesteuer anheben. Diese Anhebung werden wir unter der Voraussetzung mittragen, dass die Mehreinnahmen in die Erhaltung und Steigerung der Lebensqualität und Daseinsvorsorge in Karlsruhe fließen", so die Grünen-Stadträtin.
Die Entscheidung des Gemeinderats für einen Stadionneubau halten die Grünen "immer noch für falsch, da sie darauf basiert, dass der KSC zukünftig jährlich eine Miete inklusive Instandhaltungspauschale von etwa 3,4 Millionen Euro zahlen wird." Leidig fragte: "Welches Wunder soll denn jetzt geschehen, damit die zukünftige Rechnung aufgeht?" Leidig kritisierte zudem "die Verschuldung der städtischen Gesellschaften". Diese nehme in Karlsruhe "dramatische Ausmaße" an, so Leidig.
Kult: Echte Generationen-Gerechtigkeit notwendig
"Wir alle haben erkannt, dass vieles nicht bezahlbar ist, und wir müssen handeln. Der Haushalt zeigt ein klassisches strukturelles Defizit. Dem muss die Stadt entgegen steuern!", warnte der Sprecher der Kult-Fraktion Erik Wohlfeil. "Was muss, was kann die Stadt leisten? Worauf kann sie verzichten? Wie kann die Verwaltung noch effizienter arbeiten?"
Wohlfeil sagte: "Was heute beschlossen wird, müssen meine und zukünftige Generationen noch lange erleben und ausbaden. Echte Generationen-Gerechtigkeit - das wäre Kult für Karlsruhe!" Die Liste der Investitionen sei bekanntlich lang. Ohne neue Kredite werde das nicht funktionieren. Bei knapperen Ressourcen müsse zudem effizienter mit dem Geld umgegangen werden. "Kreditaufnahmen in begrenztem Umfang sind sicher vertretbar. Aber eben nicht für alles. Und die Hebesätze von Gewerbe- oder Grundsteuer zu erhöhen, kann immer nur das letzte Mittel sein", so der Kult-Sprecher.
FDP: Karlsruhe hat Ausgabenproblem
FDP-Stadtrat Tom Hoyem kritisierte in seiner Rede Oberbürgermeister Frank Mentrup. Er sei im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, er wolle "zuhören, verbinden, gestalten". Doch die FDP vermisse das Gestalterische. "Warum wollten Sie eigentlich in Karlsruhe Oberbürgermeister werden? Wohin wollen Sie Karlsruhe führen? Jetzt haben Sie zugehört und verbunden. So weit so gut. Es ist Zeit für Leadership und Visionen. Zeit für das Gestalten", so Hoyem. Gestalten bedeute mehr als Abkassieren.
Zudem forderte Hoyem in seiner Rede statt einer Erhöhung die Abschaffung der Gewerbesteuer. Diese solle durch "geeignete Hebesätze auf die Einkommenssteuer" ersetzt werden. Die FDP warne vor einer Steuererhöhung. "Die Finanzbürgermeisterin beklagt, dass die mittelfristige Finanzplanung nicht erfreulich sei, obgleich wir bei der Ertragssituation historische Höchststände erreichen. Klarer kann es nicht gesagt werden: wir haben in Karlsruhe kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem", kritisiert die FDP-Fraktion.
Außerdem bemerkte Hoyem: "Wir brauchen nicht unendliche und sehr teure externe Prüfer zu holen. Karlsruhe leidet an einer sehr teuren Krankheit. Sie heißt 'Prüferitis'." Er sei glücklich, dass die Steuerzahler nicht wüssten, wie viel Geld für externe Prüfungen "hinausgeschmissen" worden wäre."Ob wir dem Haushalt zustimmen, werden wir erst nach den Beratungen auf der Basis unserer Leitlinien entscheiden", so Hoyem.
Die Linke: KSC muss wesentliche Kosten selbst tragen
Die Linke forderte unter anderem deutlich mehr günstigen Wohnraum. Linke-Stadtrat Niko Fostiropoulos äußerte sich auch zum KSC-Stadion: "Wir gönnen dem KSC ein neues Fußballstadion. Wir sind dafür, dass die Stadt sich an den Kosten beteiligt. Der KSC hat viele Fans, er ist ein wichtiger Imageträger für die Stadt und soll das auch bleiben. Aber der Gemeinderat hat ein neues Wildparkstadion als Geschenk zu 100 Prozent aus Steuern für den Profifußball beschlossen."
Der Stadionbau, sofern er zustande komme, werde ein weiteres Loch in die Haushaltskassen reißen, warnte Fostiropoulos. "Wir bleiben dabei: Der KSC muss die wesentlichen Kosten selbst tragen. Wenn er das noch nicht kann, dann muss er warten bis der Erfolg Geld in seine Kassen spült."
GfK: Da gerät was aus den Fugen
"Rekordeinnahmen auf der einen Seite - Rekordverschuldung auf der anderen Seite. Da gerät etwas aus den Fugen", so GfK-Stadtrat Friedemann Kalmbach. "Für die GfK ist der Haushalt so nicht zustimmungsfähig. Dass eine leichte Steigerung der Ausgaben unumgänglich ist, liegt auf der Hand - aber nicht in diesem vorgesehenen Maße."
Die GfK sei gegen eine Gewerbesteuererhöhung. "Es geht nicht, dass wir aus den wenigen Firmen, die wir haben, immer mehr herausholen, auf die Gefahr hin, dass Arbeitsplätze verloren gehen und diese Firmen ihren Standort hier irgendwann aufgeben", so Kalmbach.
AfD: Wir leben über unsere Verhältnisse
"Wir leben als Stadt über unsere Verhältnisse, und zu welch bitteren Konsequenzen das für die Bürger führen kann, hat man in der jüngeren Vergangenheit in den Städten des Ruhrgebiets sehen können", so AfD-Stadrat Paul Schmidt. Wenn man über seine Verhältnisse lebe, obwohl man immer mehr einnehme, gebe es nur noch eins: "Sparen, Sparen, Sparen! Mit 'Augen zu und durch' kommt man da auf Dauer nicht weiter", meint Schmidt.
"Wenn man über seine Verhältnisse lebt, sollte man zudem tunlichst darauf achten, Risiken für die eigenen Ertragsquellen zu vermeiden. Gerade solche Risiken gehen wir als Stadt aber gerade ein, wenn wir den Gewerbesteuer-Hebesatz erhöhen", so der AfD-Stadtrat. Deshalb sei die AfD strikt gegen die geplante Erhöhung der Gewerbesteuer.
Stadtrat Schmitt: Für ein handlungsfähiges Karlsruhe
Einzelstadtrat Stefan Schmitt (parteilos) sagte: "Den Erwartungen der Bürger kann eine Stadt nur dann dauerhaft Rechnung tragen, wenn sie handlungsfähig bleibt. Handlungsfähig ist sie dann, wenn sie genügend Einnahme hat und vor allem über das Gros ihrer Einnahmen frei verfügen kann." Wenn sich die Pro-Kopf-Verschuldung einer Stadt innerhalb von nur zwei Jahren fast verdreifache, dann sei das ein "Alarmsignal, bei dam man als Bürger hellhörig werden muss".
Neben dem Schuldenanstieg im Kernhaushalt liegen laut Schmitt "weitere tickende Zeitbomben in den städtischen Beteiligungen, an denen die Stadt bis zu 100 Prozent hält". Einer Erhöhung der Gewerbesteuer erteilte Schmitt eine Absage.
Freie Wähler: Schulden sind Zeitbomben
FW Jürgen Wenzel sagte: "Leider enthält der vorliegende Haushaltsentwurf unseres Oberbürgermeisters viel 'Wunschkonzert', aber nichts zur Sanierung des Haushaltes. Wo ist der Mut, seinen Worten Taten folgen zu lassen?" Schulden seien Zeitbomben. "Wir Freie Wähler halten einen Haushalt, der die Milliarde Euro Kreditverbindlichkeiten überschreitet, nicht für solide und schon gar nicht für kontrollierbar", so Wenzel.
"Es dürfe nicht dazu kommen, dass wir die 'Kuh die uns nährt, verenden lassen'", kritisierte der FW-Stadtrat. Daher halten die Freien Wähler eine Gewerbesteueranhebung um 20 auf 430 Hebesatzpunkte für "überhöht und werden diese nicht mittragen". Es wäre ein falsches Signal, da die Umlandgemeinden wie Baden-Baden und Bretten bei derzeit 380 Hebesatzpunkten und Bruchsal und Ettlingen sogar weit darunter liegen würden. "Wollen wir unsere Unternehmen ins Umland verlieren? Wir Freie Wähler wollen das gewiss nicht", so Wenzel.
Das sind die Mehrheitsverhältnisse im aktuellen Gemeinderat:
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