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Karlsruhe: ka-news erklärt: Darum bleibt die Rheintalbahn vorerst auf der Strecke

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ka-news erklärt: Darum bleibt die Rheintalbahn vorerst auf der Strecke

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    Der Streckenabschnitt Karlsruhe - Basel sei mit täglich 250 Zügen des Nah-, Fern- und Güterverkehrs bereits heute ausgelastet.
    Der Streckenabschnitt Karlsruhe - Basel sei mit täglich 250 Zügen des Nah-, Fern- und Güterverkehrs bereits heute ausgelastet. Foto: (Archivbild)

    Kürzlich feierten die Schweizer den Durchstoß des Gotthard-Basistunnels. Damit ist nach über zehnjähriger Bauzeit der Weg frei für einen 57 Kilometer langen Eisenbahntunnel durch die Alpen. Das Bauwerk ist Teil der europäischen Transportnetze und soll nach dem Ausbau auf einer schnellen Eisenbahnverbindung von Rotterdam nach Genua den Alpendurchstoß ermöglichen. Ab 2017 soll hier der Großteil des europäischen Güterverkehrs durch den längsten Tunnel der Welt transportiert werden - und das auf Schienen. Um die Tunnelröhren auszulasten, schlossen die Schweizer mit Deutschland und Italien Verträge ab - die Nachbarn sollen Zubringerlinien bauen.

    Ein Teil dieser wichtigen europäischen Verbindungen ist die Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel. Um den zukünftig aufkommenden Güterverkehr zu bewältigen, soll diese Strecke von zwei auf vier Gleise ausgebaut werden. Die Deutsche Bahn (DB) nennt den Ausbau der Rheintalbahn eines der "wichtigsten Infrastrukturprojekte der Bundesrepublik".

    Doch bisher ist nicht viel passiert beim Großprojekt: Seit 1985 wurden nur 45 Kilometer der 182 Kilometer langen Strecke ausgebaut. Befürworter des Projekts befürchten vor dem Hintergrund des zunehmenden Güterverkehrs einen baldigen Verkehrskollaps und fordern einen schnellen Ausbau. Kritiker warnen dagegen vor einer unzumutbaren Lärmbelästigung für Anwohner. Auch die Finanzierung des Projekts ist nicht abschließend geklärt, Planungen nicht abgeschlossen. Bleibt die Rheintalbahn also auf der Strecke?

    Was ist die Rheintalbahn?

    Die Rheintalbahn - auch "Badische Hauptbahn" genannt - ist eine Eisenbahnstrecke von Mannheim nach Basel. Die Rheintalbahn erlaubt zwischen Mannheim und Freiburg außerhalb von Bahnhöfen fast überall Geschwindigkeiten von mindestens 160 Stundenkilometern und ist somit Karlsruhes schnellster Bahnzugang. Bereits 1870 wurde die Strecke Mannheim - Karlsruhe als "Rheinbahn" eröffnet. Seit Mitte der 1980er Jahre wird am Ausbau der Strecke gearbeitet. Der erste viergleisige Abschnitt zwischen Bühl und Offenburg ging im Jahr 2000 in Betrieb, der Abschnitt Bühl-Haueneberstein 2004. Die Fertigstellung des Gesamtprojekts war ursprünglich für 2020 geplant.

    Ist der Ausbau vertraglich zugesichert?

    Der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn zur besseren Abwicklung des Güterverkehrs als Zubringer zu den neuen schweizer Alpentunneln ist gegenüber der Schweiz zugesagt. Am 6. September 1996 wurde in Lugano eine Vereinbarung zwischen dem Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiedepartements und dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland getroffen: Damit sollte die Leistungsfähigkeit des neuen Eisenbahnnetzes - der "Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT)" - gesichert werden.

    "Die Bundesrepublik hat sich in einem Staatsvertrag mit der Schweiz verpflichtet, bis zur Fertigstellung des Tunnels auch die Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel, die als nördlicher Anschluss an den Gotthardtunnel notwendig ist, viergleisig auszubauen. Angesichts des langsamen Baufortschritts und der mangelhaften Finanzierung wird die Strecke so voraussichtlich 20 Jahre später fertig werden als vereinbart. Das ist glatter Vertragsbruch", empörte sich kürzlich der Bundesvorsitzende des Verkehrsclub Deutschland (VCD), Michael Ziesak.

    Was spricht für den Ausbau?

    Experten erwarten neben Zeitersparnis auch enorme ökologische und ökonomische Effekte. Ohne Ausbau fürchten sie einen Verkehrskollaps. Eine Studie der IHK in der Region Stuttgart zum Schienengüterverkehr in Baden-Württemberg im Jahr 2025 kommt zu dem Schluss, dass ohne Ausbau eine "nahezu vollständige Überlastung des Netzes" drohe. Der Schienengüterverkehr wäre somit nicht mehr wettbewerbsfähig. "Der Güterverkehr auf der Schiene boomt. Die Strecke in Nord-Süd-Richtung ist bereits heute überlastet. Wenn nichts passiert, wird die Auslastung der Rheintalbahn im Jahr 2025 bei 190 Prozent liegen", so der Vorsitzende des VCD-Landesverbandes Baden-Württemberg, Matthias Lieb.

    Auch Gerd Hager, Verbandsdirektor des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein (RVMO), plädiert für einen schnellen Ausbau: "Die Strecke ist der Kernweg des europäischen Wirtschaftsraums. Lkws verstopfen schon heute die Straßen. Wir müssen auf die Schiene ausweichen." Das Ziel sei mehr Güter vom Lastwagen auf den Zug zu bringen. Dadurch werde weniger Dreck in die Luft geblasen und zudem sei der Transport auf der Schiene im Vergleich zur Straße kostengünstiger.

    Auch die Bahn sieht den Streckenabschnitt Karlsruhe - Basel mit "täglich 250 Zügen des Nah-, Fern- und Güterverkehrs bereits heute bis an die Kapazitätsgrenze ausgelastet." Angesichts der bestehenden Engpässe sei eine Anpassung der Strecke an den aktuellen und künftigen Verkehrsfluss dringend erforderlich.

    Wo gibt es Zündstoff?

    Für Zündstoff sorgt vor allem die Strecke südlich von Offenburg. Für 77 Kilometer prüft das Eisenbahnbundesamt noch Genehmigungsverfahren. Gegen die Bahnpläne sind mehr als 172.000 Einwendungen eingegangen. Bürger kritisieren vor allem den Lärm durch die zunehmende Zahl an Güterzügen.

    Ein weitere Schwierigkeit stellt der Bau des Rastatter Tunnels dar. Experten sagen, der Tunnel sei notwendig. Denn die Kurve im Rastatter Bahnhof sei für Hochgeschwindigkeitszüge zu eng und damit ein "Nadelöhr". Oberirdisch sei eine Begradigung nicht möglich, da hierbei Teile der Stadt abgerissen werden müssten. Durch die Tunnelvariante könnten die Züge geräuschärmer und schneller unter dem Bahnhof hindurchfahren. Die oberirdisch verlaufenden Gleise blieben bestehen.

    Die Machbarkeit des Tunnels wurde bereits im März 1996 durch das Eisenbahn-Bundesamt bestätigt. Der Beschluss ist seit 1998 unanfechtbar. Aufgrund neuer EU-Sicherheitsrichtlinien müssen die Pläne überarbeitet werden. Zurzeit läuft daher ein Planfestellungsänderungsverfahren, welches dem Eisenbahn-Bundesamt bald zur Prüfung vorgelegt werden soll.

    Doch auch die Finanzierung des Tunnelprojektes ist nicht eindeutig geklärt. Erst im Juli bezeichnete der Karlsruher Oberbürgermeister Heinz Fenrich den Bau des Tunnel und die Beseitigung der Raststatter Engstelle als ein "Gebot der Vernunft". Laut IHK Karlsruhe seien bereits 26 Millionen Euro im Zuge der B36-Umgehung in das Tunnelprojekt investiert worden. Doch im April erklärte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer das Rastatter Tunnelprojekt für zu teuer und aufwendig. Das Projekt wurde so vorerst zurück gestellt.

    In einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage von ka-news heißt es dazu: "Der Rastatter Tunnel ist auch weiterhin Bestandteil des Vorhabens Ausbau-/Neubaustrecke Karlsruhe-Basel. Seitens des Bundesverkehsministeriums wird im Bereich Rastatt derzeit kein akuter Engpass gesehen. Der zweigleisige Engpass zwischen Offenburg und Basel mit 124 Kilometern ist ungleich länger und damit dringlicher zu beseitigen, als der mit fünf Kilometern Länge vergleichsweise kurze Engpass im Bereich des Bahnhofs Rastatt. Aus diesem Grunde konzentrieren sich die Baumaßnahmen bei dem Projekt derzeit auf den südbadischen Streckenabschnitt."

    Was sagen die Karlsruher Landtagsabgeordneten?

    Die Karlsruher Landtagsabgeordneten sind sich parteiübergreifend einig: Der Ausbau der Rheintalbahn ist dringend notwendig und die Bundesregierung steht in der Pflicht. "Wir brauchen das dritte und vierte Gleis. Wir müssen den Güterverkehr vom Lkw auf die Schiene bringen", fordert die Karlsruher Landtagsabgeordnete der Grünen Gisela Splett. Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Stober sieht das Projekt als "dringend nötig". Und die CDU-Landtagsabgeordnete Katrin Schütz fordert ebenfalls ein "schnelles Handeln".

    Was sagt die Deutsche Bahn?

    Nicht viel. Auf Anfrage von ka-news wird das Projekt von einem Bahnsprecher zwar als eines der "wichtigsten Infrastrukturprojekte der Bundesrepublik" bezeichnet. Zu der bereits investierten Summe zur Planung des Rastatter Tunnels machte das Unternehmen allerdings keine Angaben. Auch auf die Frage, bis wann der komplette Ausbau der Rheintalbahn abgeschlossen seien könnte, hieß es: "Kein Kommentar."

    Hat der Ausbau Auswirkungen auf Karlsruhe?

    Der zunehmende Güterverkehr wird auch Auswirkungen auf die Karlsruher Bürger haben. Gerade im Stadtteil Hagsfeld führt die Trasse nahe an Wohngebieten vorbei. Befürworter des Projektes pochen daher beim Ausbau der Strecke darauf, weniger "lärmbelastendes Material" zu verwenden und sich rechtzeitig mit der Planung von Lärmschutzwänden auseinanderzusetzen. 

    Wie hoch sind die Kosten des Gesamtprojekts?

    Die Gesamtkosten für Aus- und Neubau der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel werden auf 5,7 Milliarden Euro geschätzt. Der Streckenabschnitt Rastatt-Süd - Offenburg kostete 1,4 Milliarden Euro und wurde bereits 2004 in Betrieb genommen. DB-Vorstand Volker Kefer sagte kürzlich, dass nicht alle Projekte, die als so genannter "vordringlicher Bedarf eingestuft sind, auch finanziell hinterlegt" seien.

    Was hat Stuttgart 21 mit dem Ausbau der Rheintalbahn zu tun?

    Die Milliarden-Beträge, die in S 21 verbaut werden, fehlten für den Ausbau der Rheintalbahn, der wichtigsten Strecke für den Güterverkehr in Deutschland, sagen Kritiker. Matthias Lieb vom VCD Baden-Württemberg dazu: "Die Prioritäten für den Schienenausbau in Baden-Württemberg sind völlig falsch gesetzt. Während für den Ausbau der Rheintalbahn noch über vier Milliarden Euro erforderlich sind, sollen rund 2,5 Milliarden Euro Bundesmittel für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ausgegeben werden. Dabei drohen gerade diese Projekte zum Nadelöhr für den Güterverkehr zu werden."

    Wann wird das Projekt fertiggestellt sein?

    Das weiß niemand so genau. Nach dem Durchstoß des Gotthard-Basistunnels erwartet die Schweiz den zügigen Ausbau der Rheintalbahn von Karlsruhe nach Basel als Zubringerlinie. So soll verhindert werden, dass der Güterverkehr nicht erst an der Landesgrenze vom Lkw auf die Schiene verlagert werden muss. Die Karlsruher Landtagsabgeordneten rechnen allerdings nicht mit einem Ausbau bis 2020 wie in den NEAT-Verträgen von 1996  vorgesehen. Und auch aus dem Bundesverkehrsministerium heißt es: "Derzeit kann keine Prognose für die Fertigstellung der Gesamtmaßnahme abgegeben werden."

    In der Schweiz feiern die Eidgenossen stolz den Durchstoß des Gotthard-Basistunnel als ihr "Jahrhundertprojekt", während in Deutschland die Bürger gegen Projekte wie Stuttgart 21 auf die Straße gehen. Erleben wir eine neue Welle von Protesten? Brauchen wir mehr Volksentscheide? Oder verhindert mehr Bürgerbeteiligung den Fortschritt? Und was können die deutschen Politiker von den Schweizern lernen? Lesen Sie dazu mehr in dieser Woche bei ka-news.

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