Startseite
Icon Pfeil nach unten
Karlsruhe
Icon Pfeil nach unten

Karlsruhe: Ist auch Durlach nur Blöff?

Karlsruhe

Ist auch Durlach nur Blöff?

    • |
    • |

    Nach Angaben der Autonomen Antifa Karlsruhe spricht auch der jüngste Besuch des im Dresdner Landtag sitzenden Rechtsextremisten Holger Apfel in Karlsruhe für die ernsthaften Bemühungen der NPD, das Haus in der Badener Straße wieder als "Nationales Zentrum" in Betrieb zu nehmen.

    "Ober sticht Unter": NPD-Geschäftsführer bremst Landesverband

    Dem widerspricht jedoch der Verfassungsschutz. Eigentlich wollte der Linderhof-Eigentümer, ein Schweizer Bürger, am vergangenen Freitag entscheiden, ob er sein marodes Gebäude bei Straßberg für die von der NPD gebotenen rund 540.000 Euro verkauft. Die rechtsextreme Partei braucht aber einen Aufschub. Der Generalsekretär der Partei auf Bundesebene, der den vielsagend klingenden Namen Peter Marx trägt, fuhr jetzt bei einem dieser "öffentlichkeitswirksamen Auftritte" in Straßberg NPD-Landeschef Jürgen Schützinger in die Parade. Die Bundes-NPD fürchtet sich vor Immobilienbesitz, angesichts des nach wie vor offenen NPD-Verbotsverfahrens, zeigt aber auch Bedenken wegen der Kaufpläne. Sie fürchte, dass nicht mehr genug Geld für Wahlkämpfe vorhanden sei, ließ Schützinger vergangene Woche wissen. Nicht ohne den obrigkeitshörigen Satz: "Ober sticht Unter", sprich: "Marx sticht Schützinger", nachschieben zu wollen. Der Schweizer Immobilienbesitzer will sich nun "bis Ende des Monats" entscheiden.

    Das mutmaßliche Interesse der NPD an Immobilienkäufen wie im Fall des "Linderhofs" bei Straßberg, oder dem "La Belle" in Durlach - jüngst auch in einem Fall bei Bayreuth in Oberfranken - dient nach Ansicht des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bad Cannstatt vor allem der Geldbeschaffung: "Die Partei hat erkannt, dass sie damit Druck auf die Kommunen ausüben kann, um überhöhte Preise zu erzielen", sagte jüngst Verfassungsschützer Frank Dittrich. Der SPD-Innenexperte Stephan Braun, der sich auch in früheren Fällen mit rechtsextremen Auswüchsen in Karlsruhe befasste, namentlich als es um das einst von der CDU gemanagte "Haus der Heimat" ging, meinte demgegenüber: "Wenn die NPD ein Objekt wirklich erwerben will, wird sie eher verdeckt arbeiten. Tritt sie offen auf, sind Absprachen durchaus denkbar."

    Erst Delmenhorst, dann Warmensteinach: die Liste der Immobilien

    Im Mai setzten sich hunderte von Bürgern in Durlach gegen ein Schulungszentrum zur Wehr (Foto: ka-news)

    Ähnliches wird derzeit beispielsweise auch in Warmensteinach bei Bayreuth in Oberfranken vermutet. Dagegen hatten Bürger vergangene Woche in der oberfränkischen Stadt demonstriert. Als Paradebeispiel gilt nach wie vor die niedersächsische Stadt Delmenhorst, die im Dezember 2006 ein Hotel mit Hilfe von Spenden zu einem überteuerten Preis gekauft hatte, um ein NPD-Schulungszentrum zu verhindern. Auch die Gemeinde Straßberg im Zollernalbkreis will bekanntlich verhindern, dass die NPD im leerstehenden Gebäude ein Schulungszentrum einrichtet. Der Bürgermeister der 3.000-Seelengemeinde, Manfred Bopp (CDU), hatte mehrfach erklärt, alles tun zu wollen, um den Einzug der NPD zu verhindern (ka-news berichtete). Anfang vergangene Woche wurde eigens eine Plakataktion gestartet, mit der die Abneigung gegenüber den Rechtsextremisten zum Ausdruck gebracht wird. Bopp weiß sich inzwischen auch der Unterstützung des Landrats im Zollernalbkreis, Günther-Martin Pauli, sicher.

    Wenn die NPD mit dem Verkäufer zusammenarbeite und eine Provision erhalte, könne dies ein "lohnendes Geschäft" sein, erklärt demgegenüber Verfassungsschützer Dittrich. "Es ist schon auffällig, wenn Funktionäre in Land und Bund an die Öffentlichkeit treten und Verkaufsabsichten derart publik machen." Er vermutet dahinter den Drang nach Medien-Präsenz und kostenloser Werbung. "Ganz nach dem Motto: ,Besser schlechte Propaganda als gar keine'", sagte der Verfassungsschützer. In den vergangenen Jahren habe die NPD bundesweit versucht, Immobilien zu erwerben - "oder zumindest den Anschein zu erwecken, es bestünde ein Interesse der Partei", sagte Dittrich (ka-news berichtete).

    Karlsruher Umland ist Schwerpunkt rechtsextremer Umtriebe

    Solange die NPD nicht verboten ist, hat die Partei aber durchaus auch Gründe für den Kauf von Gebäuden. Die NPD benötige immer wieder Räume für ihre Parteiveranstaltungen, Schulungen und Versammlungen, heißt es (ka-news berichtete). Die NPD gilt als die einzige rechtsextreme Partei, deren Mitgliederzahlen gestiegen sind. Mit bundesweit 7.200 Mitgliedern ist sie die mitgliederstärkste rechtsextreme Partei. In Baden-Württemberg hat die NPD etwa 440 Mitglieder. Landesinnenminister Heribert Rech hatte vergangenes Frühjahr, bei Vorlage des Verfassungsschutzberichts, die Bedeutung der rechtsextremen Aktivitäten im Land allerdings eher herunter gespielt. Gerade im Umland von Karlsruhe ist laut einer Anfrage des Ettlinger Landtagsabgeordneten Werner Raab (CDU) ein Schwerpunkt rechtsextremer Umtriebe im Land auszumachen (ka-news berichtete). Hier werden bis zu 100 Neonazis und Skinheads gezählt. Wie auch immer die Absichten der NPD in den Fällen Straßberg und Durlach sein mögen: "Die Partei hat erkannt, dass das Bekanntwerden der Verkaufsabsichten Vorteile bringen kann."

    _____________________________________________________________

    HINTERGRUND: Angebliches oder echtes Interesse der NPD an Immobilien führt regelmäßig zu Aufkäufen durch Gemeinden. Die legen dann viel Geld auf den Tisch, wie nachfolgende Beispiele zeigen.

    Mai 2001: Eningen im Kreis Reutlingen kauft eine Villa der NPD für umgerechnet 1,07 Millionen Euro.

    Juni 2005: Die bayrische Gemeinde Grafenwöhr erwirbt eine alte Tennishalle für 545.000 Euro, die zuvor per Kaufvertrag an einen NPD-Funktionär gegangen war.

    August 2006: Im pfälzischen Kirchheim an der Weinstraße (nahe Frankenthal und Ludwigshafen) gibt die NPD Pläne für den Kauf einer alten Gaststätte auf, weil das Haus unter Denkmalschutz gestellt wird.

    August 2006: Ein NPD-Funktionär im bayerischen Cham äußert Kaufinteresse an einem heruntergekommenen Gebäude und will 1,2 Millionen Euro dafür zahlen. Die Kommune kauft es.

    Dezember 2006: Die niedersächsische Stadt Delmenhorst kauft ein Hotel mit Hilfe von Spenden zu einem überteuerten Preis, um ein NPD-Schulungszentrum zu verhindern.

    Februar 2007: Mit dem Kauf einer Gaststätte hat das oberfränkische Wunsiedel Pläne zur Errichtung eines Nazi-Versammlungszentrums durchkreuzt.

    September 2007: Die Stadt Menden in Nordrhein-Westfalen verhindert den Verkauf eines Gutshauses an den Hamburger Rechtsextremisten Jürgen Rieger, stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender. Sie einigt sich mit der Besitzerin auf einen Erwerb.

    November 2007: Rieger verzichtet auf den Kauf eines alten Bahnhofs im niedersächsischen Melle. Die Stadt hatte den Bebauungsplan geändert, um ein Tagungszentrum zu verhindern.

    Januar 2008: Das niedersächsische Hameln spricht für ein baufälliges Kino, das der Rechtsextremist Rieger gekauft hatte, ein Nutzungsverbot für Versammlungen aus.

    April 2008: Um sich gegen ein NPD-Zentrum zu wehren, erklärt Karlsruhe den Straßenzug, in dem das Wunschobjekt steht, zum reinen Wohngebiet.

    August 2008: Die NPD will in Warmensteinach ein Hotel kaufen. Dagegen wurde vergangene Woche in der oberfränkischen Stadt demonstriert.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden