Herr Hildenbrand, was sind Ihre Aufgaben als Landesvorsitzender?
Ich bin als Parteivorsitzender für meine Partei und ihre rund 9.000 Mitglieder in Baden-Württemberg zuständig. Aktuell steht insbesondere die Vorbereitung auf die Landtagswahl 2016 an, das bedeutet dass wir gerade den Prozess gestalten, wie wir zu unserem nächsten Landtagswahlprogramm kommen.
Das heißt, es finden derzeit die Abstimmungen mit den Kreisverbänden zur Aufstellung des Landtagwahlprogramms statt?
Ganz soweit sind wir noch nicht. Wir laden im März und April unsere Mitglieder und die Öffentlichkeit zu vier Zukunftsforen ein. Start ist am 21. März in Sigmaringen, weitere wird es in Stuttgart, Offenburg und Mosbach geben. Zusammen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann, unseren Grünen Ministerinnen und Ministern und Abgeordneten wollen wir mit den Bürgern ins Gespräch kommen und deren Ideen und Impulse für die Zukunft Baden-Württembergs aufnehmen.
Was bringt Sie nach Karlsruhe?
Der Anlass meines Besuchs ist das Gespräch mit dem Kreisvorstand der Karlsruher Grünen und eine öffentliche Kreismitgliederversammlung. Meine Co-Vorsitzende Thekla Walker und ich besuchen momentan alle unsere Kreisverbände, weil wir mit den Kreisverbänden ins Gespräch kommen wollen, um Vorbereitungen bezüglich des Landtagwahlkampfes zu treffen. Wir wollen erfahren: Wie ist die Stimmung an der Basis, wie werden verschiedene Themen eingeschätzt und was spielt vor Ort eine besondere Rolle?
Was spielt in Karlsruhe eine besondere Rolle? Welche Anliegen werden an Sie herangetragen?
Karlsruhe hat das größte oberirdische Atommüll-Lager. Es stellt sich die Frage, wie kann und wie muss man mit den Sicherheitsfragen umgehen, die sich im Zusammenhang mit dem Atomausstieg stellen? Und welche Weichenstellungen sind da notwendig? In Zusammenarbeit mit dem Kreisverband, aber auch mit der Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl und der Europaabgeordneten Rebecca Harms wollen wir Ende Juli die "Karlsruher Atomtage" veranstalten.
Die Frage nach dem Atomausstieg ist noch nicht endgültig beantwortet. Wir sind und bleiben die Anti-Atom-Partei. Unser Job ist in dieser Hinsicht noch nicht erledigt - wenn wir zum Beispiel an die Endlagersuche oder an die Frage des Rückbaus von Atomkraftanlagen denken. Es ist weiterhin ein wachsames grünes Auge gefragt - vor allem vor dem Hintergrund, dass in jüngster Zeit auf europäischer Ebene Gedankenspiele die Runde machen, die das Ende der Atomkraft in Frage stellen.
Gibt es neue Entwicklungen in Sachen Endlagersuche in Baden-Württemberg?
Die Suche muss offen und transparent sein. Kein Bundesland darf sich aus der Verantwortung stehlen. Baden-Württemberg ist keines der Länder, das sich von vornherein verschließt. Wir müssen nach den bestgeeigneten Standorten suchen. Es ist die logische Konsequenz von Atomkraftnutzung, auf die die CDU gesetzt hat: dass Atom-Müll anfällt und dieser auch irgendwo hin muss. Davon will die CDU heute aber nichts mehr wissen.
Während die Pegida-Bewegung bundesweit abzuflauen scheint, hat sie in Karlsruher erst vor drei Wochen mit Kundgebungen gestartet? Wie schätzen Sie die Bewegung ein?
Ich wünsche mir, dass die Bewegung schnell wieder abflaut. Ich bin der Meinung, dass die Pegida-Bewegung ein Angriff auf das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft ist. Das muss man sich klar machen: Die Leute demonstrieren gegen das, was Baden-Württemberg ausmacht - nämlich die Tatsache, dass Baden-Württemberg ein weltoffenes und vielfältiges Land ist. Genau das hat uns doch stark gemacht.
Es ist immer viel die Rede von Ängsten und Sorgen. Aber jeder hat zunächst einmal die Verantwortung, sich kritisch zu hinterfragen: Sind meine Ängste und Sorgen berechtigt? Und zweitens: Wen mache ich für alle tatsächlichen oder vermeintlichen Probleme verantwortlich? Ich halte es für besonders verwerflich, wenn man dann die Flüchtlinge zum Sündenbock macht.
Ausgerechnet Menschen, die oft alles verloren haben, die notleidend und schutzsuchend sind - und diese Menschen sollen dann für alles, was in Deutschland angeblich schlecht läuft, verantwortlich sein? Ich bin sehr froh, dass es viele Menschen gibt, die sehr deutlich Flagge zeigen für Weltoffenheit und Vielfalt. Das trifft ja auch auf Karlsruhe zu.
Was kann man als Politiker tun, um den Leuten ihre Ängste zu nehmen, die sie auf die Straße treiben?
Wie gesagt, wenn man Sorgen und Ängste hat, ist man schon sehr gut beraten, sich zu fragen ob diese berechtigt sind oder nicht. Wenn man sich diese Frage nicht stellt, ist das einfach nur irrational. Wenn man über die Fragen Sozialpolitik und Rentenpolitik diskutieren möchte - gerne. Ich denke diese Diskussionen sind auch längst überfällig.
Diesen Menschen müsste erst einmal klar werden, welche konkreten politischen Anliegen sie eigentlich haben. Denn mit irgendwelchen irrationalen Ängsten und Vorurteilen ist schlecht Politik zu machen. Bei Pegida wird nicht differenziert. Das ist keine Art der politischen Auseinandersetzung. Vor allen Dingen sollten die Pegida-Mitläufer sehr genau hinschauen, mit wem sie sich gemein machen und hinter welchen Fahnen und Leuten sie herlaufen. Die Grenzen zum braunen Sumpf verschwimmen da völlig.
Was der Landesvorsitzende zum "Titten Tweet" von Jörg Rupp und einer möglichen Cannabis-Legalisierung, gibt es im zweiten Teil des Interviews am Freitagmittag zu lesen.